Mit seinem dritten Soloalbum hat der in New York ansässige Singer/Songwriter Kevin Devine sein bisher reifstes Werk vorgelegt, auf dem er in atemberaubender Manier die persönlichen Höhen und Tiefen der letzten zwei Jahre besingt. Hinzu kommt ein politisches Bewusstsein, das man in dieser Form bisher nicht von ihm kannte.
Er kommt in Begleitung seiner Band, THE GODDAMN BAND, zum Interview und fühlt sich sichtlich wohl in dieser Konstellation. „Dass so viele Leute an dem Album beteiligt sein und wir nun als Band auftreten würden, war vor den Aufnahmen des Albums nicht abzusehen. Ich liebe es, mit diesen Leuten Musik zu machen.“ Die Rede ist von Chris und Amy Bracco sowie Mike Skinner, der bereits Schlagzeug in Kevin Devines ehemaliger Band MIRACLE OF ’86 spielte. „Gegen Ende waren wir drei Monate am Stück auf Tour, und danach haben wir gemerkt, dass wir das so nicht aufrechterhalten konnten. Das Gefühl veränderte sich, wir empfanden die Band als Stress. An diesem Punkt sollte man sich eingestehen, dass die Band keine Zukunft mehr hat.“
Gemeinsam mit den genannten Personen als Grundgerüst sowie weiteren Gästen hat er mit „Split The Country, Split The Streets“ ein Album eingespielt, das sowohl traurige, melancholische Songs als auch optimistische Rocksongs beinhaltet. „Bei diesem Album haben wir uns mehr getraut als bislang, wenn ich ein Piano wollte, haben wir jemanden gesucht, der es spielen und aus meinen Ideen etwas Konstruktives machen konnte. So kam Amy hinzu, die auf ‚You are the daybreak‘ Piano spielt. Wir haben ausprobiert und in die Tat umgesetzt, was wir machen wollten.“
Das Ergebnis offenbart gegensätzliche Emotionen, die das Leben des Kevin Devine seit Erscheinen des Vorgängers „Make The Clocks Move“ widerspiegeln. „Seitdem ist sehr viel in meinem Leben passiert, ich war scheinbar endlos auf Tour. Wenn man derart lange Zeit allein unterwegs ist, lernt man sehr viel über sich selbst, man erlebt sehr viel Gutes, begegnet aber auch vielen negativen Aspekten dieses Lebenswandels, zum Beispiel habe ich sehr viel getrunken, was sicher nicht klug war. Ich habe meinen Vater verloren, Beziehungen sind auseinander gegangen, mein Heimatland hat sich in eine Richtung entwickelt, die ich nicht gutheißen kann. Dinge, die einen den Schlaf rauben.“
Der lyrische Schwerpunkt liegt gewohnt auf persönlichen Themen. Den Verlust seines Vaters hat er in rührender Art und Weise in den Songs „Yr damned ol’ dad“ und „Alabama acres“ thematisiert, „You are the daybreak“ ist ein wunderschönes Liebeslied, während „Afterparty“ und „Keep ringing your bell“ vom Verlassenwerden handeln. „Meine Songs verarbeiten meine Gefühle, meine Eindrücke. Nichtsdestotrotz merke ich bei einigen Songs natürlich, dass sie nicht nur mir, sondern auch anderen Leuten etwas bedeuten, und das ist ein schönes Gefühl.“
Doch auch die Politik seines Heimatlandes hat ihn derart beschäftigt, dass er sich verpflichtet fühlt, dagegen ins Feld zu ziehen. So kritisiert er in „No time flat“ ausgesprochen deutlich den Präsidenten und dessen Kriegspolitik. „Es war und ist mir total egal, ob meine Worte als zu deutlich oder überzogen betrachtet werden, ich wollte genau das loswerden und bin es losgeworden.“
Kein Verständnis hat er für den nachlassenden Widerstand in der Bevölkerung, gerade auch in der alternativen Musikwelt, die seit Bushs Wiederwahl merklich ruhiger geworden ist. „Das ist doch furchtbar! Vor der Wahl sind unzählige Künstler auf den John Kerry-Zug gesprungen, nicht um ihn zu unterstützen, sondern um gegen Bush Stellung zu beziehen. Von denen hört man heute nichts mehr, als wäre all das eine Art Trend gewesen.“
Einen Grund für die Wiederwahl George Bushs sieht er in der mangelnden Alternative, die der demokratische Gegenkandidat darstellte. „Ich bin nicht der Ansicht, dass ein Wahlsieg John Kerrys etwas bewirkt hätte, er wäre sicher kurzfristig besser gewesen als Bush, aber strukturelle Veränderung in der politischen Ausrichtung hätte es mit ihm genauso wenig gegeben.“ Ein Protestsänger wird er wohl dennoch nicht werden: „Es wird auch weiterhin Songs dieser Art geben, aber genauso werde ich auch Liebeslieder, Lieder über Familie, Freundschaft und Verlust schreiben.“
Veröffentlichen wird er diese Songs in Zukunft nicht mehr über das Kölner Indielabel Defiance Records, ihn zieht es zum Major Capitol. „Ich denke, es ist an der Zeit. Ich hoffe, dass ich weiterhin sagen kann, was ich sagen möchte, gleichzeitig aber mehr Freiraum, mehr Möglichkeiten für meine Musik erhalte. Ich hoffe, nicht mehr in der Situation zu sein, mir Geld von meiner Mutter leihen zu müssen. Ich bin mir aber bewusst, dass das auch schief gehen kann und ich mich in zwei, drei Jahren vielleicht auf Defiance wieder finde. Ich habe nicht viel zu verlieren, mal sehen, was passiert.“ Bleibt nur, ihm bei diesem Schritt alles Gute zu wünschen, und zu hoffen, dass er sich seine Eigenwilligkeit und sein Gespür für bewegende Songs auch auf dem Weg zu neuen Ufern unter der Flagge eines Majorlabels bewahrt.
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