Auf die Band KATZENSTREIK aufmerksam wurde ich fast zwangsläufig durch deren Label Unterm Durchschnitt Schallplatten, welches mir mit nahezu jeder anderen dort beheimateten Band schon lange ans Herz gewachsen ist. KATZENSTREIK spielen euphorischen und mitreißenden „Emo-Punk“ mit intelligenten Texten, deren poetischer Anspruch keine Barrieren kennt, und der durchdacht, aber keineswegs verkrampft wirkt, eher aufbauend und befreiend. Neben der Musik beeindruckt mich an der Band deren Interesse für Kunst und die wichtige, oftmals aber nicht mehr so präsente D.I.Y.-Einstellung. KATZENSTREIK bewahren sich das Interessante, was man längst nicht von allen Bands, in einem längst überbevölkerten und totgehypeten Genre behaupten kann.
Auf der Seite von Freecore Records kann man bezüglich eures Bandnamens lesen: „Der Name KATZENSTREIK lehnt sich an den Begriff ‚wild cat strike‘ aus der englischen ArbeiterInnenbewegung an, und steht für selbstorganisierte Streiks der ArbeiterInnen, mit der Option, ihre Ziele auch militant durchzusetzen.“ Wer hatte denn die Idee dazu?
Tobi: „Hagen schleppte diese Idee schon vor Jahren an, wir könnten da doch KATZENSTREIK draus machen, und weil Bolle und Hagen so auf Katzen stehen, hat das damals gepasst. Für mich geht es da auch um eine Verweigerungshaltung gegenüber gesellschaftlichen Zwängen. Die Arbeitskarrieren von uns haben schon alle viel mit Vermeidung von unvernünftigen Tätigkeiten wie zum Beispiel Lohnarbeit zu tun. Katzen sind ja dafür bekannt, dass sie ihren eigenen Kopf durchsetzen, wenn sie keinen Bock auf etwas haben.“
Ich denke, dass man euch durchaus zu den politischen Bands zählen kann – oder zu politischen Menschen, die Musik machen. Ansichten ändern sich, das ist klar, nur bei so genannten politischen Bands fällt das immer stärker ins Gewicht, wenn man später als Hörer feststellt, dass früher wohl nicht alles so war, wie es aussah. Wie denkt ihr darüber, also über sich mit der Zeit verändernde Ansichten, was möglicherweise für einige Hörer dann eine Enttäuschung sein könnte?
Jörg: „Unangenehm wird es vielleicht da, wo sich Ansichten ins Gegenteil verkehren, aber ich möchte mich nicht von anderen Menschen auf eine bestimmte Position festlegen lassen. Wenn sich die im Laufe der Zeit nicht verändert, hat das meistens gute Gründe, aber es sollte schon möglich sein, neue Sichtweisen anzunehmen und auch wieder zu verwerfen, und alles insgesamt als einen Erfahrungsgewinn zu sehen.“
Bolle: „Mir geht es darum, das bewusst zu reflektieren, wenn ich mich verändere. Das ist ein ständiger Prozess bis ins Grab. Dabei macht man sicher auch Fehler, aber das ist okay. Am besten geht man konstruktiv damit um. Kritik ist auch was gutes, dadurch kann ich halt wachsen. Oft ist es so, du bist jung, willst alle überzeugen, und denkst, du bist besser als die anderen, aber später merkt man, dass das nicht der Fall ist.“
Tobi: „Ich fühle mich da direkt angesprochen, denn bei dem Song ‚Hassmaske‘ wettere ich ja gegen McDonalds. Jetzt gehe ich da auch essen, nicht weil ich resigniert habe, sondern weil sich meine Analyse von gesellschaftlichen Verhältnissen verändert hat, und dabei taucht McDonalds nicht mehr als Feind auf. Ich finde das ganz schön peinlich, aber ich war siebzehn, als ich das geschrieben habe. Da hatte mir halt noch niemand erklärt, wie das so im Kapitalismus läuft, und dann kommen solche Sachen dabei raus.“
Man hört die meisten Bands ja auch, weil sie gute Texte haben, aber die meisten konzentrieren sich dann nicht darauf, aus dem Geschriebenen mehr zu machen, weil sie ausschließlich Musiker sind. Warum nicht mal Songtexte als Sammlung in einem Buch veröffentlichen und so vielleicht nur anhand der Texte Feedback bekommen?
Bolle: „Ich bin eher Musiker als Autor und gebe mir beim Schreiben auch nicht so viel Mühe. Mir ist es wichtig, den Moment mit Worten einzufangen. Das klingt nicht immer gut, aber ich verstehe es. Texte schreiben ist auch eine Kunst. Oft sind es ganz einfache, alltägliche, ehrliche Texte, die mich berühren, meistens aber in Verbindung mit Musik. Ich habe erfahren, dass es total gut ist, Texte zu schreiben. Das ist ein bisschen wie Therapie. Ich habe zum Beispiel über tiefe Verletzungen geschrieben und wie man sie heilen kann. Später habe ich ein enormes Feedback bekommen, mit Leuten darüber geredet und tiefe Begegnungen gehabt. Die haben mir gesagt: Ich kenn das auch, danke, dass du das geschrieben hast. Für mich ist das eine Art Aufgabe geworden zu sagen: Egal, wie kaputt du bist, was passiert, wie die Welt ist oder zu sein scheint, mach was aus deinem Leben, nimm es in die Hand, lebe jetzt, lass dich nicht versklaven von deinen Gefühlen, Ideen, von irgendwelchen Psychos oder wie schlecht die Welt ist. Es gibt Heilung und wahres Glück für jeden Menschen. Das geht, rocken, aufraffen, was machen. Ich hab da noch nie drüber nachgedacht, Texte zu veröffentlichen, aber das klingt erstmal sehr spannend.“
Was hat das eigentlich zu bedeuten, dass die Titel eures letztes Album „Solves Your Problems!“ bis auf einen alle auf Englisch sind, die Texte selber aber dann in komplett in Deutsch, oder mit nur wenigen englischen Zeilen?
Bolle: „Da steckt keine bestimmte Idee dahinter. Das entsteht einfach so mit den Texten und die Titel machen wir oft zusammen, und das ist auch mal lustig. Ich mag halt kurze Namen. Wenn wir ein Lied machen, singe ich erst mal dazu in einer eigenen Sprache, und halb englisch. Und manche Zeilen auf Englisch find ich so gut, die verwende ich dann. Das passiert eher intuitiv.“
Viele Reviewer eurer Scheiben schreiben, dass es schwer ist, euch einzuordnen. Irgendwie eine Mischung aus Punk, Emo, zuweilen Pop, Indie-Rock und ein bisschen HC. Wo genau seht ihr euch?
Bolle: „Vergiss diese Kategorien, hör es, tanz es oder mach, was du willst. Irgendwie ist es Emopunk für mich. Wir lieben halt Punk, Emo, Indie, Pop, HC, Soul, Jazz, Blues, Funk. Hauptsache, es klingt frisch.“
Die Scheibe kann man ja durchaus als Konzeptalbum bezeichnen. Der Sound ist glatter und alles wirkt strukturierter, durchdachter, es wurde mehr Wert auf Songwriting gelegt. Ist das eine Entwicklung, eine Richtung, in die ihr immer wolltet, oder nur ein Zwischenstopp, auf dem Weg woanders hin?
Bolle: „Die Platte ist ganz sicher kein Konzeptalbum für mich. Wir haben uns mehr Mühe gegeben, mehr Zeit und Geld hineingesteckt. Ja, die Songs sind reifer, das passiert, glaube ich, einfach mit der Zeit. Die Entwicklung der Band geht immer weiter, sonst wird auch es langweilig. Du kannst nicht immer den gleichen Sound spielen, du willst was Neues machen. Die Entwicklung bei mir ist gerade wieder back to the roots, einfach ohne Schranken spielen, der pure Ausdruck.“
Wie seid ihr mit den bisherigen Reaktionen auf das Album zufrieden? Welche zukünftigen Ziele verfolgt ihr noch mit der Band?
Bolle: „Die Reaktionen auf die Platte sind super, ich bin sehr zufrieden. Wir wollen mit der Band an einen Punkt kommen, wo wir unser volles Potenzial entwickeln können und bestimmte Einschränkungen immer mehr wegfallen. Wir haben da noch lange nicht alles ausgeschöpft.“
Tobi: „Natürlich bestärkt es uns, dass die Platte so gut läuft, aber das Hauptkriterium bei KATZENSTREIK ist, dass es uns gefällt, selbst wenn sich die nächste Scheibe nur dreihundertmal verkaufen sollte. Bei KATZENSTREIK würde alles andere auch nicht klappen.“
Eure Platte ist im Oktober in Zusammenarbeit mit einer Plattenfirma aus Russland auch als „russische Version“ erschienen. Gibt es Pläne für die Zukunft, dort auch mal zu touren?
Tobi: „Zuerst war ‚Solves Your Problems‘ ja eine Gemeinschaftsproduktion von mehreren Labels. Unterm Durchschnitt hat die Platte dann noch mal nachgepresst, sie bei einem Vertrieb untergebracht und diese Russland-Connection aufgetan. Dass wir natürlich auch gerne da touren wollen, steht mal außer Frage. Wann und wie es sich realisieren lässt, wird sich zeigen. Die Version ist von der Verpackung her leicht abgeändert, und dort ist nur die CD rausgekommen. Gerade mit solchen Geschichten fühlen wir uns bei Unterm Durchschnitt sehr gut aufgehoben. Absprachen, Feedback und Kommunikation stimmen.“
Für eure Platten denkt ihr euch immer besondere Dinge aus – eine Tragetaschen-Verpackung, ein Buch dazu etc. – und legt generell viel Wert auf die Gestaltung.
Tobi: „Irgendwie hat es sich so entwickelt, dass unsere Platten besonders gestaltet sind. In der Musik steckt einfach so viel von einem selbst drin, dass es wichtig ist, das auch rüberzubringen. Das klappt nicht immer, und manchmal ist auch einfach nicht genug Kohle da, um zu realisieren, was einem eigentlich vorschwebt.“
Wie kamen eigentlich eure Songs bei den Gigs in Frankreich und Dänemark im letzten Jahr an, und besonders auf der Spanien-Tour mit
AGAINST ME?
Tobi: „Das waren nette Konzerte, wo wir im Großen und Ganzen gut angekommen sind. Zumindest sind die Leute nicht rausgegangen, bei einigen Konzerten wurde getanzt, bei anderen nicht. Und in Spanien standen wir halt auch einfach im Schatten von AGAINST ME!, die zwar auch niemand kannte, aber den Ami-Bonus haben, der ja trotz Anti-Amerika-Gehabe in der Punkszene recht groß ist.“
Davor habt ihr ja in Vechta im Knast gespielt. Wie ist das denn so gelaufen? Ich meine, das wird ja wohl was ganz anders gewesen sein.
Tobi: „Das war die Idee von Ingo von The Company With The Golden Arm, der einen Kontakt zu dem Leiter der Jugendabteilung dort im Knast hat, der in unregelmäßigen Abständen dort Konzerte organisiert. Vechta ist ein Frauenknast mit ziemlich kleinen Zellen, da das alles in Kubik- und nicht in Quadratmetern berechnet wird. Da die Zellen so hoch sind, wird eine Menge Raum berechnet, den sie faktisch gar nicht nutzen können. Ich konnte mich zuerst gar nicht mit der Idee anfreunden, im Knast für Unterhaltung zu sorgen. Aber es hatte wohl vielen so gefallen, dass auch Briefwechsel zustande kamen und ich noch 30 CDs in den Knast geschickt habe. Also hat es den Leuten wohl was gegeben.“
Ihr habt ja 2004 ein halbes Jahr lang nicht live gespielt, die Zeit aber genutzt, um z. B. neue Songs zu schreiben. Wie kommt ihr da voran?
Tobi: „Das klingt jetzt so, als ob wir ständig auf Tour wären, und dann mal ein halbes Jahr Pause machen, um an neuen Songs zu arbeiten. Leider ist das nicht so, wenn wir pausieren, dann wegen Arbeit, Ausbildung oder Meditationslehrgängen. Wir wohnen in vier Städten, die leider nicht alle an einer Autobahn liegen. Proben heißt insgesamt 28 Stunden Zug oder Autofahren. Trotzdem klappt es und trotzdem rocken wir gerade wie Sau! Zurzeit verbringen wir mindestens ein Wochenende im Monat zusammen, was dann Proben oder Konzerte sind. Aufnehmen werden wir bei molekyl.ton in Berlin, und das ab März. Wir wollen aber neue Sachen ausprobieren. Insofern wird sich das über Monate ziehen, bis alles fertig sein wird!“
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