Wie heißen die? JOSEPH BOYS?! Ernsthaft?! Doch der Name täuscht, denn mit den beiden richtig guten EPs „Fett“ (2015) und „Edition S___E“ (2016) veröffentlichten die fünf Düsseldorfer innerhalb eines Jahres zwei hervorragende Platten mit deutschsprachigem Punkrock. Diese Tatsache und die immer häufigeren bundesweiten Konzerte machen ein Interview zwingend notwendig. Sänger Andi A. steht Rede und Antwort.
Andi, wer sind die JOSEPH BOYS?
Da wären der Installationskünstler und Bühnentechniker Michael am Schlagzeug, der darstellende Künstler und Physiotherapeut Robin an der Gitarre, Kunststopfer und olfaktorischer Clown Fränkie Disco am Fettbass, Galerist und Regisseur Andi S. an der anderen Gitarre und meine Wenigkeit, der brotlose Künstler und Kameramann Andi A.
Wie kommt man auf solch einen genial-dämlichen Bandnamen in der Tradition von Ex-Bands wie OIRO oder BRATSETH?
Wir haben genial-dämliche Leute in der Band. Das quillt quasi nur so aus uns heraus, passiert einfach. In dem Fall war es Fränkie Disco. Wir gehen im Proberaum ziemlich ab, genau wie live. Dabei hat er mit dem Bass sein isotonisches Getränk vom Verstärker gekippt. Beim Aufheben hat er sich dermaßen den Kopf gestoßen, dass ihm der Bandname eingefallen ist und er japanisch sprechen konnte.
Wie wichtig ist euch das Gesamtkonzept? Also die Aufmachung der Platten, Cover und Videos, eure Performance? Macht man sich da endlos Gedanken und diskutiert oder läuft das so?
Im kreativen Bereich macht man uns so leicht nichts vor. An so was haben wir großen Spaß. Das kommt aber auch einfach so. Das hat was mit unserem Background zu tun. Die JOSEPH BOYS-Grafikwerkstatt macht zum Beispiel Vorschläge, wie ein Flyer, Aufkleber oder Cover aussehen könnte. Die Filmabteilung macht das Gleiche mit einem Video und so weiter. Natürlich sprechen wir uns untereinander ab. Erst wenn von keiner Seite her mehr Einwände bestehen, geht das raus. Das Schöne dabei ist der kreative Prozess, die Entwicklung, die die einzelnen Werke durchlaufen. Das funktioniert bei uns sehr gut. Dabei achten wir natürlich darauf, ob das ins Gesamtkonzept passt oder nicht. So macht man es doch auch beim Songwriting.
Rebellierende Jugendliche seid auch ihr nicht mehr. Was treibt euch an?
Eine innere Unruhe, die ihren Ursprung anscheinend auf einem fremden Planeten namens „Musik“ hat. Wir machen alle schon so lange Musik. Fränkie Disco und ich damals mit BRATSETH, Robin mit MINDMACHINE, Michael mit VIBRAVOID ... Ich würde fast behaupten, wir sind „musikverrückt“. Ist wie die Luft zum Atmen für uns. Das muss einfach raus. Wir haben uns gefunden und funktionieren in dieser Konstellation einfach mega. Eine Band ist ja mehr als ein paar Musiker, die zusammen Songs schreiben. Manchmal massieren wir uns auch gegenseitig, ganz zärtlich. Ganz ehrlich, wir haben großen Spaß zusammen und so macht Musik besonders viel Freude.
Wie wichtig ist beziehungsweise war die „Brause“ für euch? Ist das noch der Treffpunkt der ehemaligen Blurr-Fanzine-Leute?
Die Brause war Fränkie Discos und mein Ding, zusammen mit Jonny Bauer und T. Schaar. Eine Station auf unserer Fahrt mit dem Lass-was-machen-Zug. Nach dem Veranstalten von Konzerten im Geschwister-Scholl-Haus in Neuss kam die Kinogruppe Celluloid Suckers, danach die Brause. Ein Kunstverein, der jedem die Möglichkeit bieten sollte, seine ganz eigene Vorstellung von Kunst zu präsentieren. Ganz nach Beuys, jeder ist ein Künstler. Viele Freunde, Bekannte und wir selbst haben dort unsere Fotos, Filme, Musik oder Performances gezeigt. Das war und ist ein großer Sammelpunkt von Freaks und Fachleuten. Punks verbrüdern sich dort mit Clochards. Die Brause läuft unter dem gleichen Vorsatz weiter. Wir haben uns daraus zurückgezogen. Auf zur nächsten Haltestelle!
In Wermelskirchen hast du euch vorgestellt mit den Worten: „Wir sind eine spezifische Definition eines erweiterten Kunstbegriffs namens JOSEPH BOYS und im ausdrücklichen Gegensatz zu einem formal-ästhetisch begründeten Kunstverständnis mögen wir es laut.“ Haut man solche Sätze einfach so raus oder sitzt man da im stillen Kämmerlein, denkt sich das aus und lernt es auswendig?
Insofern es sich hierbei um eine ernstgemeinte Frage handelt, plädiere ich, auch wenn es sich nicht geziemt, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, dafür: Könntest du dich bitte etwas differenzierter artikulieren, damit mir die Logik deiner Frage etwas transparenter erscheint? So sprechen wir eigentlich immer miteinander, das ist bei uns ganz normal. Nur wenn wir auf andere Menschen treffen, versuchen wir uns auf ein niederes Sprachniveau zu begeben. Wir können auch „Ey“, „Digger“ oder „Alter“ sagen. Wir schlüpfen dann in eine Rolle. Es ekelt uns zwar ein wenig an, geht aber auch. Wir haben einen durchschnittlichen IQ von 160 in der Band. Da wurde uns die Ausdrucksweise einfach mit in die verfickte scheiß Wiege gelegt. Kann also auch sein, dass man sich das ausdenkt, es zusammensetzt und dann einfach mal auf der Bühne raushaut.
Eure Videos sind ja alle klasse. Wie wichtig ist es für eine „neue“ Band überhaupt, Videos zu machen?
Ich als Kulturbeauftragter im Bereich Kamera, habe eigentlich schon immer Musikvideos produziert. Wenn nicht für die eigene, dann für befreundete Bands. Das ist beim Film so ein Bereich, in dem man sich so richtig austoben kann. Da kann man was ausprobieren und völlig kranke Sachen machen. Wenn wir das nicht ausnutzen würden, dass wir aus dem Bereich kommen, wären wir ja schön blöd. Geht doch um Spaß. Ich denke nicht, dass es für eine Band wichtig ist, ein Musikvideo zu haben. In erster Linie geht es ja um Musik. Es gibt viele schlechte Bands mit guten Videos, aber auch gute Bands mit schlechten Videos. Da ist mir letztere Variante lieber. Ein Musikvideo ist eine nette Nebensache, mehr nicht.
Eure Texte sind oft genaue Beobachtungen von alltäglichen Dingen. Allen voran „Berg mit Kreuz und Grab“. Wie kommt man darauf?
Klar, Tattoos sind ein Thema, über das sich bestimmt jeder schon mal unterhalten hat. Ob man dafür ist oder dagegen, ob man es schön findet oder nicht, egal. Auf einmal sieht man Typen mit Tattoo am Hals bei Aldi an der Kasse sitzen, früher völlig unmöglich. Schau dir die Fußballprofis an, da hat jeder eine Tätowierung. Und bei der Menge an Tattoos gibt es natürlich auch alle Arten von Motiven. Ist doch völlig egal, ob man das nachvollziehen kann oder nicht. Soll jeder machen, wie er denkt. Ist nichts anderes als eine Frisur oder ein Klamottenstyle. Manchmal geht es aber auch darum, der Coolste sein zu wollen. Nur, wie schafft man das, bei der Menge an tätowierten Menschen? Da kommen wir dann ins Spiel. Da, wo wir überall tätowiert sind, ist bestimmt keiner tätowiert. Natürlich in Hautfarbe! Ist doch klar.
Düsseldorfer Bands haben ja oft den Ruf, elitäre Kunstscheiße zu machen respektive machen zu wollen. Grätscht ihr mit diesem Bandnamen nicht voll da rein?
Wer uns sieht respektive hört und kennt, weiß, dass wir damit nichts zu tun haben. Düsseldorf ist meiner Meinung nach aber sehr facettenreich, was Musik angeht. Das beginnt bei einfachem Punkrock, geht über Rock’n’Roll, Crossover, Rap, HipHop, Electro bis hin zu Drum&Bass. Und da kommen echt gute Sachen bei raus. Eine Großstadt ist das Dorf an der Düssel nicht gerade und so kennt und schätzt man sich gegenseitig. Die Düsseldorf Musiker machen eigentlich gemeinsame Sache, zum Beispiel vor ein paar Jahren beim Sampler zur „Aktion Rheinland“, einer Gruppe von Widerstandskämpfern in Düsseldorf, die kurz vor Kriegsende noch von den Nazis hingerichtet wurden. Was da für Bands zusammengekommen sind, ist echt stark. Konkurrenz unter Bands habe ich in Düsseldorf nie kennen gelernt. Klar, haben wir Spaß daran, mit dem Bandnamen zu spielen. Der lässt so viel Interpretationsspielraum zu. Die Studenten von der Kunstakademie gingen damals in den Ratinger Hof und da gab es wiederum Punk und so weiter. Liegt für uns irgendwie auf der Hand.
Wie geht es weiter?
Wir sind ja Künstler, und Künstler schreiben fleißig Songs. Konzerte in Hamburg, Osnabrück, Berlin folgen. Lass uns bekloppte Sachen machen. Wir werden sehen und sind zu allen Schandtaten bereit.
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