John Baizley ist Sänger und Gitarrist von BARONESS, die 2003 in Savannah, Georgia gegründet wurden und deren Stil gemeinhin der Einfachheit halber als „Sludge Metal“ bezeichnet wird. Im Ox wurde ihre Musik als „hart und anspruchsvoll“ beschrieben, „intelligent metal“ wurde in diesem Kontext auch schon verwendet, und NEUROSIS, ISIS und MASTODON mussten als Vergleich herhalten. Klassischer Punkrock oder Hardcore ist das also nicht, aber von der Denke her auch nicht weit davon entfernt. Sie veröffentlichten ihre bisher zwei Alben („Red Record“, 2007, und „Blue Record“, 2009) auf Relapse, doch Musik alleine lastet John nicht aus, denn seit einigen Jahren schon gestaltet der als Maler auch die Alben, Poster und T-Shirts nicht nur der eigenen Band, sondern auch von KYLESA, KVELERTAK, DARKEST HOUR, TORCHE, CURSED, BLASK TUSK, PIG DESTOYER oder VITAMIN X. Seine Bilder haben einen ganz eigenen, klar identifizierbaren Stil und faszinieren einfach. Da über seine Musik schon oft genug geredet wurde, sprach ich mit John explizit über seine Malerei.
John, welche Funktion hat das Coverartwork beim Album einer Band?
Das Artwork erfüllt mehrere Aufgaben: Vom Aussehen des Artworks hängt der erste Eindruck vom Album ab. Wenn eine Platte sehr schick und glatt aussieht, erwarte ich auch die entsprechende Musik, und wenn das Ganze etwas mehr Seele hat, erwarte ich das auch von der Musik. Ein Album-Artwork zu gestalten ist für mich deshalb immer eine aufregende und anstrengende Aufgabe, denn das Artwork ist ja das Erste, was man von einer Platte wahrnimmt. Deshalb muss man sich mit der Musik vertraut machen und versuchen, das, was andere in langwieriger, monatelanger Arbeit geschaffen haben, mit einem einzigen Bild zu repräsentieren. Außerdem ist das Artwork ein wichtiger Baustein, um den Eindruck der Musik abzurunden, das Artwork ist komplementär. Es kann dazu dienen, das Album zu verstehen. Ich leide immer Schmerzen bei der Gestaltung von solchem Artwork, denn ich will sicherstellen, dass mein Bild eine Bedeutung hat, dass es einen Teil der Geschichte der Platte erzählt und nicht einfach nur ein Bild ist. Und diese Rolle muss es sowohl für einen Fan der Band als auch für die Band selbst erfüllen.
Ich habe gerade das Album von KVELERTAK vor mir. Was für Ideen, was für Gedanken hattest du da?
Die Band hatte da schon eine recht konkrete Vorstellung davon, was sie gerne auf dem Cover sehen will. So eine konkrete Vorstellung ist für mich allerdings nicht immer hilfreich. Sie sagten mir, sie wollen einen Aspekt aus jedem Song des Albums im Artwork sehen. Nun sind es aber eine Menge Texte, und da aus jedem etwas herauszunehmen, um es irgendwo im Artwork von Front- und Backcover sowie dem Booklet auftauchen zu lassen, ist ganz schön schwierig. Der Aufwand für ein normales Coverartwork ist schon gewaltig, doch dazu noch weitere Illustrationen anzufertigen, ist beinahe unmöglich, und so musste ich der Band erklären, dass es wohl das Beste wäre, zu versuchen, verschiedene Aspekte aus den Texten im Frontcover-Artwork auftauchen zu lassen. KVELERTAK hatten darüber hinaus noch meine Arbeiten für Gatefold-Cover von Vinylalben im Sinn, und so entstand das Artwork auch für diesen Zweck – die CD kann das nur sehr begrenzt wiedergeben. Ich bin eben ein großer Fan von Roger Dean, der viele dieser Klappcover für YES gestaltet hat. Nachdem ich letztlich also mit KVELERTAK übereingekommen war, was möglich ist, war meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Cover nicht wie eine zufällige Zusammenstellung von Motiven aussieht, wie eine Collage. Die meisten meiner Covermotive sind ja eher fantastischer Natur, es sind Bilder aus meinem Kopf ohne Bezug zur Realität, und jetzt musste ich mich also mit diesen Texten auseinandersetzen, die zu allem Überfluss auch noch auf Norwegisch waren. Also bat ich ihren Sänger, mir zu jedem Song seine liebste Textzeile in englischer Übersetzung zu liefern, und dazu kam noch, dass die Band schon vorher beschlossen hatte, die Eule als ihr, nun, Totemtier zu verwenden. Das machte die Sache noch etwas schwieriger, denn ich bevorzuge es, menschliche Gestalten zu malen. Und so bestand meine Aufgabe darin, zu ins Englische übersetzten Texten Bilder zu finden und dazu dann meine eigene Interpretation zu entwickeln, denn ich kann nicht auf Kommando malen, ich muss meinen eigenen Ansatz finden, als Antwort auf die Musik und die Texte. Das Ergebnis ist dann meine visuelle Interpretation des Albums.
Das klingt nach einer sehr schwierigen, komplexen und individuellen Vorgehensweise. Ist da Platz für Diskussionen mit den Auftraggebern?
Lass es mich so ausdrücken: Die paar Male, wo ich strenge, explizite Anweisungen für ein Artwork bekommen habe, war das Ergebnis ein Fehlschlag. Es ist für mich sehr schwer, ganz konkret für einen bestimmten Auftraggeber zu arbeiten. Ich arbeite vielmehr so, dass ich eine Vision von einem Bild habe, die sich dann ihren Weg sucht. Wenn ich mit einer Band arbeite, ist die Herangehensweise so: Ich bitte die Band, mir etwas über ihr Album zu erzählen, und bitte sie dann um ihr Vertrauen, dass mir dazu und zu ihrer Musik etwas einfällt. Ich binde sie natürlich in den Schaffensprozess ein, ich konfrontiere sie nicht einfach mit dem fertigen Albumcover, nach dem Motto „take it or leave it“. Ich mache eine Skizze, zeige sie der Band, erkläre die Bilder, die Metaphorik und die Motivzusammenstellung, und zu Beginn kann man dann immer auch noch mal einen Schritt zurückgehen, aber es gibt immer einen Punkt, an dem alles fix und unumkehrbar ist.
Nun gibt es in der Metal- und Metalcore-Szene auch Leute, deren Artwork man als Band für seine Cover und T-Shirts quasi von der Stange kaufen kann, mit der Folge, dass man kaum noch anhand des Artworks erkennen kann, um welche Band es sich eigentlich handelt. Deine Arbeitsweise unterscheidet sich fundamental.
In der Tat. Solche Leute sind Designer oder Handwerker, aber keine Künstler, für die ist das reines Geschäft. Ich sehe mich nicht als Designer, und ich arbeite immer noch an der handwerklichen Seite meines Tuns. Mein Ansatz ist der eines Künstler. Kunst und Musik hat immer auch etwas Poetisches, und meine Absicht ist es, mit meiner Kunst der Kreativität Respekt zu erweisen, die in einem Album steckt, für das ich das Artwork schaffe. Ich habe noch nie einer Band ein Bild verkauft, das ich bereits daliegen hatte. Jedes einzelne Albumcover, jedes Merchandise-Motiv, entstand exakt für den Zweck, für den es in Auftrag gegeben wurde. Nur so kann ich arbeiten, nur so kann ich Spaß an der Arbeit haben, was für mich beinhaltet, im Artwork kleine Anspielungen zu verstecken, von denen nur ich weiß.
Wie kamst du zu deiner Kunst, was hat dich inspiriert?
In den Achtzigern und den frühen Neunzigern war das Gestalten von Plattencovern noch etwas, das nicht jeder mit einem Computer bewältigen konnte. Es brauchte viel Zeit, ein Cover zu gestalten, und wenn es nur darin bestand, Buchstaben auszuschneiden und aufzukleben – es war auf jeden Fall mehr Arbeit, als heute in Photoshop etwas zu bauen. Was nicht heißt, dass man mit Photoshop nicht auch gute Arbeit leisten kann, nur ist mir wichtig, meine Bildern von Hand und nicht am Computer zu kolorieren.
Wie arbeitest du – ganz konventionell mit Pinsel auf Leinwand?
Ich habe eine komplexe Technik, doch alles, was du siehst, ist auf konventionellem Wege entstanden, nicht am Computer. Ich bin mit Farbstiften, Tusche, Wasser- beziehungsweise Aquarell- und Acrylfarben aufgewachsen, und die meisten Albumcover entstehen mit schwarzer Tusche und Aquarellfarben.
Und wie groß sind die Originale? In LP-Größe?
Etwas größer als das Endformat: Ein LP-Cover hat 12 Zoll, und meine Bilder sind zwischen 14 und 20 Zoll groß. Man muss dabei im Hinterkopf haben, dass das Bild zur Verwendung als LP-Cover verkleinert wird, es wird komprimiert, und oft habe ich ich den Eindruck, dass es dadurch besser aussieht. Ich würde ja auch eigentlich größere Formate malen, doch wenn du das dann auf CD-Größe verkleinerst, geht zu viel verloren. Da habe ich es lieber, wenn mein Artwork auch auf CD-Format noch halbwegs intakt bleibt.
Was ist mit den Originalen? Besitzt du sie alle noch oder verkaufst du die?
Gelegentlich verkaufe ich mal ein Bild, etwa letztes Jahr bei einer Ausstellung, als ich ein paar Originale verkaufte, darunter auch sehr bekannte Motive. Aber die meisten Bilder behalte ich – vorerst. Gut möglich, dass ich sie eines Tages verkaufen werde, aber derzeit sind die noch wie Kinder für mich, ich kann mich nicht von ihnen trennen. Ich habe sie in Schubladen aufeinandergestapelt in meinem Studio gelagert.
Was müsste man für so ein Bild ausgeben, beispielsweise das Original des KVELERTAK-Covers?
Es ist schwer für mich, meine Arbeit mit einem Preis zu belegen, ich kann dazu keine direkte Antwort geben. Nein, das kann und will ich dir nicht beantworten. Aber lass es mich so ausdrücken: In jedem Coverartwork stecken hunderte Stunden Arbeit, und wenn ich daran arbeite, dann Tag und Nacht, ununterbrochen, bis es fertig ist. Ich arbeite nur unter Stress richtig gut, ich brauche einfach meine Zeit, um so ein Bild zu schaffen – es gibt von mir keine Fließbandarbeit, ich kann nicht einfach Bild um Bild rausschießen. Und deshalb wächst mir jedes Bild so sehr ans Herz, bin ich hinterher mit jedem Pinselstrich vertraut, mit jedem Quadratzentimeter Papier. Und entsprechend leide ich bei dem Gedanken, so ein Bild zu verkaufen. Müsste ich für so ein Bild einen Preis festlegen, wäre der hoch, und die Bilder, die verkauft wurden, waren teuer. Aber ich mache ja immer auch Poster von meinen Gemälden, also Reproduktionen in guter Qualität, die sich jeder leisten kann. Wer also meine Artworks besitzen will, kann zu einem Siebdruck oder einer Lithografie greifen. Insgesamt muss ich aber sagen, dass ich meine Bilder nicht male, um damit Geld zu verdienen. Aber ich muss eben auch von was leben, denn meine Bilder sind neben meiner Musik das Einzige, was ich mache. Als ich so ab 2000 anfing damit, arbeitete ich für die ersten Bands umsonst, und durch Mund-zu-Mund-Propaganda breitete sich das dann immer weiter aus und die Bands, für die ich arbeitete, werden seitdem immer ein bisschen größer.
Wie bringt man dich dazu, für seine Band zu arbeiten?
Damit ich mich überhaupt mit dem Gedanken beschäftige, will ich auf keinen Fall, dass mich der Manager einer Band anruft. Ich muss an das glauben, was ich da mache, und ich habe auch schon sehr große Angebote abgelehnt, einfach weil ich wusste, dass ich da nicht mit ganzem Herzen bei der Sache wäre, dass mir die Musik der Band nicht zusagt. Meine Musik und meine Bilder, das ist das, was mir im Leben wichtig ist, das ist meine Leidenschaft, das kann ich nicht für etwas Profit verkaufen. Wenn ich eine Band nicht mag, wenn ich sie nicht leiden kann, wenn es nicht meine Freunde sind, wenn ich ihr nicht vertraue, dann arbeite ich nicht für sie.
Was bedeutet das konkret? Wenn eine Band aus Deutschland dich und deine Bilder kennt, BARONESS mag, auch noch gute Musik spielt, könnte sie sich dich dann doch als Cover-Artist leisten oder ist das jenseits ihrer finanziellen Möglichkeiten?
Das kann ich nicht pauschal beantworten, das hängt von den Umständen ab. Wenn es eine kleine Band ohne Label und Manager ist, die mir aber gefällt, dann besteht durchaus die Chance, dass ich für sie arbeite. Ich will für jede Band erreichbar sein, und in letzter Zeit habe ich mehrere solcher Projekte gehabt. Wenn eine Band Musik aus Leidenschaft macht, kein Geld damit verdient, die Musiker da ihr eigenes Geld reinstecken, das sie in ihrem normalen Job verdienen, dann haben sie ein Verständnis vom Wert der Dinge, dann orientiere ich meinen Preis daran. Ich weiß ja genau, wie das ist, so war das bei BARONESS über viele Jahre. Und so gibt es eben Bands, die eine unglaubliche Summe für ein T-Shirt-Design auf den Tisch zu legen bereit sind, während andere nicht mal ein Zehntel davon für ein Albumcover ausgeben können. Ich verstehe das, und ich respektiere das. Wenn mir also wirklich gefällt, was deine Band macht, dann kommen wir irgendwie zusammen – falls man mich erreicht, denn meine Telefonnummer und meine Mail-Adresse sind schwer zu bekommen, und über MySpace erreicht man mich auch nicht mehr, das ist mir einfach zu lästig und zu beschwerlich geworden. Und eine Website habe ich auch nicht. Aber ich bin ja oft in Europa mit meiner Band, da sollte es gelingen, mich persönlich anzusprechen.
Was muss eine Band für Anforderungen erfüllen, um dir zu gefallen?
Ich interessiere mich für Bands von überall her, aus allen Genres und Stilen, die progressiv und kreativ sind, die Musik machen, die mich bewegt und inspiriert.
Du hast vorhin erzählt, dass du deine Bilder in einem Format größer als ein LP-Cover anlegst. Nun erlaubt das LP-Format noch, deine Bilder mit allen Details wahrzunehmen. Wie stehst du zu digitalen Releases, wo man ein Plattencover nur noch in Briefmarkengröße zu sehen bekommt, wie beeinflusst diese Art der Veröffentlichung die Bedeutung des Artworks eines Albums?
Downloads und Digitalveröffentlichungen haben die Musikbranche wirklich schwer getroffen, in vielerlei Hinsicht. Ich kann gegen diese Entwicklungen nicht ankämpfen, das ist kontraproduktiv für mich. Ich muss stattdessen verstehen, wie die Technik funktioniert, und wer heute jung ist, geht anders mit Musik um, als ich das gewohnt bin – das wird in der Regel digital und online sein. Ich kann nicht sagen, dass ich das begrüße, denn das bedeutet, dass meine Kunst in extrem reduzierter Form wahrgenommen wird, aber ich habe Hoffnung und weiß, dass es ein künstlerisch interessiertes Publikum gibt, das schätzt, wenn es etwas in seinen Händen halten kann. Wir Künstler, die wir eng mit dem Musikgeschäft verbunden sind, müssen einen Weg finden, uns den Gegebenheiten anzupassen. Und meine Art der Anpassung besteht darin, das zu tun, was ich immer getan habe, und zu hoffen, dass das, was ich schaffe, so interessant oder begeisternd ist, dass jemand tatsächlich eine LP oder CD kauft und nicht nur downloadet. Aber ich bin kein Idiot, ich kenne die Realität, und die Leute werden weiterhin mp3s kaufen oder stehlen.
Da du nicht nur Maler und Künstler bist, sondern auch erfolgreicher Musiker, hast du da Erfahrungen aus erster Hand vorzuweisen?
Ja, und ich weiß deshalb, wie wichtig richtig gutes Artwork für eine regelmäßig tourende Band ist: Wir überleben durch den Verkauf von Merchandise. Niemand kommt zu einem Konzert, um mp3s zu kaufen, die Leute wollen T-Shirts, LPs und CDs. Und die werden heute verstärkt da gekauft, wo die Band ist, in Clubs, Bars und auf Festivals, nicht mehr nur in Plattenläden. Ich bedaure das, aber was können wir schon tun, um das zu ändern? Wir zeigen nur, wie alt wir schon sind, indem wir die neuen Technologien und Kommunikationsformen nicht willkommen heißen und nicht verstehen – und wir schränken uns auch ein.
Apropos Alter: Wie alt bist du?
Ich bin 31, und ich denke, du und ich, wir gehören beide zu einer Generation, die Musik nicht auf digitalem Wege entdeckt hat. Das bedingt eine andere Wahrnehmung von Musik, wobei ich die nicht als der anderen überlegen bezeichnen möchte. Aber wir kommen aus einer Generation, die Platten kaufte, oft bei Mailordern, die Mix-Tapes aufnahm und sie mit Freunden tauschte, die 7“s kannte und Fanzines, und so weiter. So entdeckten wir neue Musik, und dieser Hintergrund hat zur Folge, dass meine Wertschätzung von Musik und Kunst eine eher traditionelle ist. Und ich versuche, diesen Ethos auf mein künstlerisches Schaffen anzuwenden. Wenn ich weiß, dass meine Kunst sich auf 200 LP-Covern wieder findet, bin ich glücklich. Dass das Artwork auch ohne jegliche Details als Miniatur im Internet kursiert, ist mir egal, das ist eben so.
Gibt es bestimmte Platten-Artworks, die dich beeinflusst haben, die dir aus deiner Jugend in den frühen Neunzigern besonders in Erinnerung geblieben sind?
Das sind die einflussreichen Alben jener Jahre, die alle herausragendes Coverartwork aufweisen, etwa „Goo“ von SONIC YOUTH mit dem Raymond Pettibon-Cover, die FUGAZI-Platte mit dem Glen E. Friedman-Foto, alle Cover von Pushead, aber auch die Cover von PINK FLOYD und Jimi Hendrix, alle Cover von Roger Dean und viele andere. JESUS LIZARDs „Liar“ – ein schönes Gemälde, auch wenn ich vergessen habe, von wem das ist ist, die Cover von DINOSAUR JR und MELVINS, die Arbeiten von Frank Kozik, ach, es gibt so viele großartige, interessante Plattencover.
Und heute?
Damals gab es so viele interessante Sachen, da war kaum mal was Langweiliges dabei, doch heute ist es so einfach geworden, den Stil eines anderen Künstlers zu kopieren, so dass viele Album-Artworks mich einfach anöden in ihrer Gleichförmigkeit. Was vor zehn Jahren als provokant und verstörend empfunden wurde, ist heute gewöhnlich. Ich finde das schade, aber es hat mich dazu gebracht, mich selbst noch stärker zu fordern. So gesehen hat diese Entwicklung also auch ihre guten Seiten.
Und welche Künstler schätzt du?
Das sind Leute, deren Albumcover mich einfach wegblasen, etwa Jake Bannon oder Aaron Horkey – das sind Freunde und ich weiß, was sie in ihre Bilder reinpacken, dass sie ehrlich sind. Es gibt insgesamt eine kontinuierlich wachsende Anzahl von Künstlern, die so arbeiten, und das finde ich großartig. Dieses Gefühl, diese Art zu arbeiten, war in den Neunzigern verloren gegangen, als jeder sich Designer nannte und irgendwas machte. Aber etwas zu machen, das jeder andere auch kann, ist doch sinnlos.
Was für eine formale Ausbildung hast du – oder bist du Autodidakt?
Ich habe immer wieder mal Unterricht gehabt, aber dieses Feuer, selbst gestalterisch tätig sein zu wollen, das musst du haben, bevor dir jemand zeigt, wie man ein Bild gestaltet. Meine Eltern haben mich glücklicherweise immer in meinen Ambitionen unterstützt und dafür gesorgt, dass ich als Teenager Kunstunterricht nehmen konnte, und später war ich drei Jahre auf der Rhode Island School of Design. Das war ein Ort, wo alle inspiriert und leidenschaftlich waren in Bezug auf ihre Kunst, und da habe ich verschiedene formale Sachen gelernt. Das hat mir in verschiedener Hinsicht die Augen geöffnet und mich handwerklich weitergebracht. Als Künstler klettert man mit jedem Werk einen steilen Berg hinauf, nur am anschließend auf einem großen Plateau zu stehen und sich nach dem nächsten Berg umzuschauen. Ich brauche immer wieder eine neue Herausforderung, etwas, das mich antreibt, ich will Neues entdecken. Die Kunstschule hat mir damals wirklich geholfen in der Hinsicht, aber heute ertrage ich es nicht mehr, von Künstlern und Kunstlehrern umgeben zu sein, also muss ich mich selbst pushen.
Deine aktuellen Bilder zeichnen florale, botanische Elemente aus, die mit eher düsteren Motiven verbunden werden. Hast du damit deinen Stil gefunden, oder ist das nur eine Phase?
Es ist schwer zu sagen, was sein wird, denn ich glaube sehr an Veränderung. Aber ich habe in den letzten Jahren versucht, mich in einer visuellen Sprache auszudrücken, deren Bildelemente zeitlos sind. Ich vermeide es also, meine Bilder zeitlich zu verorten – einen iPod wirst du also auf keinem meiner Bilder entdecken. Jedes Albumcover ist ein neues Universum, eine neue Szene, ein neuer Tag, eine neue Situation. Meine Bilder sind eher fantastisch, da passieren organische Dinge, und ich versuche immer, mich nicht zu wiederholen. Wenn ich eines Tages das Gefühl habe, das sei der Fall, werde ich mir was Neues suchen, aber ich habe keine Ahnung, was das sein wird. Das ist alles eine Frage der Inspiration, hängt davon ab, was mich antreibt. Meine Bilder sind Ausdruck von Dingen, die mich geprägt haben, die mir wichtig sind in meinem realen Leben. Die Bilder, die du in meinen Albumcovern siehst, diese Dinge und Menschen, haben alle eine Entsprechung in meinem wirklichen Leben, mit denen bin ich vertraut.
Wie arbeitest du, wo arbeitest du?
Hahaha, das ist eine Frage, die dir Leute beantworten sollten, die mich privat kennen. Ich bekomme immer wieder zu hören, ich sein ein komplett Verrückter und ein „Messie“. Für mich ist mein Studio so kontrolliert und organisiert, wie ich das hinbekommen kann. Mein Studio ist klein, hat gutes Licht, und vor allem habe ich da keine Ablenkung von außen, was mir sehr wichtig ist. Ich arbeite nicht gut, wenn andere Menschen um mich sind, ich muss mich absolut auf meine Arbeit konzentrieren können, muss mich von der Außenwelt isolieren. Das ist schon beinahe bedenklich, ich weiß, vor allem seit dem letzten Jahr, als ich Vater einer Tochter wurde. Ich brauche da also immer wieder mal jemanden, der mich in die Realität zurückholt. Ein essentieller Teil meiner Kunst ist aber, dass ich sie nur hinbekomme, wenn ich mich ganz in die Arbeit daran versenken kann – und dann geht alles ganz von alleine. Meine wichtigste Arbeitsumgebung ist also mentaler Natur. Das Studio ist vor allem mein Kopf.
Woran arbeitest du derzeit?
An gar nichts, denn ich bin mit BARONESS auf Tour, und ich trenne strikt zwischen meiner musikalischen und meiner künstlerischen Existenz. Die können sich bisweilen sehr stark entgegenstehen, und ich versuche, sie nicht miteinander in Konflikt geraten zu lassen. Ich stehe gerade in einer großen Halle in Tulsa, Oklahoma, und an meine Kunst denke ich hier überhaupt nicht. Aber wenn ich wieder zu Hause bin, nehme ich mir einen Tag frei, und dann wird der Workaholic in mir wieder die Oberhand gewinnen – bis zur nächsten Tour.
John, vielen Dank für deine Zeit.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #93 Dezember 2010/Januar 2011 und Joachim Hiller