Lang ist’s her, dass die TOXIC REASONS aus Indianapolis bei uns zuletzt unterwegs waren, und zwischenzeitlich schien es so, als hätten sie sich endgültig aufgelöst. In letzter Zeit gab es jedoch vereinzelt wieder Konzerte, allerdings nur in den USA. Um so schöner, dass ich vor einigen Monaten durch Zufall entdeckte, dass ihr Drummer J.J. Pearson ein Solo-Projekt am Start hat und damit auch im September auf Europatour kam. Dabei machte er auch im Tübinger Epple-Haus Halt, wo er neben seinen Solo-Songs auch alte TOXIC REASONS-Kracher wie „Mercenary“ und „Up ahead and around the corner“ spielte. Nach der Show konnte ich den Herrn dann noch kennen lernen und feststellen, dass das ein supernetter Typ ist, der auch schon an zwei neuen Alben arbeitet: einer Live-CD mit dem Titel „Show Us You’re Nuts“ und seiner nächsten Studio-CD „Before, Then & Now“.
Wie kann man in Deutschland eigentlich an deine Solo-CD „Only One Reason“ kommen?
Ich arbeite gerade mit jemandem an einem Vertrieb in Deutschland. Momentan könnt ihr die CD nur direkt bei mir über meine MySpace-Seite bestellen.
Was passiert bei den TOXIC REASONS im Moment? Ich habe gesehen, dass es eine MySpace-Seite gibt und dass ihr 2007 ein paar Konzerte gespielt habt. Wird es eine neue Platte und eine Tour geben?
Also für mich muss ich sagen, dass ich einfach keinen Spaß mehr daran habe, Schlagzeug zu spielen. Ich kann nicht mehr mit der Kraft und Ausdauer spielen, die dafür nötig wäre. Die meisten Shows, die wir in jüngerer Vergangenheit gespielt haben, waren ziemlich schlecht, so dass ich mich entschieden habe, dass es an der Zeit ist, das lieber zu lassen. Ich vermisse aber die letzte TOXIC REASONS-Besetzung als Trio mit Bruce, Tufty und mir. Und wenn ich jemals wieder ernsthaft darüber nachdenken sollte, mit den TOXIC REASONS zu spielen, dann müsste es mit Bruce und Tufty sein. So oder gar nicht.
Also hast du noch Kontakt zu den ehemaligen TOXIC REASONS-Mitgliedern wie Tufty, der von 1982 bis 1995 Bass spielte. Was machen die anderen mittlerweile?
Wir, die TOXIC REASONS, sind eine etwas zerrüttete Familie, aber nichtsdestotrotz eine Familie, so dass es mich immer interessieren wird, was bei Tufty, Bruce, Ed, Rob, Fefo, Greg und Joel gerade passiert. Aber der Kontakt ist nicht mehr so eng. Tufty hat seinen Klamottenladen Future Shock und seine Bar Radio Radio, und ich glaube, dass beides ziemlich gut läuft. Hin und wieder spielt er mit den ZERO BOYS Konzerte und hat sicherlich seinen Spaß. Letzten Freitag war ich als Trauzeuge bei der Hochzeit von Bruce. Bruce und ich stehen uns sehr nahe. Er hat mir dabei geholfen, trocken zu werden. Er kam jeden Tag bei mir vorbei und stellte sicher, dass ich nicht betrunken in meinem eigenen Sabber lag. Er hat mir sehr geholfen, als es mir richtig mies ging. I’ll stick with Brucey till I die!
Selbst bei eBay ist es schwierig geworden, TOXIC REASONS-CDs und -LPs wie zum Beispiel „Bullets For You“ oder „Killed By Remote Control“ zu bekommen. Wollt ihr diese Alben neu veröffentlichen?
Mike von Beer City Records hat unser erstes Album „Independence“ zusammen mit altem Live-Material wieder veröffentlicht. Ich persönlich würde sehr gerne „Killed By Remote Control“ neu herausbringen. Ich bin da Vorschlägen gegenüber aufgeschlossen. Die Platte ist für mich die Beste von den alten LPs. Vielleicht bringe ich die Scheibe auch einfach selbst neu heraus!
Was denkst du über Punkrock im Jahr 2008? Was ist anders geworden, seit du 1981 bei den TOXIC REASONS eingestiegen bist?
Na ja, ich bin viel fetter und älter geworden, haha. Nein, im Ernst: ich glaube, dass es für junge Bands heutzutage schwieriger geworden ist, ihr Glück zu versuchen und in den USA, in Kanada oder Europa zu touren. Es ist einfacher, deine Musik auf MySpace, YouTube, iTunes und was es da noch so alles gibt im Internet herauszubringen. Aber es gehen immer weniger Leute in die Clubs, um die Bands live zu sehen. Früher gab es Leute, die uns nachgereist sind, um alle Konzerte unserer Tour zu sehen! Man findet nicht mehr so viele, denen Live-Musik wichtig ist. Es ist als Band schwierig, Gigs zu buchen, und noch schwieriger, überhaupt genug Geld zu bekommen, um den Sprit zu bezahlen. Ich glaube, dass es da draußen unzählige tolle Bands gibt, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sie in dem Umfang touren können, wie das die Bands früher gemacht haben.
Was hast du seit der letzten TOXIC REASONS-Tour 1995 gemacht? Hast du eine Pause eingelegt oder warst du die ganze Zeit über weiter musikalisch aktiv?
Nach der Tour 1995 habe ich versucht, mein Solo-Projekt zu starten, aber der Schlagzeuger hat dann aufgehört und die anderen Musiker drängten mich, wieder Schlagzeug zu spielen. Also wurde aus dem Solo-Projekt erst mal die kleine Band NO MAN’S RUIN. Wir nahmen ein paar gute Songs auf, schafften es aber nicht, etwas daraus zu machen. Wir spielten ein paar lokale Gigs und das war’s dann auch. Ich nahm dann einen Haufen Songs auf und spielte alle Parts selbst ein. Schlagzeug, Gitarre, Bass – und dann saß ich auf diesen Songs herum, bis jetzt. Aber ich habe längere Zeit tatsächlich musikalisch nicht viel gemacht. Ich freue mich, wieder dabei zu sein, aber ich gebe mich da wirklich keinem Größenwahn hin. Ich habe einfach Spaß daran, meine Songs zu spielen und ein paar meiner Lieblingssongs zu covern. Ich habe die Möglichkeit, ein paar kleinere Touren zu machen und werde das so lange tun, bis es keinen Spaß mehr macht.
Die DESCENDENTS sangen in einem ihrer Songs: „Punkrock won’t pay the bills“. Wie zahlst du deine Rechnungen? Hast du einen Job?
Ich habe ein kleines Café in der Eingangshalle eines Bürogebäudes. Ich verdiene damit nicht viel Geld, aber ich kann meine Rechnungen bezahlen und habe ein bisschen davon übrig, womit ich meine Musikleidenschaft finanziere. Letzten Endes zahle ich also, um zu spielen. Andere alte Säcke spielen Golf oder gehen angeln, ich spiele eben Punkrock.
Erzähl uns doch mal ein bisschen über deinen Wohnort Indianapolis. Sollte man die Stadt gesehen haben? Gibt es da momentan noch andere gute Bands, die man sich anhören sollte?
Ich war immer davon ausgegangen, dass ich nur vorübergehend in Indianapolis bleiben würde. Ich hätte nicht gedacht, dass es dann doch so lang werden würde. Ich lebe jetzt seit 20 Jahren hier und habe nicht vor, die Stadt zu verlassen. Vor ein paar Jahren, während meiner Scheidung, starb erst mein Hund, dann brannte mein Haus und ich verlor meinen Job und schließlich auch das Haus durch eine Zwangsversteigerung. Ich dachte dann, ich wäre vielleicht reif, wieder nach Vancouver zu ziehen. Auf Drängen meiner Freunde und meiner Familie ging ich aber in eine Klinik, um vom Alkohol los zu kommen. Ich entschied mich, in Indianapolis zu bleiben. Ich habe wie gesagt mein eigenes Geschäft gegründet, bin wieder mit meiner Frau zusammen und fühle mich heute gut. Ich gehe nicht mehr so oft zu Konzerten, außer zur „Punk Rock Night“ in einem Club, der The Melody Inn heißt. Ich bin also nicht mehr so auf dem Laufenden, was die aufstrebenden Bands hier in Indianapolis angeht. Aber wenn du mir jetzt die Pistole auf die Brust setzen und fragen würdest „Sag mir, welche Bands du magst?“, dann würde ich sagen: STEALING VOLUME, UP SCUMBAG und die PEGGY SUES.
Du bist viel auf Tour gewesen, seit du 16 warst. Welche positiven und negativen Erfahrungen hast du dabei gemacht?
Ich schätze mich glücklich, das gemacht zu haben. Als kleiner Junge geriet ich an einen Haufen netter Typen, die mich mit auf Tour nahmen. Ich lernte dabei, die Großzügigkeit anderer zu schätzen, und ich denke, das hat mich selbst auch zu einem großzügigeren Menschen gemacht. Ich würde nicht wirklich etwas rückgängig machen wollen, was ich getan habe. Aber ich würde vielleicht bei den acht mittelmäßigen Alben, die wir mit den TOXIC REASONS im Schnellverfahren gemacht haben, die schlechte Aufnahmequalität verbessern und die Songs rausschmeißen, die wir nur als Lückenfüller geschrieben haben. Daraus würde ich drei richtig gute Alben zusammenstellen und dann würden wir vielleicht die Anerkennung bekommen, die wir meiner Meinung nach verdienen.
Was ist der Unterschied zwischen den Touren in den USA und Deutschland heutzutage?
Da hat sich im Vergleich zu früher nichts verändert. Deutschland hat eine viel ausgeprägtere Live-Musik-Kultur als die USA oder andere Länder. Ihr behandelt die Bands, die zu euch kommen, wirklich sehr gut. Ich habe meine Solo-Tour gebucht ohne irgendwelche Forderungen, außer einem Platz zum Spielen – das war alles. Aber überall, wo wir gespielt haben, gab es für uns Essen, einen Schlafplatz und alle möglichen Getränke. Und dann haben sie mir sogar noch Geld gegeben. Meistens, wenn nicht sogar jedes Mal, war das mehr Geld, als sie an Eintritt eingenommen haben. Ich liebe dieses Land wirklich!
Und wie war die Resonanz auf deiner Solo-Tour in Holland, Deutschland, England und Schottland im September? Wo hattet ihr die besten Konzerte?
Die Tour lief absolut großartig! Ich hatte vorher eigentlich keine großen Erwartungen. Ich wäre schon zufrieden gewesen, wenn ein paar Freunde aus alten Tagen sich gezeigt hätten, was sie auch getan haben – aber es kamen auch jede Menge Leute, die absolut keine Ahnung hatten, wer ich bin. Der erste Gig war in Amsterdam und absolut cool – das war in einem kleinen Bluesclub – großartige Leute! Aber letzten Endes waren alle Shows großartig und die Leute waren sehr nett zu uns. Ich meine, ich bin der Schlagzeuger einer Band, die Mitte der 80er bis Anfang der 90er einigermaßen bekannt war. Ich habe da wirklich nicht viel erwartet ...
Wie fühlst du dich nach dieser langen Zeit im „Punkrock-Business“? Irgendwelche körperlichen Gebrechen? Oder fühlst du dich durch Punkrock immer noch wie ein junger Gott?
Mein einziges Gebrechen ist wohl, dass ich nicht all das Essen, das ich zu mir nehme, verbrennen kann! Und wie ich vorher bereits gesagt habe, kann ich nicht mehr so Schlagzeug spielen wie früher. Versuch mal, Punkrock-Schlagzeug zu spielen – das kann ein verdammt harter Job sein. But I could play guitar and sing all fucking night long, baby! Ich denke noch lange nicht ans Aufhören.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #81 Dezember 2008/Januar 2009 und Hannes Baral
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #81 Dezember 2008/Januar 2009 und Hannes Baral