Jason Bittner (OVERKILL, ANTHRAX, SHADOWS FALL, STIGMATA)

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My Little Drummer Boy Folge 52

Ausnahmedrummer Jason Bittner startete seine Karriere in der Eastcoast-Hardcore-Band STIGMATA, bevor er sich mit SHADOWS FALL endgültig dem Heavy Metal zuwandte, um seine Leidenschaft für Speed Metal und Doublebass ausleben zu können. Die unglaubliche Geschwindigkeit bei gleichzeitiger Präzision, zeichnet das Spiel von Jason Bittner auf all seinen circa zwei Dutzend Veröffentlichungen aus, so dass man im Bereich Metal früher oder später auf sein Werk stoßen muss. Wir trafen den sehr entspannten Jason vor dem Gig seiner Band OVERKILL beim Rockharz Open Air in Ballenstedt zum Drummerboy-Interview.

Jason, gibt es aus deiner Kindheit Geschichten, dass du schon frühzeitig auf den Töpfen deiner Eltern getrommelt hast?


Ja, absolut. Ich war bei uns in der Familie berüchtigt dafür, dass ich die Töpfe und Pfannen meiner Mutter aus dem Schrank geräumt habe, um mit Löffeln darauf zu trommeln. Meine Großmutter hatte sogar Fotos von mir, wie ich als Dreijähriger in ihrem Garten mit Ästen auf den Mülltonnen herumgetrommelt habe. Ich hatte mir jeden Ast, den ich mit meinen kleinen Händen halbwegs festhalten konnte, geschnappt, um damit zu trommeln. Ich weiß bis heute nicht, wo dieses Verlangen eigentlich herkam, denn ich komme wirklich nicht aus einer musikalischen Familie, aber irgendwie wollte ich immer schon trommeln.

Da gab es niemanden in der Familie, der dich an musikalische Früherziehung heranführen wollte?

Nein, wirklich nicht. Meine Schwester spielt zwar Klavier und singt, aber sie ist 19 Jahre jünger als ich, so dass ich schon der einzige Musiker in der Familie war, bevor sie geboren wurde. Meine Eltern haben bei mir zwar frühzeitig bemerkt, dass ich ein Instrument spielen wollte, aber ich habe ja damals selbst noch nicht gewusst, welches das sein sollte. Ich mochte es, auf Dingen herumzutrommeln, aber Gitarre fand ich genauso toll. Im Alter von sechs Jahren hatte ich ein Spielzeug-Schlagzeug und ebenfalls eine Spielzeug-Gitarre, so dass ich mich da nicht frühzeitig entscheiden musste. Ich spiele auch heute noch gern Gitarre in meiner Freizeit, aber am Schlagzeug war ich wohl talentierter.

Welche Art von Musik lief bei euch zu Hause, als du ein Kind warst?

Ich erinnere mich daran, wie ich 1976 von KISS begeistert war. Ich war gerade sechs Jahre alt und mein Vater hatte die „Destroyer“-LP gekauft, weil er das Cover cool fand. Als er die Platte dann hörte, fand er sie gar nicht mehr so toll und gab sie mir. Ich war total beeindruckt und es war natürlich klar, dass ich dann Bassist einer Rockband werden wollte. Meine Eltern hatten jedenfalls eine große Plattensammlung, so dass ich Zugang zu vielen verschiedenen Bands hatte. Meine Mutter stand auf Jimi Hendrix, CREAM, THE DOORS und solche Sachen, während mein Vater sich mehr für THE DOOBIE BROTHERS, THE ALLMAN BROTHERS und Southern Rock im Allgemeinen interessierte, so dass in den Siebzigern viel verschiedene Musik bei uns zu Hause lief.www.wreckingcrew.com

Wann hast du dein erstes richtiges Schlagzeug bekommen?

Das dauerte noch eine ganze Weile. Ich war wohl so zehn oder elf Jahre alt, als ich von meinen Eltern mein erstes Schlagzeug zu Weihnachten geschenkt bekam. Das war nur eine Bassdrum, ein Tom, eine Snare und ein Becken, genügte mir aber vollkommen, um anständig Lärm zu machen.

Hast du damals Unterricht genommen oder warst du Autodidakt?

Ich hatte Unterricht, als ich in der dritten Klasse war, und habe danach auf der Highschool immer weiter Schlagzeugunterricht gehab und dann später mit privaten Lehrern weitergearbeitet. Ich hatte schon an der Mittelschule das große Glück, dass ich einen Musiklehrer hatte, der zwar hauptsächlich Saxophon spielte und Bandarbeit unterrichtete, mir aber in seiner Freizeit sehr viel am Schlagzeug beibrachte. Am meisten habe ich allerdings gelernt, indem ich einfach Schallplatten aufgelegt und dazu gespielt habe.

Konntest du zu Hause üben oder warst du auf die Schule angewiesen?

Tatsächlich bin ich häufig eine Stunde vor Unterrichtsbeginn zur Schule gegangen, um im Musikraum üben zu können. Aber das war nicht immer einfach, denn wenn die Schule nicht geöffnet war, konnte ich natürlich nicht üben, so dass ich immer darauf angewiesen war, dass der Hausmeister oder der Musiklehrer mich früher reinließen. Nach der Schule bin ich dann nach Hause gegangen und habe auf meinem eigenen Set weiter geübt.

Welche Schlagzeuger waren damals deine Vorbilder und zu welchen Platten hast du am liebsten gespielt?

Ich stand total auf diese ganzen Southern Rock-Bands, die bei uns auch zu Hause liefen, weil die meisten von denen zwei Drummer hatten. Das fand ich sehr cool. MARSHALL TUCKER BAND, DOOBIE BROTHERS, 38 SPECIAL und viele andere hatten damals zwei Schlagzeuger und so gut wollte ich auch gerne spielen können. Dann waren da natürlich noch Mitch Mitchell von THE JIMI HENDRIX EXPERIENCE und Ginger Baker von CREAM, an denen man damals einfach nicht vorbeikam, und insbesondere Ginger Baker war mein erster großer Einfluss, was das Spiel mit Doppelbass anbelangt. Als New Wave in den Achtzigern groß war, war ich totaler Fan von THE POLICE, und Stewart Copeland war mein Held, bis dann IRON MAIDEN auf meinem Radar auftauchten und ich wusste, welche Art von Musik ich wirklich spielen wollte. Als ich später auf der Highschool war, waren dann die „Big Four“ des Heavy Metal – SLAYER, METALLICA, ANTHRAX und MEGADETH – meine Haupteinflüsse.

Du hast also sehr früh angefangen, Doppelbass zu spielen?

Oh ja, das kann man so sagen, es war 1985 und ich war 15, als ich anfing, mit zwei Fußpedalen zu spielen. Man darf nicht vergessen, dass es ja bis Mitte der Achtziger gar keine Doppelfußmaschinen gab und so hatte ich bereits acht Jahre Schlagzeugunterricht mit einer Bassdrum hinter mir, bevor die zweite in meinem Set dazukam. Ich war mit einer Bassdrum schon gut geübt und habe damit alles gespielt, was ging, aber zwei Bassdrums zu haben, war so etwas wie eine Offenbarung für mich.

Wann hast du angefangen, in deiner ersten eigenen Band zu spielen?

Das war auf der Highschool, weil es vorher nicht möglich war, genug Leute für eine Band zusammenzubringen. Der Sänger oder der Bassist waren immer das Problem. Die erste Band, mit der ich dann auch wirklich auf Tour war, waren STIGMATA, die in den Neunzigern in der New Yorker Hardcore-Szene recht bekannt waren und auch in Europa auf Tour gingen.

Wolltest du immer Profimusiker werden?

Ja, schon als kleiner Junge wollte ich immer Profimusiker werden und bin dann auch gleich nach der Highschool auf das Bostoner Berklee College of Music gegangen, um Musik zu studieren. Zunächst wollte ich sogar Musiklehrer werden, aber das hatte sich dann schnell erledigt, obwohl ich jetzt auch schon seit dreißig Jahren nebenbei Unterricht gebe.

Wann hast du deine ersten Erfahrungen in einem Tonstudio gesammelt?

Oh, das war sehr früh, als ich auf dem College war, weil ich für meine Kurse Aufnahmen vorweisen musste. Ich spielte damals im Studio mit meiner Speed-Metal/Punkband ROADKILL ein paar Songs ein und dabei habe ich festgestellt, dass ich die Arbeit im Studio sehr mag. Das ist natürlich etwas total anderes, als live zu spielen, denn bei einer Live-Show kannst du einen Song nicht nach fünf Minuten abbrechen und sagen: Hey, ich habe mich verspielt, lass uns noch mal bei der zweiten Strophe anfangen. Im Studio hast du alle Zeit der Welt und kannst sehr viele Dinge ausprobieren und das mag ich sehr daran. Zum Glück bin ich jemand, der keine drei Stunden benötigt, um einen Song sauber einzuspielen. Meine Einstellung war immer, so schnell wie möglich fertig zu werden, denn im Studio kann niemand anderes mit seiner Arbeit beginnen, wenn der Drummer nicht fertig wird. Bei SHADOWS FALL habe ich die Songs für das Album an einem Tag aufgenommen und war damit zufrieden. Um es auf den Punkt zu bringen, kann man sagen, dass live und Studio zwei ganz unterschiedliche Dinge sind, die ich beide sehr zu schätzen weiß.

Hast du über die Jahre so etwas wie deinen eigenen Stil entwickelt?

Eigentlich müssen andere Menschen diese Frage beantworten, aber ich glaube, es gibt bestimmte Charakteristika, die meinen Stil ausmachen. Ich würde sagen, ich spiele extrem konstant und sehr Doppelbass-orientiert. Mit den Füßen bin ich sehr schnell, während ich mit den Händen eher rudimentär unterwegs bin. Dabei wollen wir es belassen.

Welchen Rat hast du für junge Drummer, die gern Profimusiker werden wollen?

Geht länger zur Schule und sucht euch einen besseren Job. Werdet Ingenieur und verdient gutes Geld. Nein wirklich, ich sage den Anfängern immer dasselbe: Wenn es in dir drin ist und du es aus ganzem Herzen tun willst, dann musst du es einfach tun. Es ist zwar verdammt hart, in diesem Business zu überleben, aber wenn man es wirklich will, hat man auch eine faire Chance, es zu schaffen, und ich habe durch diesen Job bestimmt die beste Zeit meines Lebens.

Hast du jemals das Bedürfnis verspürt, als Sänger einer Band vorne am Bühnenrand zu stehen?

Nein, ich bin sehr zufrieden mit meiner Position hinter den Drums. Ich verspüre kein Verlangen, vorne am Bühnenrand die Rampensau zu sein, denn das liegt mir einfach nicht. Selbst wenn ich mal Gitarre gespielt oder im Stehen im Background gesungen habe, habe ich mich schon unwohl gefühlt. Ich mag es, mich hinter den Drums zu verstecken.

Bist du auch in das Songwriting deiner Bands involviert?

Ja, immer. Ich würde mich auch nicht nur als Schlagzeuger, sondern als Musiker bezeichnen, da ich ja auch viel Gitarre spiele und Ideen zu Songs beisteuern kann. Am Ende des Tages kommt es nicht wirklich darauf an, dass ein Song einen großartigen Schlagzeugbeat hat, sondern dass der Song gut ist und ein starker Refrain den Leuten im Kopf bleibt. Niemand erinnert sich an die tollen Tricks des Drummers, wenn man sich nicht an den Song an sich erinnern kann. Mit musikalischer Masturbation will ich nichts zu tun haben und so muss mein Spiel immer dem Song dienlich sein.

Du hast ja auch mit ANTHRAX und FLOTSAM AND JETSAM ein paar Konzerte gespielt. Ist es schwierig für dich, Songs von anderen Bands zu lernen?

Nein, überhaupt nicht. Im Fall von ANTHRAX war es wirklich nur ein Anruf, ob ich Zeit und Lust hätte, Charlie Benante für ein paar Shows zu ersetzen, und da ich die Songs der Band sowieso alle seit Jahren kenne, war das überhaupt kein Problem. Die Songs waren praktisch schon lange in meinem Kopf und ich musste nur noch die Überleitungen und Besonderheiten der Live-Versionen lernen. Zum Glück bin ich grundsätzlich fix beim Lernen und kann mich schnell auf neue Situationen einstellen.

Du bist jetzt seit 2017 bei OVERKILL. Hast du neben der Band noch Zeit für andere Projekte, die dir Spaß machen?

Wir sind mit OVERKILL gerade sehr viel auf Tour und da bleibt mir nicht wirklich viel Freizeit. Ich habe allerdings mit Frank Aresti von FATES WARNING seit einiger Zeit ein Projekt mit dem Namen DARK DAY SUNDAY. Das machen wir nur so zum Spaß und haben jetzt – nach langer Wartezeit – endlich ein Album aufgenommen. Dieses Projekt ist aber nicht für Live-Auftritte gedacht, sondern wirklich nur, um Spaß-Songs zu schreiben und aufzunehmen. Ansonsten habe ich keine weiteren Pläne, außer mit OVERKILL zu spielen, und das lastet mich auch gut aus.