HÜSKER DÜ, SONIC YOUTH, DINOSAUR JR - das war Mitte der Achtziger mein Dreigestirn des US-Gitarrenrocks. Erstere sind schon lange nicht mehr, zweitere haben sich Anfang der Neunziger aus meiner Wahrnehmung verabschiedet, und DINOSAUR JR. sind auch Geschichte. Doch J Mascis, deren eigenbrötlerischer Kopf, setzt mit seiner aktuellen Soloplatte genau da an, wo DINOSAUR JR aufhörten. Ich traf den Mann, der Interviews überhaupt nicht mag, in Köln. Und siehe da, er redete doch - nachdem mich seine aus Berlin stammende Frau noch getröstet hatte, seine Wortkargheit nicht persönlich zu nehmen, J sei halt so...
Die Achtziger waren meiner Meinung nach eine Zeit, in der Gitarrenmusik, wie du sie spielst, eine absolute Hoch-Zeit erlebte, während seitdem elektronische Musik massiv auf dem Vormarsch ist. Wie stehst du dazu?
"Ich sehe die Situation in den USA eher so, dass weniger die elektronische Musik massiv auf dem Vormarsch ist als eher die Leute sich generell weniger für Musik interessieren. Und dann muss man scharf trennen zwischen Sachen wie Britney Spears und LIMP BIZKIT ganz da oben und Leuten wie mir ganz unten - und dazwischen ist nichts mehr. Andererseits war es damals, als wir anfingen Musik zu machen, auch nicht anders. Die Leute haben uns gehasst. Wir waren Kids, die den Drang verspürten Musik zu machen, warum auch immer, denn Fans hatten wir nicht. Irgendwie sind wir dann aber doch nach und nach immer beliebter geworden. Irgend wann erreichte die Sache ihren Höhepunkt und ging dann wieder zurück."
Was ist das für ein Gefühl, wenn man einerseits musikalisch immer besser wird, andererseits der kommerzielle Erfolg eher nachlässt, weil die Öffentlichkeit beschlossen hat, dass jetzt andere Musikstile und Bands angesagt sind?
"Das hängt von der Person ab, denke ich. Aber natürlich ist jeder Musiker lieber bekannt und erfolgreich als weniger bekannt und weniger erfolgreich. Das wiederum hat etwas damit zu tun, warum man Musik macht."
Und warum machst du Musik?
"Weil ich Musik mag und Musik spielen will, die ich mir anhören kann. Noch geht das, also mache ich es so."
Wie wichtig ist Musik in deinem Leben? Nimmt sie die meiste Zeit ein oder ist sie etwas, das dich nur periodenmäßig beschäftigt?
"Musik ist für mich sehr wichtig und nimmt die allermeiste Zeit in Anspruch. Ich denke ständig über bestimmte Klänge und Musik nach, und wenn nicht, habe ich mein Studio und neues Equipment im Kopf. Oder ich mache mit Freunden zusammen aktiv Musik. Mein Haus ist vollgestopft mit Instrumenten und Equipment. Mein ganzes Leben besteht aus Musik."
Sammelst du Instrumente, also auch wertvolle Sachen, oder sind es Stücke, die sich eben so angesammelt haben?
"Ich sammle nicht wirklich, ich mag alte Instrumente einfach wegen ihres Klanges und kaufe sie nicht, um sie in Schaukästen zu hängen. Ausserdem sind alte Gitarren, die restauriert wurden, billiger als neue - und sie haben eine Geschichte, sind gespielt worden. Wirklich interessieren tut mich nur der Sound, nicht der Wert einer Gitarre."
Wie arbeitest du im Studio? Bist du ein Anhänger der Analogtechnik oder arbeitest du auch digital?
"Ich bevorzuge analog, es klingt einfach besser. Und das ist immer wieder einfach zu beweisen, wenn jemand das anzweifelt: ich spiele ihm die Aufnahme sowohl analog wie digital vor und dann ist alles klar. Aber ich benutze schon auch digitales Equipment, es ist manchmal einfach viel bequemer. Und wenn digital besser klingen würde als analog, würde ich digital arbeiten. Das ist für mich keine Glaubensfrage, sondern nur die, was besser klingt. Jeder Techniker und Physiker, der etwas von seinem Handwerk versteht, kann dir genau erklären, warum analog besser klingt als digital. Digitaltechnik basiert auf dem Prinzip der Reduzierung, da fehlt immer etwas. Leider gibt es viel zu viele Menschen, die mittlerweile fest glauben, digital würde besser klingen als analog. Ausserdem macht es einfach mehr Spass mit Analogbändern zu arbeiten als mit Festplatten. Da hast du diese grossen Spulen, die du wirklich anfassen kannst, und nicht nur eine Datei im Computer - das macht keinen Spass."
Versuchst du denn auch sicher zu stellen, dass deine Musik immer auch auf Vinyl veröffentlicht wird?
"Ich versuche es, ja. Als ich damals den Majordeal hatte, wollten die "Green mind" in den USA nicht als LP veröffentlichen und ich wurde richtig sauer. Ich kaufe selbst immer noch viel Vinyl, das macht einfach mehr Spass. Und die meisten Sachen, auf die ich Lust habe, kommen auch noch auf Vinyl raus."
Was für Platten hast du in letzter Zeit gekauft?
"Hm... hm... hm... Sorry, ich kann mich gerade nicht erinnern. Prinzipiell finde ich viele Sachen auf Matador interessant, und die gibt´s alle auf Vinyl. Und Rap kommt auch fast immer auf Vinyl raus, wobei ich nicht viel Rap mag, sondern eher die extremen Sachen. Etwa die alten Sachen von Ol´ Dirty Bastard, die sind einfach nur krank und jenseits von Gut und Böse."
Wie stehst du den derzeitigen Entwicklungen um Musik im Internet gegenüber, etwa der Verfügbarkeit deiner Platten via Napster oder als offizielle mp3-Dateien?
"Ach, irgendwie ist mir das so ziemlich egal. Nein, das hat mit meinem Leben gar nichts zu tun. Ich verschwende keine Zeit damit, mir irgendwo Musik herunterzuladen und es ist mir auch egal, wenn sich Leute meine Sachen irgendwo runterladen. Grundsätlich halte ich das für keine schlechte Sache und verstehe nicht, warum METALLICA darum so einen Wind gemacht haben. Bis dahin dachte ich immer, die seien einigermaßen ok."
Nutzt du den Computer und das Internet oder verweigerst du dich dem?
"Nein, ich habe einen Computer, wenn auch noch nicht lange. Und ich war auch sofort von der Technik des Emailens begeistert und finde auch die Idee, übers Internet einzukaufen, sehr gut. Man kann da die seltsamsten Sachen finden. Ich habe auch schon selbst Sachen bei eBay angeboten, aber ich hasse es mich mit den Leuten herumzuschlagen, die was von mir kaufen wollen. Die Leute sind so verrückt, die nerven dich wegen dem letzten Scheiss."
Und was ist mit DINOSAUR JR-Sachen, etwa Testpressungen? Ich weiss, dass viele Musiker und Bands damit noch ´ne gute Mark nebenher machen.
"Das ist nicht mein Ding. Aber da fällt mir eine gute Geschichte dazu ein: der Bassist von PAVEMENT hat die erste NIRVANA-Single für $500 verkauft - und dann erzählte ihm jemand, dass er seine eine Woche vorher für $900 verkauft habe. Ich meinte dann zu ihm, er hätte dazu schreiben sollen, wer er ist, das hätte den Preis sicher noch gesteigert. Und weisst du was? Ich hatte damals diese Single auch gekauft, auch noch im gleichen Plattenladen. Und was mache ich? Ich habe die Single noch am gleichen Abend auf einer Party liegen lassen. Ich besaß sie gerade mal ein paar Stunden..."
Was macht den typischen J Mascis-Gitarrensound aus?
"Keine Ahnung, das kommt einfach so aus diesen Händen. Ausserdem spielen viele Gitarristen sehr verschieden Sachen, während ich eigentlich immer gleich spiele."
Das letzte DINOSAUR JR-Album kam 1997. Jetzt hast du ein Solo-Album herausgebracht - wo liegen die Unterschiede? Ich meine, die Platte klingt eigentlich nicht anders als ein neues DINOSAUR JR-Album wohl auch geklungen hätte.
"Haha, es gibt keine Unterschiede!"
Warum dann der Bruch?
"Mir war eben danach. Es war Zeit für einen Wechsel. Ich wollte meinen Kopf freibekommen und mich von Verpflichtungen lösen, und so wie ich´s sehe, war es die richtige Entscheidung."
Ich erinnere mich an ein Interview mit dir vor ein paar Jahren, wo du dich als begeisterten Golfspieler geoutet hast. Ist Golf heute immer noch dein Hobby?
"Ach, ich spiele eben von Zeit zu Zeit. Das ist in den USA immer noch was ganz anderes als etwa in Deutschland. Bei uns ist das ein Volkssport, wie das Bowling oder Billard. Ihr habt Fußball, also... Aber ich bin kein besonders guter Golfer. Und gut Golf zu spielen ist schwieriger als Musik zu machen. Um wirklich gut zu sein muss man sich sehr stark konzentrieren, sich ganz darauf einlassen. Musik dagegen kann jeder machen. Bei Golf gewinnst du oder verlierst du, der Beweis ist eindeutig und schnell erbracht, kein Raum für Interpretation, nur schwarz und weiss."
Wie gehst du ans Songwritig heran?
"Ich spiele einfach auf der Gitarre oder auf dem Piano herum, und wenn ich in der richtigen Stimmung bin, kommt dabei etwas heraus, das gut ist."
Mit wem hast du in letzter Zeit zusammengearbeitet?
"Auf dem Album mit Kevin Shields von MY BLOODY VALENTINE. Er wohnte zwei Monate bei mir im Haus, half mir bei den Aufnahmen, spielte auch mal was. Das war´s auch schon. Jetzt versuche ich eine neue Band zusammenzustellen, und wie´s aussieht wird Mike Watt Bass spielen. Die Sache wird unter dem Namen J Mascis & The Fog laufen."
Was für einen Unterschied macht es, ein Album komplett zuhause im eigenen Studio einzuspielen, im Gegensatz zu einem grossen Studio in einer anderen Stadt?
"Vor allem bedeutet es, zeitlich und finanziell nicht unter Druck zu sein. Im Augenblick könnte ich mir gar nicht mehr vorstellen in einem "normalen" Studio aufzunehmen. Zudem ist es einfacher mit einer Band aufzunehmen: du übst vorher die Stücke, gehst ins Studio und nimmst auf. Ich dagegen hatte die Songs nie richtig fertig, sondern nahm auf und wartete einfach ab, wie sich die Sache so entwickelte. Ausserdem ist es ein gutes Gefühl, sein eigenes Studio zu haben: vor zehn Jahren hätte ich mir das nie träumen lassen. Zudem fiel es mir in den letzten Jahren zunehmend schwerer, in einem fremden Studio zu arbeiten: ich saß oft nur da und starrte aus dem Fenster, unfähig etwas kreativ zu arbeiten - und das bei $1.000 am Tag."
In Europa ist deine Platte auf City Slang, und in den USA?
"Da bin ich auf Ultimatum, ein Label, das ich vorher auch nicht kannte. Die sind jetzt kürzlich mit einem anderen Label zusammengegangen, und die haben DOG STAR, die Band von Keanu Reeves, hahaha. City Slang kenne ich schon eine ganze Weile, und meine Frau ist aus Berlin und kennt die City Slang-Leute auch schon lange. Ich schickte ihnen ein Tape, es gefiel ihnen und das war´s."
J, ich danke dir für´s Interview.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #41 Dezember 2000/Januar/Februar 2001 und Joachim Hiller
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