IZZY & THE BLACK TREES

Foto© by Lukasz Lukasiewicz

Revolution in Wellen

Aus Poznan/Posen im Westen Polens kommen Izabela „Izzy“ Rekowska und ihre Band, und diese Stadt liegt fast schon näher bei Berlin als bei Warschau, was vielleicht erklärt, warum der Vierer regelmäßig in Berlin spielt. Anfang 2020 erschien das Debüt „Trust No One“ auf dem renommierten Antena Krzyku-Label, und eine Pandemie später ist nun der Nachfolger „Revolution Comes In Waves“ am Start, dem man – Verzeihung – seine Herkunft kein Stück anhört. Posen, Melbourne, Seattle? Izzy beantwortete meine Fragen.

Wie ging das alles los mit dir und der Band?

Die Band wurde 2018 gegründet, ein paar Jahre nachdem ich aus London, wo ich fünf Jahre lang gearbeitet und gelebt habe, in meine Heimatstadt Poznan zurückgekehrt war. 2018 wurde die erste EP mit dem Gitarristen Mariusz Dojs und dem Bassisten Bartosz Wrzosek sowie Szymon Swoboda, dem Besitzer von Vintage Records, am Schlagzeug aufgenommen. Im Mai 2019 stießen Mateusz Pawlukiewicz am Schlagzeug und Lukasz Mazurowski am Bass dazu und so hat sich unser Fuzz-Quartett gefestigt und ist nun seit über drei Jahren unverändert. Jeder von uns hatte vorher andere Projekte, aber als wir uns einmal zu IZZY & THE BLACK TREES zusammengetan haben und diese Band zu unserer Nummer eins wurde, gab es keinen Weg zurück. Poznan ist eine nette Stadt, aber eher ruhig im Vergleich zu unserem geliebten Berlin. Wann immer wir können, setzen wir uns ins Auto und fahren die drei Stunden in die deutsche Hauptstadt, um uns von neuen Bands und aktueller Kunst inspirieren zu lassen.

Gutes Thema: Was sind eure Einflüsse?
Wir haben alle ganz unterschiedliche Vorlieben und Vorbilder, angefangen bei Jimi Hendrix, LED ZEPPELIN, David Bowie über No-Wave- und Punkbands wie WIRE, TELEVISION, SONIC YOUTH bis hin zu neuen britischen Indie-Post-Punk-Bands wie IDLES, FONTAINES D.C. oder DRY CLEANING. Und unser Bassist mag SÓLSTAFIR aus Island. Wenn wir unsere Songs schreiben, kombinieren sich diese Einflüsse und deshalb kann unsere Musik auf unserem neuen Album, aber auch generell, die verschiedensten Assoziationen hervorrufen. Wir mögen es, aus jedem unserer Songs etwas Einzigartiges zu machen, damit er nicht nur als Teil eines Albums, sondern auch unabhängig davon funktioniert.

Und welche Sängerinnen und Sänger haben dich inspiriert, sei es durch ihren Stil oder ihre Einstellung und Ideen?
Als Sängerin und Texterin war ich immer sehr angetan von PJ Harvey, Alison Mosshart von den KILLS, Cat Power, PORTISHEAD, Roisin Murphy oder Björk. Ich hatte auch eine Folk- und Alt-Folk-Periode, in der ich Bob Dylan hörte und in Kneipen in Paris und London Banjo spielte ... ja, das ist schon ziemlich lange her. Dann tauschte ich das Banjo gegen eine E-Gitarre ein. Der entscheidende Moment für mich war, als ich PJ Harvey 2004 in Paris live sah, kurz nach der Veröffentlichung von „Uh Huh Her“. Ich liebe ihr Album „Stories From The City, Stories From The Sea“ und habe dabei so oft im Keller meiner Eltern mitgesungen. Um die Texte zu schreiben, habe ich viele Beat-Poeten und englische Lyrik gelesen. Als ich in San Francisco die Gelegenheit hatte, den berühmten City Lights Bookstore zu besuchen, wo die Beat-Generation seit den Fünfziger Jahren zu Hause war, inspirierte mich das zu „Scream sea lions“, einem Song auf unserem Debütalbum „Trust No One“.

Obwohl es in Polen viele großartige Bands gibt, werden jenseits der polnischen Westgrenze kaum mal welche wahrgenommen, höchstens BEHEMOTH und TRUPA TRUPA. Hast du eine Theorie, warum das so ist?
Ich habe das Gefühl, dass es schwieriger geworden ist, polnische Bands ins Ausland zu exportieren, als es noch vor zehn Jahren war. Ich bin mir sicher, dass auch die Pandemie und die allgemeine wirtschaftliche Situation viel damit zu tun haben. Die Bands, die du erwähnt hast, haben in der Tat hart gearbeitet, um ihren Namen nicht nur in ihrem Heimatland bekannt zu machen. Ich habe den Eindruck, dass sich der Musikmarkt in Polen sehr verändert hat und dass es für Bands und Künstler:innen leichter ist, hier im Land Konzerte zu spielen, vorausgesetzt, sie singen auf Polnisch. Ich kenne auch einige Bands, die anfangs auf Englisch gesungen haben und dann auf Polnisch umgestiegen sind und sich entschieden haben, nicht weiter im Ausland zu touren. Außerdem ist die aktuelle politische Situation und auch unsere Regierung nicht gerade hilfreich. Also sind wir als Band, die unbedingt in die Welt hinaus will, auf uns allein gestellt ...

Wie ist die Szene eurer Heimatstadt Poznan, welche Clubs, Plattenläden, Bands usw. gibt es?
Poznan ist eine Stadt mit rund 600.000 Einwohnern und einer großen Uni, also kannst du dir vorstellen, dass die Stadt lebendig wird, sobald das akademische Jahr beginnt. Wir haben kleine und mittelgroße Veranstaltungsorte wie das Dragon, Pod Minoga oder U Bazyla, wo die meisten unserer befreundeten Bands auftreten. Dann haben wir eine größere Location namens Tama, die sowohl ein Konzertort als auch ein Nachtclub ist, mit einem beeindruckendes Interieur aus den Siebziger Jahren. Die Musikszene hier ist nicht besonders groß. Wie du vielleicht gemerkt hast, passen wir musikalisch eher nach New York oder London. Allerdings haben wir hier ein paar Freunde im Stoner-Rock-Psych-Umfeld.

„Revolution Comes In Waves“ ist ein starker Albumtitel. In diesen Tagen schauen wir alle auf die mutigen Frauen im Iran, die versuchen, eine Diktatur zu stürzen. Woran hast du gedacht, als du dir den Titel überlegt hast?
Der stammt direkt aus dem Text des Liedes „Devil on the run“. 2020 und 2021 kam es in Polen zu Massenprotesten gegen die weitere Beschneidung des Abtreibungsrechts. Tausende von Frauen marschierten durch große und kleine Städte, nicht einmal, nicht zweimal, sondern viele Male. Von oben betrachtet, sahen die Frauen wie Wellen aus, die durch die Straßen fließen. Das hat mich auf die Idee gebracht, den Song zu schreiben, der meiner Meinung nach absolut relevant für das ist, was heutzutage im Iran passiert.

Schon der erste Song auf dem Album ist eindeutig betitelt: „I can’t breathe“ ist eine klare Anspielung auf Black Lives Matter.
Ja, den haben wir geschrieben, nachdem George Floyd ermordet wurde. „I can’t breathe“ ist der Satz, der zu einem Symbol geworden ist für diese Situation und andere Vorfälle, bei denen die Polizei ähnlich grausam vorging. Deshalb wollte ich diese Worte in dem Song wie ein Rap-Mantra wiederholen, denn sie sind wirklich sehr kraftvoll und bedeutsam.

Was ist der Hintergrund von „Break into my body“?
„Break into my body“ ist ein Lied, das ich geschrieben habe, als Anfang 2021 das Abtreibungsrecht in Polen eingeschränkt wurde. In der Folge gab es Fälle von Müttern, die starben, weil die Verfassung es nicht erlaubte, die Schwangerschaft abzubrechen, obwohl bereits feststand, dass das Kind nicht überleben würde. Es ist immer noch schockierend, wie sich die Dinge bei uns entwickeln beziehungsweise zurückentwickeln, und ich fürchte, das passiert nicht nur bei uns. Angesichts des Kriegs in unserem Nachbarland und einer Regierung, die sich von der EU und der liberalen Demokratie entfernt hat, fällt es schwer, optimistisch zu sein und positiv in die Zukunft zu blicken. Das beeinflusst unser Leben und damit auch unsere Musik. Hoffen wir, dass wir in ein paar Jahren nur noch romantische und unbeschwerte Lieder aufnehmen!

In Deutschland gibt es eine intensive Diskussion darüber, dass Frauen und generell LGBTQ-Personen in Punk- und Rockbands, aber auch bei Konzerten und Festivals unterrepräsentiert sind. Gibt es diese Diskussion auch in Polen?
In Polen ist das leider kein großes Thema, erst recht nicht bei Rock-, Heavy-Metal- oder Punk-Shows. Wir haben ein Festival namens Inne Brzmienia – Verschiedene Klänge –, das sich Keychange angeschlossen hat, einer Organisation, die sich für Geschlechterparität im Line-up einsetzt. Ich kann das Inne Brzmienia in Lublin wirklich jedem empfehlen, es hat eine tolle Atmosphäre und ein super cooles internationales Programm. Abgesehen von denen hat sich bisher niemand offiziell dieser Initiative angeschlossen. Im September haben wir auf dem Summer Dying Loud Festival in Lodz gespielt, wo ich tolle Rock- und Metalbands gesehen habe, in denen Frauen präsent waren, aber es waren letztlich nur 20% oder weniger. Bei Indie-, Elektronik- oder Pop-Festivals ist es hier etwas besser, ich sehe da mehr Künstlerinnen und auch LGBTQ-Personen im Line-up und auch das Publikum ist vielfältiger. Diese Diskussion muss definitiv geführt werden.