INTO A CIRCLE

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The Spirit Of Youth

Barry Jepson, zuvor bei der UK-Goth-Legende THE SOUTHERN DEATH CULT (später THE CULT), und Sänger Paul „Bee“ Hampshire, bereits mit 16 Jahren bei DANSE SOCIETY, gründeten 1985 INTO A CIRCLE und bewegten sich perfekt zwischen New Wave und Wave-Pop. Ihre Songs waren ein flammendes Manifest der Jugend, eklektisch und ungehemmt, und folgten Launen, Lust und Impulsen. Die Poesie der Songs ähnelt in Teilen der von Genesis P-Orridge, der für Bee seinerzeit eine Art Mentor war. Nach Auflösung von INTO A CIRCLE Ende der Achtziger Jahre wanderte Bee nach Bangkok aus, arbeitete unter anderem als Radio-DJ, Designer und gründete die Electro-Clash-Band FUTON. Mitte 2021 haben Bee und Barry INTO A CIRCLE reformiert. Im August 2022 ist ihr Album „Steel Box“ erschienen und im Oktober haben sie im Vorprogramm von FIELDS OF THE NEPHILIM in London gespielt.

Nach mehr als dreißig Jahren habt ihr INTO A CIRCLE wiederbelebt. Was war die Motivation dafür? Bee, du warst zuvor Gründungsmitglied von DANSE SOCIETY mit Steve Rawlings, aber er scheint sich komplett aus der Musik zurückgezogen zu haben.

Bee: Der Neustart von INTO A CIRCLE kam zustande, nachdem Barry die Spoken-Word-Aufnahmen gehört hatte, die ich für mein Album „Inside The Thai Capsule“ veröffentlicht hatte, und mir per Mail mitteilte, wie sehr sie ihm gefielen. Ich erwähnte ihm gegenüber, dass wir, bevor wir mit INTO A CIRCLE aufhörten, ja mit einem Haufen neuer Songs auf Tour waren, diese aber niemals aufgenommen hatten, und das vielleicht jetzt nachholen sollten. Wir nahmen also ein paar der Songs auf und kamen sofort wieder in Schwung. Barry schlug vor, noch ein paar neue Stücke zu schreiben, ich war mir nicht sicher, bat ihn aber, mir seine Ideen zu schicken. Als ich anfing, Texte zu seiner Musik zu schreiben, war es, als hätten wir keinen Tag getrennt verbracht. Ja, und Steve hat beschlossen, nach ein paar Post-DANSE SOCIETY-Projekten mit der Musik komplett aufzuhören. Er lebt in Los Angeles und wenn ich mal in den USA bin, bin ich leider an der Ostküste in New York, so dass wir uns seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Wir tauschen uns jedoch über die sozialen Medien aus und haben vor, uns zu treffen, wann immer es uns geografisch möglich ist.

Bee, du hast dich sowohl mal mit PSYCHIC TV zusammengetan, warst aber, glaube ich, auch kurz im Umfeld SOUTHERN DEATH CULT und Ian Astbury aktiv. Welche Erinnerungen hast du an diese Bands und diese Zeit?
Bee: Ich habe Ian Astbury nie getroffen oder auch nur von ihm gehört, bis ich mich GETTING THE FEAR mit Barry angeschlossen hatte, das war aber nicht wirklich meine musikalische Heimat. Ich bin später völlig in die PSYCHIC TV-Family eingetaucht, das war mein Clan, mit dem ich ähnliche Interessen und Bestrebungen teilte.

Nachdem sich INTO A CIRCLE aufgelöst hatten, bist du nach Thailand ausgewandert und hast als DJ bei Bangkoks führenden Radiosender gearbeitet und Musiker wie RADIOHEAD, Björk und die MANIAC STREET PREACHERS interviewt.
Bee: Ich war sieben Jahre lang Radio-DJ, bevor ich meine eigene Sendung auf die Beine gestellt habe, in der ich völlig selbständig entscheiden konnte, was ich spiele und mit welchen Künstlern in Interviews machte. In den ersten Jahren gab es kein Internet, also konnte ich den Leuten dort Musiker vorstellen, von denen sie noch nie gehört und zu deren Musik sie keinen Zugang hatten. Das waren Musiker wie Aphex Twin und Bands wie COIL oder PORTISHEAD und der Großteil der BritPop- und Grunge-Szene. Später habe ich dann Sachen gespielt, die andere Sender nicht spielen würden, wie MARILYN MANSON, HOLE, CHICKS ON SPEED und MISS KITTEN. Der Radiosender förderte auch Live-Konzerte, und wenn Musiker wie Björk oder MANIC STREET PREACHERS in Bangkok waren, dann hatte ich sie in meiner Sendung.

Genesis Breyer P-Orridge ist 2020 verstorben. Hattest du zuvor noch Kontakt zu ihm/ihr? Ich habe gehört, dass du dich im Frühjahr 2020 in New York noch mit ihm/ihr treffen wolltest.
Bee: Ja, leider hat Gen seinen/ihren Körper verlassen, das war kurz bevor Corona zuschlug. Glücklicherweise konnte ich in den letzten Jahren wesentlich mehr Zeit mit Gen verbringen. Wir wussten, dass die Krankheit unheilbar ist, und das ist einer der Gründe, weshalb ich viel öfter in New York bei Gen war. Das letzte Mal traf ich Gen in Berlin, ich flog dorthin, um nach Gens Auftritt gemeinsam abzuhängen. Ich stehe Gens beiden Töchtern immer noch sehr nahe. Genesse hat letztes Jahr einen Monat mit mir in London verbracht und Caresse treffe ich Ende des Jahres in Bangkok. Ein Song von GETTING THE FEAR, „Spirit of youth“, wurde explizit für Caresse geschrieben und INTO A CIRCLE haben den Song im Oktober in London gespielt. Er ist auch auf unserem neuen Album zu hören.

INTO A CIRCLE waren eine der perfekten Wave-Pop-Bands ihrer Zeit, in einer Reihe mit den LOTUS EATERS, mit denen ihr 1985 in Paris gespielt habt. Was bestimmte euer Songwriting damals und was heute bei neuen Stücke wie „My frozen heart“ und „Bright death“?
Bee: Unsere Songs, damals wie heute, spiegeln Gedanken, Themen und Beobachtungen wider, die unsere Vorstellungskraft beschäftigen und inspirieren. Manche handeln auch von Menschen, die wir treffen, oder von Begegnungen, die wir vielleicht haben. Sie haben nie eine politische Ausrichtung. Sie sind eher wie Meditationen und Betrachtungen über Dinge, die uns interessieren. Andere Songs, wie das von dir erwähnte „Bright death“ haben ein erzählerisches Element. „My frozen heart“ von unserem aktuellen Album „Steel Box“ ist eine Liebeserklärung an meinen Partner, der leider überraschend verstorben ist.

Auf eurer letzten Tour als INTO A CIRCLE wurdet ihr begleitet von Annie Anxiety, die auch bei CRASS und CURRENT 93 aktiv war. Wie seid ihr mit „Little Annie“ in Kontakt gekommen?
Bee: Ich empfinde immer noch sehr viel Liebe für Annie. Ich bin nach Berlin geflogen, um ihre Show zu sehen, kurz bevor Corona kam, und danach sind wir zusammen nach Neapel in den Urlaub gefahren. Annie ist mein kleiner Engel auf Erden, der mich dazu bringt, teuflische Dinge zu tun. Wir lernten uns in den Achtziger Jahren kennen, als wir uns auf der Geburtstagsparty eines Freundes gegenübersaßen. Wir beide ignorierten alle anderen im Raum, einschließlich des Geburtstagskindes, während wir uns aneinander festhielten. Es war erstaunlich, dass wir uns nicht schon früher begegnet waren, denn hätten wir unsere Adressbücher verglichen, wären sie fast identisch gewesen. Von da an, bis zu meinem Umzug nach Bangkok, sahen wir uns fast jeden Tag. Sie hat mich oft in Bangkok besucht.

Barry, du bist mitverantwortlich für „A flower in the desert“, einen der besten Songs vom THE CULT-Debütalbum „Dreamtime“ von 1984. Bei SOUTHERN DEATH CULT hieß der Song noch „A flower in the forest“, kam aber nicht auf das Album. Welche Erinnerungen hast du an diese frühe Zeit von THE CULT?
Barry: SOUTHERN DEATH CULT wurden von Aki Nawaz, unserem damaligen Schlagzeuger, und mir gegründet. Aki spielte später auch mit mir und Bee bei GETTING THE FEAR. David „Buzz“ Burrows war unsere erste Rekrutierung für die Band, und ich glaube, er war der beste Gitarrist in dieser Szene zu dieser Zeit, und zwar mit Abstand. Und nach ein paar wirklich fruchtbaren Jam-Sessions hatten wir einige Songs geschrieben. Dann rekrutierten wir Ian Astbury als Sänger und innerhalb weniger Wochen hatten wir eine Setlist von etwa zehn Songs fertig. Und ein paar Wochen später spielten wir diese Tracks live, und ohne einen Moment daran zu denken, was dann mit dem ganzen Hype um SOUTHERN DEATH CULT passieren sollte. Es war so bemerkenswert und ich bedaure, dass wir nicht die Chance hatten, mehr Songs zu schreiben. Buzz und ich hatten gute Ideen, bevor wir uns trennten, „A flower in the desert“ ist tatsächlich ein großartiges Beispiel für das, was wir erreichen wollten, aber leider hatten wir nie die Chance, diese und die anderen Tracks, an denen wir arbeiteten, richtig fertigzustellen. Einige der prägenden Riffs von SOUTHERN DEATH CULT von mir und Buzz wurden schließlich zu GETTING THE FEAR-Songs, und ich denke, Ian hat auch einige dieser Ideen für das Folgeprojekt DEATH CULT und dann THE CULT übernommen, und das war auch gut so. Kein Mitglied von SOUTHERN DEATH CULT war besitzergreifend in Bezug auf die jeweiligen Ideen und wir einigten uns darauf, alles finanziell und kreativ durch vier zu teilen, egal, wer was macht, und das haben wir immer so eingehalten. Wie auch immer, SOUTHERN DEATH CULT trafen auf Billy Duffy, als wir mit THEATRE OF HATE spielten, was für uns einen großen Schritt nach vorne bedeutete, und ich bin ihrem Sänger Kirk Brandon, seinem damaligen Management und den THEATRE OF HATE-Fans, die uns sehr unterstützt haben, sehr dankbar. Billy Duffy hat dann THEATRE OF HATE während dieser Tour verlassen und soweit ich weiß, hat er sich einige Monate danach an Ian gewendet, als er erfuhr, dass es bei SOUTHERN DEATH CULT zu Unstimmigkeiten gekommen war, was zu seiner späteren und langen Partnerschaft mit Ian bei DEATH CULT und THE CULT führte.

Barry, du hast als Tourmanager und Veranstalter für Acts wie PLACEBO, GREEN DAY, Nick Cave, FOO FIGHTERS, RAMMSTEIN und Bryan Ferry gearbeitet. Was sind deine Erfahrungen mit diesen „Mega-Acts“, sind das schwierige Kandidaten?
Barry: Ich arbeite immer noch als Tourmanager und Veranstalter, also werde ich hier eher diskret bleiben, wie alle Profis es sein müssen, getreu dem Motto „What happens on tour, stays on tour“, wie man in der Branche sagt. Aber ich habe nichts als schöne Erinnerungen an die großartigen Bands, mit denen ich zusammengearbeitet habe, und an die bemerkenswerten Shows, an denen ich mitgewirkt habe. Aber vor allem gilt meine Bewunderung all meinen Kollegen und Kolleginnen, die so hart und mit so viel Hingabe arbeiten, das ist für mich das Wichtigste in den letzten dreißig Jahren. Was die großen Namen anbelangt, mit denen ich zusammengearbeitet habe, ob nun SIMPLE MINDS, Bryan Adams, EMBRACE, die PET SHOP BOYS oder die anderen Bands, die du erwähnt hast, konnte ich eines allgemein beobachten: Sie alle verstehen ihr Handwerk, sowohl live auf der Bühne als auch im Studio, und es ist ein Privileg, mit ihnen zu arbeiten. Und ich sehe, dass die Erfahrung, in einer Langzeitband zu sein, wie eine Art Ehe ist und das gleiche Maß an Engagement und Kompromissen erfordern, das alle Ehen brauchen, und nichts davon ist einfach. Ich habe oft erlebt, dass es, offen gesagt, für Künstler, die aus der Mittelschicht und einem, sagen wir mal, gebildeten Umfeld kommen, oft einfacher ist, sich zwischen den persönlichen, den künstlerischen, den geschäftlichen Aspekten und dem praktischen, gemeinsamen Raum in einer Band zu positionieren, als für die, die sozusagen aus der Arbeiterklasse oder von der Straße kommen und sich in diesem Haifischbecken behaupten müssen, um weiterzukommen. Genau das habe ich immer sehr an ihnen respektiert.

Was können wir in Zukunft von INTO A CIRCLE erwarten?
Barry: Wir haben im August 2022 unser Album „Steel Box“ als limitierte Auflage im aufwändig gestalteten Box-Format herausgebracht, das innerhalb eines Tages ausverkauft war. Wir werden dem aber bald weitere limitierte Auflagen folgen lassen. Im Moment bereiten wir uns auf unsere kommenden Live-Konzerte vor. Wir arbeiten sowohl an der Musik als auch an den begleitenden Filmen, die bei den Shows zu sehen sein werden. Unser letzter Gitarrist Simon Hepton wird mit uns auf der Bühne stehen und wir haben eine fantastische neue Schlagzeugerin, Lauren Taylor, und die Keyboarderin Sinéad O’Leary dabei. Das Set wird ein paar alte Nummern enthalten, aber der Schwerpunkt wird auf dem neuen Material liegen. Im Laufe von 2023 wollen wir schon das nächste INTO A CIRCLE-Album fertigstellen und veröffentlichen.