INDIREKT

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One punk record per day keeps the doctor away

In den Niederlanden hat es über all die Jahre immer wieder geniale Punk- und Hardcore-Bands gegeben. INDIREKT, gegründet 1982 in Hoorn, gehören definitiv dazu. Während ihrer Touren ins Nachbarland waren sie auch öfters im KuKoZ in Paderborn zu Gast, so dass ich die Gelegenheit hatte, diese fantastische Band mehrfach live zu erleben. Ihre LP „Op Oorlogspad“ lief bei mir seinerzeit in Dauerschleife auf dem Plattenspieler. Mit Anneke, Gesang, und Ruud, Gitarre, sprechen wir unter anderem über die Punk-Szene in Holland in den Achtzigern und die Zeit, als „Paderboring“ definitiv nicht „boring“ war. Zu INDIREKT gehören zudem noch Jeroen, Drums, und Rick, Bass.

Wie seid ihr damals auf Punk aufmerksam geworden, und wann hat euch das Virus selbst erfasst?

Ruud: Ich war neun Jahre alt und saß 1977 auf dem Rücksitz des Autos meiner Mutter. Plötzlich hörte ich im Radio STRANGLERS mit „No more heroes“. Wahnsinn! Da ist das Virus eingedrungen. Ein paar Jahre später freundete ich mich mit Joost Warnik an, dem späteren Bassisten von VERNON WALTERS, der mich in die Musik von THE DAMNED und obskurerer Mitglieder der Punkrock-Familie einführte ...
Anneke: Als ich 14 oder 15 Jahre alt war, fing ich an, in ein örtliches Jugendzentrum namens Troll zu gehen und hörte dort Punk- und New-Wave-Musik, wie auch in einem alternativen Café namens Swaf. Wir waren so glücklich, dass wir diese Orte hatten! Als ich Punkmusik hörte, habe ich sie sofort so sehr geliebt – anders, laut und mit einer Botschaft. Hier habe ich viele Freunde gefunden und angefangen, Musik zu machen. Zuerst sang ich eine Weile in einer Band namens NOUS, Ska/Reggae-Stil, aber bald darauf fing ich an, bei INDIREKT zu singen.

Was bedeutete Punk damals für euch – und wie ist das heute?
Ruud: Zuerst: Heftige Rockmusik im schnellen Tempo. Später wurde sie für mich zu einer alternativen Lebensweise. Do It Yourself, interessante Leute treffen, anfangen, eigene Songs zu machen, die eigene Band, die eigene Plattenfirma. Ich glaube immer noch an die Ideen, die ich damals hatte, obwohl ich mich nicht mehr wirklich als Punk sehe. Andererseits lebe ich, um ehrlich zu sein, immer noch nach dem Motto: „Mindestens eine Punk-Platte pro Tag hält den Arzt fern.“ Übrigens, das einzige Konzert, das ich in diesem Jahr, also vor der Corona-Krise, besucht habe, war von UK SUBS in Amsterdam.
Anneke: Punk bedeutete und bedeutet mir immer noch sehr viel, denn durch diese Zeit in meinem Leben wurde ich zu dem, was ich jetzt bin! Ich mag es immer noch, wenn ich ein Lied von damals höre, es macht mich glücklich und ich spiele immer noch gelegentlich meine Punk-Platten.

Gab es von eurer Seite aus von Anfang an die Idee, Musik zu machen?
Ruud: Nein, ganz am Anfang wusste ich nicht, dass das möglich ist. Als ich 13 Jahre alt war, war ich in einer Klasse mit Niels de Wit, später GEPØPEL, dann VERNON WALTERS. Er konnte bereits E-Gitarre spielen und inspirierte mich dazu, ebenfalls Gitarre zu spielen. Etwas später traf ich an derselben Schule Rick Blom und Jeroen Hennis, die eine Punkband gründen wollten und jemanden suchten, der mehr oder weniger Gitarre spielen konnte. Das war im Frühling 1982, und der Rest ist Geschichte.

Wer hatte die Idee zu eurem Namen INDIREKT? Und was bedeutet er für dich? Und warum habt ihr euch für die Schreibweise INDIREKT mit K entschieden?
Ruud: Ich glaube, der Bandname INDIREKT war Ricks Idee. Punkrock als eine Form der indirekten Aktion. Wie du weißt, waren unsere Texte recht direkt, eigentlich ... Die korrekte Schreibweise im Niederländischen ist „indirect“ mit einem C, wie im Englischen.

Welche Einflüsse hattet ihr?
Ruud: In den frühen Tagen war ich ein Fan von englischen Bands wie CRASS, DISCHARGE und – wieder! – den UK SUBS. Ich glaube, Rick kam eher von der melodischen Seite wie zum Beispiel SPLODGENESSABOUNDS, er war aber auch ein Fan der UK SUBS und ANGELIC UPSTARTS. Von der Zeit an, als Anneke zu uns gestoßen war, hörten Rick und ich viel SUBHUMANS, DEAD KENNEDYS und BAD BRAINS. Ko, Spitzname für Marcel Kok, unser Soundengineer, hörte Reggae und amerikanischen Hardcore-Punk.
Anneke: Mich haben Bands wie BUZZCOCKS, DEAD KENNEDYS, DESCENDENTS, 7 SECONDS, MINOR THREAT und X-RAY SPEX beeinflusst.

Wo habt ihr geprobt – und wie oft?
Ruud: Soweit ich mich erinnern kann, haben wir einmal in der Woche geprobt, vielleicht hatten wir einige Phasen, in denen wir kurz vor den Aufnahmen öfter geprobt haben. Nun, zumindest vor unserer Baskenland-Spanien-Deutschland-Tour im Sommer 1986 probten wir mehr, denn nur eine Woche bevor es losging, nahmen wir erst Kontakt mit dem Schlagzeuger auf, der mit uns fahren würde, Cheiz Muntjewerf ... Eine lange Geschichte, aber wir waren etwa ein halbes Jahr ohne festen Schlagzeuger und hatten nur einige Aushilfsdrummer. Cheiz hörte sich unsere Songs dann immer noch auf dem Walkman hinten in unserem Bulli an, als wir schon auf unserem Weg ins Baskenland durch Frankreich fuhren ...

Wie sah die Punk-Szene in eurer Heimatstadt Hoorn aus? Gab es ein autonomes Zentrum und die Möglichkeit, selbst Konzerte zu organisieren?
Ruud: Seit der Mitte der Siebziger Jahre gab es in Hoorn ein Jugendzentrum namens Troll. In den Achtzigern spielten dort viele Punkbands. Im ersten Halbjahr von INDIREKT spielten wir im Troll an einem Abend, der vom Westfries PopKollektief organisiert wurde. Dabei handelte es sich um ein Kollektiv von Bands aus Hoorn und Enkhuizen, die Auftritte organisierten, ein jährliches Festival in Hoorn veranstalteten, Platten herausbrachten und einen Secondhand-Plattenladen betrieben. Im Troll gab es wöchentlich verschiedene Arten von Musik, aber regelmäßig Punk. Wenig später veranstalteten einige Leute hin und wieder Konzerte in einem besetzten Gebäude im Zentrum von Hoorn, das Drop genannt wurde. IINDIREKT und THE VERNON WALTERS gaben dort einmal ein Benefizkonzert, um Geld für die Anwaltskosten von Jello Biafra zu sammeln – der Abend hieß „Drop the charges!“. Als sich INDIREKT ungefähr Mitte 1982 gründeten, gab es in Hoorn eine nette und kooperative alternative Szene. Und in den folgenden Jahren wurde es sogar noch besser mit Punkrock- und Wave-Bands wie THE VERNON WALTERS und einigen weniger bekannten wie YAHOO, THE GRABBITS, PASSIONATE HARTLESS ...

Wie habt ihr in den Achtziger Jahren die Punk-Szene in den Niederlanden erlebt?
Ruud: Die Mehrheit der niederländischen Punk-Szene damals war sehr hilfsbereit, aufgeschlossen, freundlich ... wie eine große Familie. Wir übernachteten mehrmals in Häusern oder besetzten Gebäuden von Mitgliedern anderer niederländischer Bands in verschiedenen Teilen unseres Landes und sogar in Belgien, auch nach Konzerten, auf denen INDIEKT nicht gespielt hatten, also die wir nur besuchten. 95% der niederländischen Bands waren wie Freunde für uns, die anderen 5% waren eher arrogant ...

Exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum – gab es den bei euch, in eurer Szene?
Ruud: Wir haben keinen übermäßigen Konsum im Sinne meiner Definition von übermäßig betrieben. Wir waren keine Straight-Edge-Band, wir alle tranken gerne ein paar Bier und mögen es immer noch. Ich glaube, keiner von uns nahm damals Drogen, später im Leben taten es einige von uns nur gelegentlich. Soweit ich mich erinnere, waren wir nie betrunken auf der Bühne, sondern tranken das Bier lieber nach der Show. Wahrscheinlich haben wir alle noch ein paar Paderborner Biergläser zu Hause ... In der-Szene von Hoorn erinnere ich mich nicht an Leute mit exzessivem Drogenkonsum, aber vielleicht war ich dafür blind, weil ich kein Interesse daran hatte.

Welche Aktionen, Peinlichkeiten, Konzerte sind euch in besonderer Erinnerung geblieben?
Ruud: Unsere erste Tournee, als wir fast zwei Wochen lang in Paderborn blieben. Toller Gig im KuKoZ, mit fantastischen deutschen Bands! In dieser Zeit gab es diesen „Großeinsatz der Polizei“ im KuKoZ, bei dem die ganze Band in der Paderborner Polizeiwache landete. Es gab dann die Drohung, dass KuKoZ zu schließen. Dann während der gleichen Tour ein großes Konzert in Bielefeld, wow! Nun, fast alle Konzerte in Deutschland, Belgien, Dänemark und Spanien waren legendär. Ich glaube, ich erinnere mich an die meisten von ihnen ... Peinlichkeiten? Na ja, zweimal in der Polizeistation Paderborn ... Das zweite Mal war ein halbes Jahr später, nachdem wir unseren Van ein wenig vor der Nachbargarage geparkt hatten.
Anneke: Das Konzert in Schwenningen bei Tübingen ist legendär für mich, eine unglaubliche Atmosphäre, die Besetzung war unglaublich und es gab fast mehr Leute hinter der Bühne als im Publikum, hahaha. Sehr voll. Als wir im Baskenland tourten, spielten wir bei einem Open-Air-Festival auf einem Platz in einem Dorf um fünf Uhr morgens, als die Sonne aufging, das werden wir nie vergessen.

Ihr habt auch häufig im Ausland gespielt, in Deutschland, Spanien, Dänemark und Belgien. Wie wurden die Konzerte in einer Zeit ohne Internet organisiert? Wie habt ihr die Touren empfunden, was waren die Unterschiede zu der Punk-Szene in den Niederlanden, falls es diese gab?
Ruud: Alle Tourneen, die wir in anderen Ländern gemacht haben, wie auch die Konzerte in Belgien, wurden von Leuten organisiert, die wir durch Briefwechsel kannten oder über andere Bands. Also führten wir einige – in dieser Zeit schrecklich teure – internationale Telefongespräche und hatten Vertrauen in diese Tourmanager. Sie alle organisierten unsere Konzerte, ohne selbst Geld damit zu verdienen, und wir wurden nie betrogen! Wir schulden diesen Organisatoren immer noch unseren Dank. Wir konnten mehr oder weniger den Break-even-Point erreichen, indem wir viele Auftritte in kurzer Zeit absolvierten, in den Häusern der Leute wohnten und unsere Platten bei den Shows verkauften. In den Niederlanden musste man nie nach einem Schlafplatz fragen, weil man immer innerhalb einiger Stunden nach Hause fahren kann. Ich glaube, wir haben im Ausland mehr Freunde und Fans gefunden als in den Niederlanden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es überhaupt Unterschiede zwischen den Szenen gab.
Anneke: Manchmal, wenn wir auf Tournee waren, war das Einzige, was wir hatten, ein handgeschriebener Brief mit sehr wenigen Informationen. Niemand hatte ein Handy, also war der einzige Kontakt, den wir hatten, ein Brief per Post oder manchmal nur eine Telefonnummer der Eltern des Veranstalters.

Ihr habt öfter im KuKoZ gespielt. Andy aus Paderborn hat die Posterbeilage für eure LP „Op Oorlogspaad“ gezeichnet. Welche Erinnerungen habt ihr an eure Konzerte dort und auch an die Stadt?
Ruud: Ich erinnere mich an das Haus, in dem wir wohnten, in der Rathenaustraße. Es war eineWohngemeinschaft mit sehr freundlichen, alternativen Menschen. Wenn du noch Kontakt zu ihnen hast, sag bitte „Hallo“ von uns. Während der ersten Tournee wohnten Anneke und Jeroen bei einem Typen namens Klaus, der auch ein Freund war. Ich kann mich an nichts aus der Stadt erinnern.

Ihr habt in euren Texten viele Missstände kritisiert, so im Song „X“ Kindesmissbrauch, die allgemeine Kriegsgefahr, die multinationalen Konzerne ... Hast du das Gefühl, dass eure Texte immer noch aktuell sind?
Ruud: Leider ist die Mehrzahl der Themen unserer Lieder aus den Achtziger Jahren immer noch aktuell ... „Tijden lijken veranderd, maar ze zijn hetzelfde gebleven, de macht is nog steeds de macht en er wordt nog steeds gestreden“, das haben wir 1987 in unserem Song „Hetzelfde liedje“ gesungen. „Die Zeiten scheinen sich geändert zu haben, aber sie sind gleichgeblieben, Macht ist immer noch Macht, und es wird immer noch gekämpft“. Nun, einige der hässlichen Regimes wie in Chile, Argentinien, oder die DDR haben sich zu – mehr oder weniger – demokratischen Staaten entwickelt, was aus der Perspektive der Menschenrechte natürlich großartig ist. Leider bin ich immer noch Mitglied von Amnesty International und nicht von Poetry International ... Aber behalten wir den Kopf oben! Hasta la victoria siempre! Ein kleiner Fortschritt ist auch ein Fortschritt ...

Eure Songs wie „Tolerantie“ oder „Wie belist“ handeln von Neonazis in den Niederlanden. Gab es auch rechte Tendenzen in der Punk-Szene?
Ruud: Es gab einige rechte Tendenzen, aber mehr in der Skinhead-Szene. Wir haben einmal einen Auftritt in einem Punk-Jugendzentrum in Rotterdam gespielt, wahrscheinlich 1986, das war das einzige Mal, dass ich mich erinnern kann, dass ich mich an einem Konzertort mehr oder weniger unwohl gefühlt habe.

Gibt es Texte beziehungsweise Songs, die ihr so heute nicht mehr schreiben oder auch spielen würdet?
Ruud: Zunächst muss ich sagen, dass die meisten Texte von Rick, unserem Bassisten, geschrieben wurden. Einige von ihnen basieren auch auf Ideen der anderen. Heutzutage unterschreibe ich den Text von „Klitten“ nicht mehr – „Lasst uns in den großen Läden und Supermärkten klauen gehen“ –, aber ich würde den Song immer noch spielen, weil er so schnell ist, dass wahrscheinlich nie jemand den Text verstanden hat oder jemals verstehen würde. Aber ich wünsche mir immer noch, dass Shell so schnell wie möglich von unserem Planeten verschwindet, zusammen mit einigen weiteren der Multi-Death-Corporations ...

Eure LP „Op Oorlogspaad“ habt ihr 1985 in Eigenregie veröffentlicht? Warum habt ihr euch dafür entschieden? Wie habt ihr die Aufnahmen in Erinnerung?
Ruud: Kurz nach der Veröffentlichung unserer EP „Nieuws Voor Doven En Slechthorenden“ verließ unsere Sängerin Marjolein die Band. Mit Anneke haben wir eine großartige Nachfolgerin gefunden. Die Band wuchs immer mehr zusammen und wurde besser, also wollten wir diese große Anstrengung auf uns nehmen. Dies wurde dadurch konterkariert, dass Jeroen uns mitteilte, dass er die Band verlassen wolle. Also nahmen wir „Op Oorlogspad“ teilweise mit unserem neuen Schlagzeuger Stijn de Jong, mit Pablo, und teilweise mit Jeroen auf. Ich erinnere mich an die Aufnahmen als sehr intensiv. Wir waren alle noch in der Schule oder im Studium, die Aufnahmen waren, glaube ich, in den Schulferien geplant ... Unser Produzent Martin Cramer war ein wenig überarbeitet und schlief während einer der Sessions ein. Die Songs wurden auf einer Achtspur-Maschine im Zentrum von Amsterdam, um die Ecke des Anne-Frank-Hauses, eingespielt.

1986 erschien die „Nacht und Nebel“-EP auf Diehard Records. Warum habt ihr diesen Titel gewählt?
Ruud: Der Titelsong „Nacht und Nebel“ handelt von Menschenrechtsverletzungen. Das geschah damals überwiegend in den diktatorischen Regimen in Argentinien und Chile, aber auch in der DDR gab es damals noch politische Gefangene. Ich empfehle allen einmal das Stasi-Museum in Leipzig zu besuchen. Auf dem Text- und Übersetzungsfaltblatt haben wir Menschen ermutigt, Mitglied von Amnesty International zu werden. Der Begriff „Nacht und Nebel“ entstand aus einer Strategie der Nazis, politische Gefangene spurlose verschwinden zu lassen.

Die Chaostage 1984 in Hannover waren für viele ein einschneidendes Erlebnis. Haben sich diese Chaostage auch bei euch bemerkbar gemacht? Und gab es in Holland auch Punktreffen dieser Art?
Ruud: Ich habe die Chaostage nicht besucht und ich glaube, keiner meiner Bandkollegen und anderen Freunde. Soweit ich weiß, hatten wir in Holland keine so großen Punkertreffen.

Im Rückblick: Wie war es für euch, in den Achtzigern in einer Punkband gespielt zu haben?
Ruud: Es war eine großartige Erfahrung. Ich habe viele Leute aus verschiedenen sozialen Schichten kennen gelernt, auch heute habe ich noch viele Freundschaften, die in dieser Zeit entstanden sind. Ich habe viel über Menschen, Politik, die Medien und die Betrachtung von Themen aus verschiedenen Perspektiven gelernt.
Anneke: Es war großartig. Wir haben so viele Leute getroffen und uns mit ihnen angefreundet, mit einigen von ihnen sind wir heute noch befreundet! Wir hatten die Gelegenheit, viele, viele Bands zu sehen und sind in vielen Ländern getourt.

Auf Grand Theft Audio ist 2008 die „Total War Path“-CD erschienen? Wie ist diese Compilation zustande gekommen und warum?
Ruud: Irgendwann im Jahr 2000 bekam ich diesen seltsamen Anruf von einem Brian, der GTA macht. Ich muss zugeben, dass er gute Arbeit geleistet hat, um mich zu finden, denn ich wohnte nicht mehr in Hoorn, die Adressen, die auf unseren Platten abgedruckt waren, waren nicht mehr aktuell, auch unsere Familien lebten dort nicht mehr. Und die Telefonnummern hätten ihn im besten Fall in das Altersheim Avondlicht – „Das Licht des Abends“ – führen können, wo meine Eltern damals wohnten. Wenn ich mich recht erinnere, hat er uns über Jeroen gefunden, ich weiß nicht, wie er ihn aufgespürt hat ... Wir mochten die Idee, unser Vinyl-Material auf CD wiederzuveröffentlichen, und wir hatten auch eine recht gut aufgenommene Live-Show. Zu viel Material für eine CD, etwas zu wenig für eine Doppel-CD, also beschlossen wir, einige neue Lieder aufzunehmen – wusstet ihr, dass Anneke bei einem dieser Stücke Gitarre spielt? Solange wir ein paar Exemplare übrig haben, können die Leute sie bei uns kaufen, zu einem fairen Preis. Es gibt derzeit keine Überlegungen, unser Material neu zu veröffentlichen, aber jeder, der daran interessiert ist, kann uns anrufen. Wir haben alle Master zu Hause ...
Anneke: Ja, wir haben noch einige, ihr findet uns auf Facebook und wir sind auch auf Spotify.

Seid ihr heute noch musikalisch aktiv?
Ruud: Soweit ich weiß, ist Rick der Einzige, der mit seiner Band STAKBABBER noch aktiv ist. Sie haben 2019 eine neue 12“-LP veröffentlicht. Ich bin immer noch Mitglied der Band HOLLAND ELEKTRO, aber wir schreiben derzeit weder neue Songs noch gibt es Live-Shows. Schaut bei Interesse mal Spotify oder seht euch die Clips auf YouTube an.

Käme eine Reunion für euch in Frage?
Ruud: Sag niemals nie, aber ich glaube nicht. Vielleicht wenn wir in den Sechzigern sind ...
Anneke: Etwa fünf Jahre nach unserer Auflösung, 1992, haben wir zwei Reunion-Gigs in Belgien gespielt, und das hat sehr viel Spaß gemacht. Und 2003 spielten wir ein kurzes Set in der Hans-Engel-Gedenkstätte für unseren ermordeten Freund von VERNON WALTERS in Hoorn.

Wie sieht es mit euren früheren Bandkolleg:innen aus? Habt ihr noch Kontakt?
Ruud: Normalerweise treffe ich Anneke und Co. – wie Marcel, unseren ehemaligen Tonmann – ein paar Mal im Jahr, und wir haben immer eine tolle Zeit. Wir kontaktieren einander regelmäßiger auf digitalem Weg. Die beiden anderen treffe ich etwa einmal im Jahr. Wir hatten geplant, im Frühjahr dieses Jahres zu fünft nach Hamburg zu fahren, um unsere früheren Auftrittsorte zu erkunden und weitere Erinnerungen zu sammeln, aber das Corona-Virus blockierte dieses Wiedersehen.
Anneke: Letztes Jahr fuhren wir mit der INDIREKT-Crew nach Belgien und hatten eine tolle Zeit; wir trafen dort auch einen alten Freund aus den Punk-Tagen! Ich bin nicht mehr in einer Band, sondern organisiere seit mehr als dreißig Jahren Festivals und Auftritte in Hoorn.

Ihr habt in eurem Song „Zwart/Wit“ die jahrhundertlange Unterdrückung von Frauen thematisiert. Wie männlich/machistisch oder emanzipatorisch habt ihr die damalige Szene wahrgenommen?
Ruud: Meiner Ansicht und meinen Erinnerungen nach war die Punk-Szene in Hoorn ziemlich emanzipatorisch und wir betrachteten alle Individuen als gleichwertig, aber diese Frage lässt sich besser aus Annekes Perspektive beantworten.
Anneke: Es gab überhaupt keine Probleme, alle waren gleich. Aber wenn wir in Deutschland oder Belgien auf Tournee waren, bestand das Publikum zu 80 % aus Männern, ich habe nicht viele Frauen gesehen, aber es gab nie Probleme.

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Nacht und Nebel
Der später so genannte Nacht-und-Nebel-Erlass, nach dem die 7“ „Nacht und Nebel“ von 1986 benannt ist, war ein „Führererlass“ des Deutschen Reiches, verordnet am 7. Dezember 1941 als geheime Richtlinien für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten. Danach wurden rund 7.000 des Widerstands verdächtige Personen aus Frankreich, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und Norwegen nach Deutschland verschleppt und dort heimlich abgeurteilt oder bei erwiesener Unschuld in Haft behalten, ohne dass die Angehörigen irgendwelche Auskünfte erhielten. Ihr spurloses Verschwinden diente der Abschreckung. (Quelle: Wikipedia)

Diskografie
„Nieuws Voor Doven En Slechthorenden“ (7“, Ko-Rec, 1984) • „Op Oorlogspad“ (LP, Not On Label, 1985) • „Nacht und Nebel“ (7“, Diehard, 1986) • „Present History“ (Split-LP w/ VERNON WALTERS, Let’s Make Our Own, 1987) • „Total War Path“ (2CD/Comp, Grand Theft Audio, 2008)