Während viele Menschen lediglich über den Klimawandel jammern, setzen IN HEARTS WAKE auf ihre Texte als Waffe gegen den weltweiten Hitze-Suizid – nicht zuletzt auch mit ihrem neuen Album „Kaliyuga“. Sänger Jake erzählt uns, wieso wir angesichts dieser nahenden Umweltkatastrophe neuen Respekt für Mutter Erde entwickeln müssen und wie sich die momentane Situation auf den Schreibprozess ausgewirkt hat.
Euer kommendes Album heißt „Kaliyuga“, was die hinduistische Bezeichnung für das letzte und gleichzeitig schlechteste und dunkelste Zeitalter der Welt ist. Angesichts der ökologischen Entwicklung der letzten Jahre und der aktuellen gesellschaftlichen Vorkommnisse passt der Titel wie die Faust aufs Auge.
Wir haben mit den Aufnahmen ungefähr vor zwei Jahren angefangen und in dieser Zeit lebten wir für ein Jahr sehr weit getrennt voneinander. Ich lebte damals in den USA und die anderen in Australien. Jeder von uns durchlief zu diesem Zeitpunkt unterschiedliche Phasen. Ich war zum Beispiel viel in der Wildnis und dort teilweise für vier Tage nur mit Wasser im Gepäck unterwegs. Gerade aus solchen Erfahrungen resultierten viele Dinge, die wir auf einem Album öffentlich ansprechen wollten. All diese Einflüsse, die wir zusammentrugen, waren Geschichten einer modernen Dystopie. Als wir dann Ende 2019 fast fertig waren, brachen die Waldbrände in Australien aus und uns war klar, dass wir tatsächlich Kaliyuga erreicht hatten. Kaliyuga ist aber nicht direkt die schlechteste Ära. Es gibt einen Kreislauf aus vier Zeitaltern, die sich stetig wiederholen, und Kaliyuga ist das letzte davon. Vielmehr ist jetzt der Zeitpunkt, um reflektiert in sich zu gehen, um als Gemeinschaft die dystopischen Herausforderungen zu meistern. Der Mensch ist so eine intelligente Spezies und es ist ja nicht alles schlecht. Trotzdem stehen wir nun an einem Punkt, wo wir uns an die neuen Begebenheiten anpassen müssen, um zu überleben.
Auf dem Cover von „Kaliyuga“ sieht man eine moderne Version der Göttin Shiva, die in ihren Händen viele der Dinge hält, die für Klima- und Gesellschaftskrisen verantwortlich sind; Geld, eine Waffe, einen Zapfschlauch, eine Plastikflasche. In zwei Armen hält sie ein Kind, das eine Gasmaske trägt. Wie unterstreicht diese Symbolik die Bedeutung des Albums?
Das Kind steht für die Menschheit. Dass die Maske mittlerweile so treffend ist, haben wir damals natürlich noch nicht gewusst, aber als wir das Albumcover designt haben, war die Botschaft dennoch dieselbe. Und Shiva ist die Mutter, die aufzeigt, dass wir mit unserem Leben spielen, indem wir die anderen Dinge in ihren Händen nicht verantwortungsvoll nutzen. Die Plastikflasche steht hierbei zum Beispiel für die gesamte Umweltverschmutzung und was wir unserem eigenen Planeten damit antun. Auch Geld an sich ist nicht pauschal schlecht. Aber in den falschen Händen und bei der falschen Verwendung kann es vieles aus dem Gleichgewicht bringen.
IN HEARTS WAKE haben bereits drei Songs des Albums veröffentlicht, die sich perfekt in die Thematik einfügen. Einer von ihnen ist „Son of a witch“, dessen Titel nicht direkt den Inhalt verrät. Worum geht es in diesem Song und warum trägt er diesen Namen?
Die Inspiration kam während der Waldbrände in Kalifornien, wo ich zu der Zeit gelebt habe. Ich weiß noch, wie ich in meinem Hinterhof saß und versuchte, so entspannt wie möglich zu bleiben, aber gleichzeitig Ascheregen auf mich niederging. Es fühlte sich wie ein Warnsignal an, das uns zeigte, wie schlecht wir mit der Umwelt umgehen. Die Menschen bekämpften die Feuer als natürliches Element wie einen erbitterten Feind – so wie wir es mit der Natur oft tun. Aber die Hauptinspiration für den Song war meine Mutter. Sie war jemand, die sich eben nicht an die Konventionen ihrer Zeit hielt und nicht das tat, was andere ihr auftrugen, sondern ihre persönlichen Werte vertrat und auch für sie einstand. „Son of a witch“ – um den Bogen zur Natur zurückzuschlagen – bezieht sich auch auf die Unterdrückung von Mutter Erde im direkten Vergleich zu der gesellschaftlichen Benachteiligung von Frauen. Und gerade jetzt merkt die Gesellschaft, dass das Patriarchat eben nicht mehr funktioniert, und genau so ist es auch mit der Unterdrückung der Natur, die sich dagegen wehrt. Der Song sollte Achtsamkeit für diese Umstände erzeugen. Die Erde ist unsere Mutter, hat uns geboren und verdient einen respektvolleren Umgang.
Eurer letztes Album, das 2017 veröffentlicht wurde, trägt den Titel „Ark“, ein Begriff, der besonders in biblischer Hinsicht mit der Rettung von Natur und Gesellschaft vor einer nahenden Katastrophe in Verbindung gebracht wird. Die Thematik ist also sehr ähnlich. Was hat sich seit „Ark“ verändert?
„Ark“ hat die Erde als ein Schiff betrachtet, das alle natürlichen Dinge trägt. Bereits damals war die Botschaft, dass wir uns auf einen Sturm zubewegen. Die Frage war nur, wer das Schiff dort hindurch steuern wird. Thematisch richtete sich das Album auch primär an unsere Ozeane und deren zunehmende Verschmutzung. „Kaliyuga“ kann hingegen sowohl ökologisch als auch gesellschaftlich verstanden werden. Ich meine, alles, was wir gerade tun, führt uns auf dieses Zeitalter zu. Auch die Feuer und Waldbrände stehen jetzt eher im Fokus. Wie eben bereits gesagt: „Kaliyuga“ fungiert hauptsächlich als Weckruf, dass wir unser Verhalten ändern und beispielsweise unseren ökologischen Fußabdruck verringern müssen – weniger ist in dem Fall definitiv mehr!
Wie ihr bereits auf Social Media gesagt habt, war euer Hauptziel bei der Produktion von „Kaliyuga“, euren CO2-Fußabdruck so gut es geht zu minimieren. Was habt ihr dafür unternommen und würdest du sagen, dass ihr dieses Ziel erreicht habt?
Natürlich war ein komplett klimaneutrales Album unser Ziel, aber es ist eine fortlaufende Reise und auf jedem Weg gibt es Hindernisse. Wir wussten nie genau, ob und in welchem Ausmaß es letztendlich klappen würde. Ich würde deshalb nicht direkt sagen, dass wir das Ziel erreicht haben. Wir befinden uns noch im Lernprozess und besonders das Touren mit dem Album wird noch einmal eine riesige Herausforderung. Beispielsweise diese Nebelkanonen auf der Bühne? Pures Kohlendioxid! Es passt einfach nicht zusammen, wenn man diese Songs performt und dann diese Kanonen abfeuert, haha! Für die Albumproduktion konnten wir alles recht gut kalkulieren und minimieren – den Strom, das Licht, die Flüge, die gefahrenen Kilometer. Wir haben durch Investitionen in ein Projekt zur Wiederaufforstung zumindest versucht, diese Outputs weitestgehend auszugleichen. Auch die Materialen und Verpackungen des Albums sind zu 100% recyclebar.
Was kann darüber hinaus bezüglich Nachhaltigkeit in der Musikindustrie noch getan werden, sowohl bei der Musikproduktion als auch auf Tour?
Ein guter Anfang wäre, alle umweltschädigenden Outputs genau zu kalkulieren. Wenn man einen detaillierten Überblick über seine eigenen Emissionen hat, kann man seinen Fußabdruck gezielt minimieren. Das ist definitiv der beste Ansatz – auch für Bands. Ich würde auch super gerne Venues sehen, die diesen Ansatz verfolgen. Natürlich sind die Einwegplastikbecher praktischer und günstiger, aber eine andere, nachhaltige Option wäre besser für die Umwelt und würde somit auch mehr Touren im Rahmen des ökologisch Möglichen erlauben. Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollten wir lieber alle unser Bestes geben. Keiner ist perfekt, aber wir können dazulernen und uns Schritt für Schritt einer umweltfreundlichen Zukunft der Musik annähern.
Was kann Musik deiner Meinung nach bewirken, wenn man sich mit dem ökologischen Suizid, Polizeigewalt, Rassismus und Korruption konfrontiert sieht?
Musik ist so ein machtvolles Instrument. Sie ist fast wie eine Zeitkapsel, mit der man beispielsweise in die Sechziger zurückreisen kann und einen kleinen Einblick in die Zeit erhält, in der so viel an Unterdrückung bekämpft und neue Rechte in Kraft getreten sind. Wir Künstler haben somit eine riesige Verantwortung, da wir musikalisch indirekt ein Bild der Zukunft malen, in der wir leben wollen, indem wir die Gegenwart kritisieren. Musik schafft genau für solche Botschaften eine super Community und kein Künstler sollte eine Idee, die ihm am Herzen liegt, verwerfen. Das gilt auch für Filmemacher oder Designer. Diese Kunstform dient uns als Spiegel und wir sollten dabei nicht mit dem Finger auf andere Leute zeigen, sondern einen Anstoß zur Konversation und Diskussion bieten.
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