Zwei Jahre nach der 11-Track-EP „Lippenbekenntnisse“, dem grandiosen ersten Lebenszeichen, der Münsteraner, verpassen sie uns nun mit ihrer zweiten 7“ „Wenn endlich alles wertlos ist“ den nächsten Schlag ins Gesicht. Sänger Markus und Bassist Ben sprachen mit uns.
Wer und was steckt hinter ILL!?
Ben: Fünf Jungs aus Münster, Essen und Osnabrück. Wir bedienen wir uns bei allen harten Musikrichtungen, die uns begegnen. Im Prinzip machen wir Hardcore-Punk, wir nennen es gerne Fastcore. Neben klassischen Punk-Rhythmen und -Riffs ballern wir auch viele dazu Blastbeats und andere eher metallische Parts. Hauptsache abwechslungsreich, spannend, kurz und trotzdem – oder gerade deswegen – nachvollziehbar.
Markus: Gegründet haben wir uns vor mittlerweile vier Jahren. Wir waren letztens schon ganz schön verblüfft, als Facebook uns gesagt hat, wie alt wir sind. Alle von uns haben vorher in Bands gespielt, die irgendwie etwas flotter waren, mit Geschrei und so. Durch gemeinsame Konzerte hat man sich dann kennen gelernt und irgendwann haben wir dann gemerkt, dass uns das Spaß macht. Und dass es zwischenmenschlich auch – meistens – gut läuft. Dann kamen die ersten Shows, ein schöner Bulli und viel netter Zuspruch.
Was ist bei der neuen Platte besser als beim Debüt?
Markus: Alles. Vielleicht sind aber auch beide gleich gut. Oder schlecht. Je nachdem, wen man fragt. Die Songs sind etwas abwechslungsreicher und es steckt mehr Detail im Songwriting. Alles funktioniert aber definitiv besser, wenn wir live spielen. Erst dann entfaltet sich die volle Energie.
Ben: Besser ist auf jeden Fall das Songwriting, das denke ich auch. Wir haben uns als Band besser gefunden und sind im Laufe der Zeit wirklich gute Freunde geworden. Eine Liebesbeziehung quasi. Das hört man im Ergebnis dann auch, finde ich. Außerdem ist das Cover besser. Der großartige Johannes Stahl hat es für uns gemalt, Tusche auf Papier. Es ist nicht so provokativ wie das erste mit Jesus und dem Papst, transportiert aber eine eindeutige und richtige Aussage. Es trifft künstlerisch wie auch politisch genau meinen Geschmack. Eigentlich ist das Cover schon Grund genug, sich die Platte zu kaufen und an die Wand zu hängen.
Wie ist das mit den Texten. Wie viel Alltag steckt da drin?
Markus: Sehr viel. Nicht ausschließlich persönlich erlebte Momente, aber auf jeden Fall Geschichten aus der heutigen Zeit. Es gab ja immer schon viel Schlechtes auf der Welt, aber irgendwie wird alles immer abgefuckter. Das bietet schon viel Stoff zum Schreiben. Manchmal ist es auch einfach Unzufriedenheit, die in den Texten steckt.
Ben: Aber nicht nur die Texte, alles, was die Band betrifft, ist Alltagsbewältigung. Die Proben sind ja auch ein „privater“ Austausch untereinander, und wir ballern uns jeden Stress vom Leib, wenn wir an die Instrumente gehen. Wir proben auch wahnsinnig laut – dumm, aber es fühlt sich gut an. Man entwickelt ein positives Lebensgefühl, wenn man das Schlechte rauslassen kann.
Um was geht es bei „Bestes Pferd“?
Markus: Im Kern geht es um die Leistungsgesellschaft. Hier in Form eines Pferdes, das mit Peitschen und Fußtritten zur Höchstleistung getrieben wird. Bei uns Menschen kann man dann „Peitschen“ durch „Geld“ ersetzen und „Fußtritte“ durch „Sicherheit“. So verstreichen dann die Jahre, bis man irgendwann gar nicht mehr springen kann.
Was mir sehr in Erinnerung blieb: „Die Fernbedienung ist mein Schwert.“ Was schauen sich die Jungs von ILL! im Fernsehen an und warum beziehungsweise warum nicht?
Markus: Ein paar von uns gucken sicher hin und wieder mal dieses „Trash-TV“. Allerdings verabscheue ich das für meinen Teil aufs Übelste. Ob es nun um Heidi Klum, Dieter Bohlen oder sonst irgendwelche Zirkusdirektoren geht, die zur Menschenschau einladen. Eigentlich bin ich nicht für Gewalt, aber die gehören wirklich alle ganz doll verprügelt. Wenn das dann auch im Fernsehen übertragen wird, würde ich es mir vielleicht sogar anschauen. Die Fernbedienung hat die Macht, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Mit nur einem einzigen Knopfdruck. Aber über irgendwen muss doch geredet werden, deswegen wird das mit dem Ende wohl leider nicht passieren.
Ben: Ich fand dieses „Trash-TV“ recht lange ganz unterhaltsam. Aber letztendlich ist es vergeudete Lebenszeit, das habe ich begriffen und mache den Fernseher nur noch selten an. Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine Reihe wichtiger Dokus, die gut für die Bildung sind. So was sehe ich gerne, das befriedigt meine Neugierde, wenn ich zu müde zum Lesen bin.
Viele mögen meinen: Zwölf Songs unter einer Minute, zack, die 7“ ist doch an einem Tag geschrieben. Wie läuft das tatsächlich?
Markus: Eigentlich haben wir die Platte auch an einem Tag geschrieben. Wir proben jeden Dienstag und bekommen fast jedes Mal eine 7“ fertig. Wir haben also noch Tonnen an Material, das nur darauf wartet, aufgenommen und gepresst zu werden. In Wirklichkeit läuft es aber wie bei jeder anderen Band auch. Jemand bringt eine Idee mit, und der Rest wird einfach im Raum weitergestrickt. Durch die Einfälle des einen, bekommt der andere wieder neue und so weiter und so weiter. Ziemlich geil eigentlich. Wenn ein Song dann steht, wird nochmal kurz überlegt und eventuell etwas verfeinert – und fertig ist die Nummer. Manchmal läuft es wie von selbst und manchmal auch einfach gar nicht.
Bei so kurzen Tracks bleibt relativ wenig Raum für Variation. Ist die Gefahr nicht groß, dass einer wie der andere klingt und man dann nur noch den mit dem „langsamen“ Eröffnungsriff im Kopf behält.
Ben: Dass es beim Songschreiben so fluffig läuft, hängt damit zusammen, dass wir alle ziemlich gleich fühlen, wie ein ILL!-Song klingen soll. Da gibt es erstaunlich wenig Diskussionen. Trotzdem sind wir alle sehr unterschiedliche Individuen mit teilweise sehr abgefahrenen musikalischen Geschmäckern. Wir versuchen, uns generell bei jedem Riff auf das Wesentliche zu reduzieren, den Punkt zu treffen. Aber letztendlich ist es so, wie Markus sagt: Das Arrangieren eines Songs, was gemeinsam im Proberaum geschieht, ist der ausschlaggebende Moment, wo ein Riff, eine Idee, zum Song wird. Zu unserem Song.
Was habt ihr 2018 vor mit ILL!?
Ben: Weiter Songs schreiben, eventuell eine Split-Platte rausbringen, wobei die Partnerband noch ungewiss ist. Natürlich auch weiter Shows spielen. Wir haben eine Menge Ideen und Bock.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Michael Echomaker
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #120 Juni/Juli 2015 und Michael Echomaker
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Michael Echomaker