Es war längst überfällig, über eine der ältesten 2-Tone-Bands zu berichten. THE HOTKNIVES haben es nie gescheut, neue musikalische Einflüsse in ihre poppigen Singalongs zu mischen und wirken deshalb mit jedem Album erfrischend jung. Während der steigenden Popularität des sogenannten zweiten Ska-Revivals Ende der achtziger Jahre wurde ihr erstes Studioalbum „The Way Things Are“ veröffentlicht, das aufgrund des bald darauffolgenden Splits 1991 nie live gespielt wurde. Doch schon ein Jahr später sollte sich eine bis heute so bestehende Besetzung finden, die innovativer nicht sein könnte: Mick Clare - Gesang/Gitarre, Richard „Bosky“ Allen - Keyboard/Gesang, Nigel „Clem“ Clements - Schlagzeug/Gesang und Mark Carew - Bass/Gesang. Melancholie gepaart mit kraftvollen Arrangements und persönlich-packenden Lyrics sind das Geheimrezept für die beste britische 2-Tone/Pop-Ska-Band: THE HOTKNIVES. Mick und Bosky, beide sehr smarte und sympathische Zeitgenossen, standen mir kurz vor dem Auftritt der SKATALITES in Rosslau routiniert Rede und Antwort...
Wie war euer gestriger Gig in Altötting?
Mick: Wunderbar. Das Publikum kannte alle Songs und sang kräftig mit. Wir hatten eine tolle Zeit in Altötting.
Bosky: Ein guter Veranstatungsort, großartig.
Von Altötting nach Brighton/England, in dem Ort, in dem ihr lebt.
Bosky: Richtig. Brighton ist innerhalb der letzten zehn Jahre zu einer Großstadt gewachsen. Es hat sich sehr viel dort verändert. Vor allem ist das Leben in Brighton sehr teuer geworden.
Mick: Viele Leute, die in London des besseren Verdienstes wegen arbeiten, kauften sich in Brighton Häuser. Durch die Nachfrage stiegen die Preise immens. Die Musikszene betreffend passiert in Brighton wenig, da die Clubs in England mittlerweile eine Lizenz für Livemusik benötigen, eine Genehmigung, deren Vorlagen einzuhalten sehr schwierig und zudem sehr teuer ist und für kleine Clubs unrentabel. Deshalb gibt es nur wenige Möglichkeiten für Bands, in Brighton zu spielen.
Nun mal zu euch. Warum müssen erst immer Jahre ins Land ziehen, ehe von den HOTKNIVES ein neues Album erscheint?
Bosky: Ich denke, wir wollen aus allem nur das Beste machen.
Mick: Wir sind einfach nur sehr faul! Nein, in den sechs Jahren zwischen „The Way Things Are“ und „Home“ waren hauptsächlich die zahlreichen Besetzungswechsel der Hauptgrund dafür. Die Leute verließen die Band, begaben sich auf falsche Wege... Wir formierten die Band erneut und komponierten neue Stücke. Später haben wir die alten Kontakte zu Ossi von Moskito Records, unserem jetzigen Label, aufgefrischt, und eines Tages waren wir in Deutschland und arbeiteten weiter.
Bosky: Die Aufnahmen zu „Screams, Dreams und Custard Creams“ wurden bereits über ein Jahr vorher fertiggestellt, als das Album veröffentlicht wurde.
Mick: Ossi arbeitete in dieser Zeit verstärkt daran, die Platte bei einem Majorlabel zu veröffentlichen. Für Leute, die ein weiteres Album erwarten, mag das sicherlich eine lange Zeit sein aber wir meinen, das Album ist gerade deshalb eine runde Sache geworden. Momentan sind wir dabei, neue Songs zu schreiben.
Gab es denn Alternativen, die Platte bei einem anderen Label zu veröffentlichen?
Mick: In Europa durchaus, aber zwischen uns und Ossi von Grover als Konzertbooker besteht bereits seit sehr langer Zeit ein gutes Verhältnis, so dass er uns anbot, wenn wir ein weiteres Studioalbum machen wollen, würde er das Album finanzieren und auf Grover veröffentlichen. Ossi kennt sowohl Publikum als auch die Szene. Das machte die Sache für uns einfacher, so dass wir zusagten. Somit sahen wir keinerlei Gründe, die Plattenfirma zu wechseln.
Bosky: Grover zählte zu den kleinen Labels als wir „Home“ veröffentlichten. Mittlerweile ist Grover zum größten Skalabel Europas herangewachsen. Deshalb sind wir wirklich stolz darauf, bei Grover unsere Platten veröffentlichen zu können.
Wann wird es ein neues Album von euch geben?
Mick: Im Frühling 2002.
Spielt ihr heute Abend davon schon Songs?
Mick: Nein. Wir haben sehr viele Ideen, deren Arrangements wir allerdings erst noch bei den Proben umsetzen müssen.
Und welche musikalischen Veränderungen wird das neue Songmaterial mit sich bringen?
Bosky: Es wird die eine oder andere Überraschung dabei sein, die wir jetzt jedoch natürlich noch nicht verraten wollen. Ihr dürft also gespannt sein.
Etwas davon aber könntet ihr doch schon preisgeben?
Mick: Es werden mehr akustische Aufnahmen mit dabei sein.
Bosky: Unplugged, sozusagen.
Habt ihr euch eigentlich mal Gedanken gemacht, wieder eine Bläsersektion hinzuzufügen?
Bosky: Das könnte immer mal möglich sein, ganz ausgeschlossen ist dies nicht. Vor zwei Jahren waren wir mit einer Bläsersektion im Studio, aber die Aufnahmen wurden bisher noch nicht veröffentlicht. Wir sind uns jetzt noch immer nicht ganz schlüssig, ob das nächste Album poppiger sein oder mehr Reggae- oder Skasongs enthalten wird, ob mit oder ohne Bläser. Diesbezüglich sind wir sehr experimentierfreudig und risikobereit.
Mick: Höre ich ein wirklich gutes Bläserensemble, kommt mir dieser Gedanke manchmal in den Sinn. Hingegen wenn ich einen schlechten Bläsersatz höre, bin ich froh, dass wir so einen nicht in der Band haben.
Also arbeitet ihr, wenn überhaupt, nur mit Gastmusikern?
Bosky: Die Bläsersektion von DR. RING DING nahmen für uns jetzt was auf. Wir haben es zwar noch nicht gehört aber ich bin mir sicher, dass es gut ist.
In der letzten Ausgabe des tschechischen Skinzines Bulldog berichtet ihr von Tourplänen in den USA und Japan. Was ist daraus geworden?
Bosky: Die Szene in den USA hat sich zwischenzeitlich sehr verändert. Wir haben davon gehört, dass es mittlerweile nicht mehr sehr interessant ist, als Skaband in die Staaten zu gehen. Japan hingegen klingt vielversprechender.
Mick: Schwieriger ist es, einen zuverlässigen Kontakt im jeweiligen Land herzustellen. Eine Person, die eine geeignete Konzertagentur ausfindig macht. Leute gibt es genug, die einem „versichern“, angeblich dies und das in die Wege leiten zu können, aber meistens passiert dann lange Zeit nichts dergleichen.
Aber seid ihr nicht der Meinung, dass Bands wie THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES oder LESS THAN JAKE die Türen auch für europäische 2-Tone- oder Skabands geöffnet haben?
Bosky: Durchaus, und die Bands, die wir aus den Staaten kennen sind auch der Meinung, dass wir es versuchen sollten. Aber so wie typische amerikanische Verantaltungen ablaufen, dies entspricht nicht ganz so unseren Vorstellungen. Man darf sich vor der Show nicht im Veranstaltungsraum aufhalten, man bekommt keinerlei Mahlzeiten oder Getränke, ähnlich wie in England.
Mick: Sicher wäre es eine großartige Erfahrung dort mal zu spielen, und auch wenn wir viele Ermunterungen bekommen, es doch mal auszuprobieren, hat es bisher noch nicht geklappt. Ossie versucht einen Bandaustausch zu organisieren, da doch sehr viele Bands aus den Staaten in Europa touren. Vielleicht wird´s ja doch noch was.
Wie vertreibt ihr euch die Zeit, wenn ihr nicht im Studio oder auf Tour seid?
Bosky & Mick: Mit Arbeit!
Mick: Ich bin ein „Holzmann“, ein Schreiner.
Bosky: Ich arbeite mit Computern, Ken, unser Schlagzeuger, ist Kraftfahrer und Mark macht alles mögliche.
Also „verschwendet“ ihr jetzt euren Urlaub?
Mick: Ich bin selbstständig und verliere jede Menge Geld, wenn ich auf Tour bin.
Bosky: Das Traurige an der Sache ist: würden wir auf dem Festland, in Deutschland oder in den Niederlanden leben, könnten wir unseren Lebensunterhalt mit unserer Musik finanzieren. So müssen wir erst einmal den Kanal überqueren, was schon wieder Mehrkosten bedeutet und von der Musik in England zu leben ist viel schwieriger als hier.
Ihr spielt mittlerweile mit Bands zusammen, deren jüngere Mitglieder bereits eure Kinder sein könnten...
Bosky: Was sie auch sind...
Mick: Das Schöne daran ist die Begeisterung dieser Bands zu erleben, verbunden mit einem gewissen Grad an Naivität. Irgendwie reizend mit anzusehen, und ich liebe es dies zu verfolgen, da für uns diese Zeiten unwiederbringlich geworden sind.
Nehmt ihr diese Bands auch ernst?
Bosky: Oh ja sicher. Ich finde, dass ist momentan eine sehr aufregende Zeit für Skamusik in Deutschland. Da gibt es Bands wie COURT JESTER´S CREW - brillante, junge Musiker. Dann spielten wir mit THE OPEN SEASON. Der jüngste Musiker war gerade mal 16 Jahre jung. Eine wirklich aufregend gute, phantastische Band. Die jungen Bands, die jetzt neu in die Szene kommen, verstehen es zu musizieren, was uns wiederum anspornt, auch selbst an uns zu arbeiten.
Erinnert euch mal zurück, als in den Achtzigern alles mit den HOTKNIVES begann. Was hat sich seit dieser Zeit Wesentliches, positives wie auch negatives, verändert?
Bosky und Mick: Wir sind alle älter geworden.
Mick: Mittlerweile ist das Publikum, das unsere Musik hört und unsere Konzerte besucht viel breiter gefächert und mit allen denkbaren Einflüssen verbunden.
Bosky: Egal ob man nun einen Film, eine Band oder was auch immer über einen längeren Zeitraum betrachtet, du kannst immer behaupten, es war mal besser. Realistisch betrachtet war die „gute alte Zeit“, wie sie so oft von älteren Menschen dargestellt wird, alles andere als besser.
Mick: Für mich ist das jetzt eine phantastische Zeit in der Band. Heute bin ich hier mit meinen Freunden und höre Musik, die wir alle so lieben. Und genau das ist es, was ich großartige Zeit nenne. Es gibt gute wie auch schlechte Zeiten: ständig auf Tour zu sein, wir wurden müde und hatten keine Lust mehr. Wir waren total unglücklich und verwirrt. Das war so gegen 1990, schrecklich. Da kam dann der Moment, wo ich mit der Band nicht mehr weitermachen wollte. Aber das ist Vergangenheit, denn heute in dieser Besetzung ist es besser denn je. Großartig!
Die SKATALITES spielen bereits und deshalb möchte ich eure Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Vielen Dank für dieses Gespräch und ich freue mich auf euren Auftritt!
Und es war ein großartiger Auftritt der HOTKNIVES, den ich auf dem Bühnenaufgang gemeinsam mit Veranstaltern und Mitgliedern aller Bands erleben durfte …
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