Am 21. September 2000 erlebte ich im Münsteraner Gleis 22 eines der besten Konzerte meiner Punkrockkarriere! Protagonisten waren die COLUMBIAN NECKTIES aus Dänemark und die HOT POCKETS aus Groningen (3/4) und Montreal (1/4). An diesem Abend lernte ich auch noch Robert von der Giesen kennen, seines Zeichens Gitarrist der HOT POCKETS. Na ja, ehrlich gesagt hab ich Robert gnadenlos vollgelabert, weil ich sturzbetrunken war. Seitdem begrüßt er mich auch bei jedem Treffen fast nur noch mit „Vollidiot“ oder ähnlichen holländischen Nettigkeiten, aber eigentlich muss ich sagen, dass er ein ganz netter Kerl ist.
Und wenn er das nicht wäre, würde ich ihn allein schon wegen seiner Verdienste für den Rock‘n‘Roll dafür halten, denn seine Band veröffentlichte um die Jahrtausendwende mehrere ausgezeichnete Singles und die beiden grandiosen Alben „Mess of Fire“ (auf Screaming Apple) und „Kiss‘n‘Run“ (auf Alien Snatch). Da Robert auch ständig mit anderen Bands unterwegs ist, trifft man ihn recht oft auf Konzerten, allerdings ist es um seine eigene Band in letzter Zeit verdächtig still geworden. Von daher war es mal an der Zeit, den letzten Stand der Dinge bei ihm zu erfragen. Die schlechte Nachricht vorweg: Die HOT POCKETS gibt es nicht mehr! Dazu Robert: „Wir haben uns zwar nicht aufgelöst, aber die Tatsache, dass Adam in Montreal lebt, und dass wir alle sehr mit dem beschäftigt sind, was wir sonst so machen, hat der Band nicht unbedingt geholfen.“ Ein bisschen Hoffnung macht er dann aber doch noch: „Die HOT POCKETS waren schon immer mehr eine Geisteshaltung als eine echte Band, also werden wir wohl nie sterben. Falls es irgendwann mal wieder passiert, dass wir alle in einem Raum zusammenkommen, werden wir mit Sicherheit versuchen, irgendwelchen Müll aufnehmen. Aber im Großen und Ganzen: Don‘t hold your breath for another sign of life from THE HOT POCKETS.“
Da stellt sich natürlich gleich die Frage, ob die Band bereits alles rausgebracht hat, was sie jemals aufgenommen hat, oder ob da noch posthume Veröffentlichungen kommen. „Es gibt da noch einen extrem schlechten Song, den versuchen wir noch auf irgendeine Compilation zu kriegen, falls mal jemand fragt. Der ist echt so schlecht, dass er schon wieder lustig ist.“ Ein Abschiedskonzert wird es wegen der erwähnten geographischen Probleme allerdings nicht geben. Die Tatsache, dass Adam Gold, der kanadische Gitarrist und Sänger der HOT POCKETS, vorher bei den legendären SPACESHITS tätig war, lässt bei mir noch die Frage aufkommen, ob Robert denn auch die HOT POCKETS als Post-SPACESHITS-Band sieht, wie z.B. die LES SEXAREENOS, DEL-GATORS oder vielleicht auch KING KHAN & HIS SHRINES. „Überhaupt nicht! Das ist den erwähnten Bands gegenüber nicht böse gemeint, aber ich würde es hassen, wenn man das so sieht. Adam ist bei den SPACESHITS bereits vor deren Europatour ausgestiegen, und er ist für sich allein ein einzigartiger Musiker. Wie alle anderen von ihnen auch, aber die HOT POCKETS waren auf jeden Fall ein ganz eigenes Ding. Die HOT POCKETS waren ja auch nicht eine Post-STIPJES, -FIREBIRDS, -GRAVEDIGGERS oder -KRONTJONG DEVILS-Band, nur weil die anderen Mitglieder mal in diesen Bands gespielt haben oder noch spielen.“
Was Adam zurzeit treibt, weiß Robert übrigens auch nicht: „Ich habe keine Ahnung. Er war drei Monate in L.A., und noch für einen Monat in irgendeinem exotischen Land, glaube ich.“ Robert selbst ist aber bereits mit neuen Sachen beschäftigt: „Ich und Gerry, unser Bassist, haben tatsächlich Pläne für eine neue Band. Arnold würde dort auch Schlagzeug spielen. Wir versuchen noch jemanden, dessen Namen ich hier noch nicht nennen kann, zu überzeugen, in der Band Gitarre zu spielen. Im Moment hatten wir aber keine Zeit, wirklich etwas auf die Beine zu stellen. Ich hoffe, dass ich nach dem Sommer mal längere Zeit Zuhause bin, dann werden wir definitiv versuchen, dieses Ding zum Laufen zu kriegen. Wird wohl nichts überraschend Neues werden, denke ich. In etwa dasselbe, nur anders.“ Was Robert allerdings zurzeit am meisten in Atem hält ist seine neu gegründete Booking-Agentur Kiss‘n‘Run: „Ja, das Booking nimmt mich zeitlich sehr in Anspruch. Glücklicherweise, muss ich sagen, seitdem ich mich dazu entschieden habe, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich hab schon immer hier und da mal Touren organisiert, für Freunde wie die ZODIAC KILLERS, COLUMBIAN NECKTIES, COOL JERKS – aus den USA –, MARKED MEN und damals auch die SPACESHITS und REGISTRATORS, SHAKE APPEAL, sogar die REATARDS und PERSUADERS. Das war aber mehr oder weniger ein Hobby, neben dem jeweiligen Job, den ich zu der Zeit gerade hatte. Aber seit letzten Herbst, als ich anfing an der SCAT RAG BOOSTERS-Tour zu arbeiten, und etwas später an der Tour der LITTLE KILLERS, habe ich versucht, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und bis jetzt läuft es ganz okay. Das ist nichts, womit man reich wird, aber man kann damit die Miete bezahlen und davon was zu essen kaufen. Und es macht echt Spaß. Ich bin ein Kontrollfreak, und organisieren kann ich halt am besten, haha. Im Augenblick arbeite ich an der Tour der GHETTO WAYS, und die BLACK LIPS sind im Moment für fast acht Wochen unterwegs. Und nach dem Sommer stehen die Tour der LEG HOUNDS mit den RADIO REELERS, eine Tour von THEE FLYING DUTCHMEN, SOUTH FILTHY und VIVA L‘AMERICAN DEATH RAY MUSIC an. Außerdem noch Touren von den MINDS, MOJOMATICS, BASEBALL FURIES und REAL LOSERS.“
Eine interessante Auswahl – oder Zufall? „Die meisten dieser Bands spreche ich selber an, einfach aus dem Grund, weil ich sie mag, und ich sie rüber nach Europa holen möchte. Das ist für mich das wichtigste Kriterium: Ich muss die Band mögen. Mir schreiben auch Bands, ob ich nicht eine Tour für sie buchen könnte, aber meistens erteile ich denen eine Absage. Das ist dann nicht böse gemeint. Meistens hatte ich vorher nicht mal was von ihnen gehört, oder sie wollen touren, obwohl sie erst eine Single draußen haben, oder ich mag sie einfach nicht. Ich bin da sehr wählerisch, und habe auch noch einen echt schlechten, engstirnigen Musikgeschmack, haha. Es ist nicht so, dass du eine Menge Platten rausgebracht haben musst, aber ich muss schon das Gefühl haben, dass ich die Band ‚verkaufen‘ kann. Ich muss wissen, dass viele meiner Freunde in Europa, die Shows veranstalten, die Band haben wollen, oder zumindest von ihnen gehört haben. Jede Band kann in Europa touren und dabei keinen Pfennig verdienen, oder jeden Abend für 50 Euro oder einen Doordeal spielen. Das kann sicherlich auch Spaß machen, aber weil das mein Job ist, muss ich halt auch ein bisschen Geld damit machen. Und ich will mir letztendlich einen Namen machen, so dass die Booker sagen können: ‚Hey, das ist eine von Roberts Bands, die nehmen wir!‘ Ziemlich anspruchsvoll, was?! Haha ...“ In diesem Jahr war Robert sieben Wochen mit der neuen Crypt-Band LITTLE KILLERS auf Tour. „Die Tour war der Hammer. Ein absoluter Erfolg. Und sie hatten alle ihren Spaß. Ich denke, sie würden nicht lange nachdenken, wenn sie wieder rüberkommen sollten. Aber bestimmt nicht noch mal für sieben Wochen.“ Das hört sich doch viel versprechend an. Wollen wir hoffen, dass es bald noch mehr gute Neuigkeiten aus Groningen-Rock-City gibt.
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