HORACE PINKER begleiten das Ox schon seit den frühen Neunzigern, und so nahmen wir ihr neues Album auf Arctic Rodeo zum Anlass, Gründungsmitglied und Drummer Bryan Jones zu bitten, uns mal entlang der Longplayer die Bandgeschichte zu erzählen.
Mit HORACE PINKER waren wir auf der ganzen Welt unterwegs, spielten in 21 Ländern, auf einigen der größten Festivals, veröffentlichten acht Alben und zwölf EPs, waren auf über 30 Samplern und zwei Video-Compilations vertreten, zu Gast in zahlreichen TV-Shows und unzählige Magazine schrieben Artikel über uns. Wir tourten mit AGENT ORANGE, JAWBREAKER, ALL SYSTEMS GO und teilten uns die Bühne mit Bands wie GREEN DAY, BAD RELIGION, FUGAZI, RISE AGAINST, BLINK-182, OFFSPRING, SAMIAM und JIMMY EAT WORLD, um nur einige zu nennen. Manche Leute behaupten zwar gerne, dass wir nie kommerziell erfolgreich waren und nie ausverkaufte Touren spielten, wie so viele unserer Weggefährten, aber davon lassen wir uns nicht unterkriegen. Wir trotzen den Trends und veröffentlichen weiterhin einfach Alben mit nachdenklichen Texten und kraftvoller Musik, die man nicht so einfach kategorisieren und in ein Genre stecken kann. Scott (Gesang, Gitarre) und Bill (Drums) gründeten die Band 1991 in Los Angeles, zogen aber kurz darauf nach Tempe, Arizona, und ich, Bryan, am Bass komplettierte das Line-up Anfang 1992. Nachdem wir anfangs immer nur im Westen der USA unterwegs waren, starteten wir 1992/93 unsere erste Tour durch das gesamte Nordamerika ... und haben seitdem einfach nicht mehr damit aufgehört.
„Powertools“
(1994, Justice Records)
Für unseren ersten Versuch, ein Album zu machen, wärmten wir viele unserer älteren Songs auf. Die waren bereits auf unseren ersten beiden 7“s „Forty-Seven“ und „Knives, Guns, And Ammo“ drauf. Wir nahmen alte Songs neu auf, schrieben neue Songs und verwendeten ebenfalls bereits existierende Aufnahmen für den Mix. Es war schwierig für uns, einen Mittelweg zu finden. Wir wollten unsere Lieblingssongs auf das Album packen, aber viele davon wurden schon auf 7“s und Compilations veröffentlicht. Da wir ständig unterwegs auf Tour waren, nahmen wir das Album in mehreren Sessions zwischen März und August 1993 im Groove Factory Studio von Steve Naughton in Phoenix, Arizona auf. Steve nahm damals lokale Bands wie uns, JIMMY EAT WORLD und MANDINGO für sein Label Fat Beat auf. Aus finanziellen Gründen konnte er unser Album nicht herausbringen, also erschien es im März 1994 bei Justice Records aus Houston, Texas. Mit der Veröffentlichung im Rücken gingen wir auf unsere erste Europatour, spielten erneut zahlreiche Tourneen in Nordamerika und veröffentlichten eine Split 7“ mit FACE TO FACE. Ende 1994 war Bill ausgebrannt vom ganzen Tourstress und verließ die Band. 1995 wechselte ich vom Bass ans Schlagzeug und Miguel verstärkte uns am Bass. Wir gingen erneut nach Europa und starteten unsere dreimonatige Tour mit einer Show auf dem Dynamo Festival in Holland. Fat Wreck Chords veröffentlichte die „I Hate Horace Pinker“-7“, OffTime unsere Splitsingle mit DOC HOPPER, und während wir abermals tourten, arbeiteten wir an neuem Material.
„Burn Tempe To The Ground“
(1996, Onefoot Records)
Die Aufnahmen zu unserem zweiten Album dauerten weniger als eine Woche. Wir verbrachten einige schlaflose Nächte im Studio der Achtziger-Band SAGA in Van Nuys, California. Ryan Greene von Fat Wreck produzierte. Manche der Songs hatten wir noch zusammen mit Bill geschrieben. Ins Studio gingen wir erst mit Miguel im Juli 1995. Das Album war viel glatter und in sich schlüssiger als „Powertools“, aber gleichzeitig scheiterten wir daran, die Energie so einzufangen, wie auf früheren Aufnahmen. Nach einigem hin und her veröffentlichten Onefoot das Album und wir gingen mit AGENT ORANGE auf Tour in den USA, Hawaii, Neuseeland, und Australien. Wir spielten außerdem auf der Popkomm in Deutschland, waren neben den MELVINS Co-Headliner des Innrock Festivals in Österreich und waren im Anschluss wieder auf groß angelegter Europatournee. Unsere insgesamt siebenmonatige Welttour endete im November in Norwegen. Wir entschlossen uns zu einer Pause und nahmen uns für 1997 eine Auszeit. Wir spielten nur eine einzige Show im Fireside Bowl in Chicago, zusammen mit FACE TO FACE. Wir teilten uns das Set mit einer relativ unbekannten Band namens AT THE DRIVE-IN, die auf meinem Label OffTime waren.
„Pop Culture Failure“
(2000, Jump Up Records)
1998 taten wir uns wieder zusammen, Matt stieß zur Band und übernahm die zweite Gitarre. Auf unserer Tour quer durch die USA spielten wir mit Bands wie SHYSTER, SPIDER VIRUS, AT THE DRIVE-IN, THREE YEARS DOWN, DYNAMITE BOY und WELT. Im Sommer verließ Miguel die Band und Karl kam hinzu, um uns beim Schreiben und Aufnehmen der nächsten Platte zu helfen. Im September nahmen wir mit Mass Giorgini unser drittes Album in den Sonic Iguana Studios auf. Die Aufnahmen dauerten über ein Jahr und es dauerte nochmals ein weiteres Jahr bis zur Veröffentlichung. Nachdem wir die Arbeiten am Album beendet hatten, übernahm Chris, der vorher bei JAWBREAKER spielte, den Bass. Während wir Shows im mittleren Westen spielten, hatten wir Probleme, ein Label zu finden. Schließlich veröffentlichten Jump Up Records die Platte im Juni 2000, gefolgt von einer 10.000-Meilen-Tour mit ALL SYSTEMS GO durch Kanada und den Westen der USA.
„Copper Regret“
(2000, Coldfront Records)
Das folgende Album nahmen wir bereits im Dezember 1999 innerhalb von zwei Wochen auf, wieder mit Mass in den Sonic Iguana Studios. Mit Chris am Bass erreichten wir ein neues Level an Qualität und es waren bis zum damaligen Zeitpunkt unsere besten Aufnahmen. „Pop Culture Failure“ und „Copper Regret“ wurden beide im Frühling 2000 veröffentlicht. Im Februar 20001 verließ Matt nach drei Jahren die Band und wurde durch Don ersetzt. Kurz darauf entschied sich Chris gegen ein Leben auf Tour, hörte auf und versetzte uns damit einen herben Schlag. Chris erklärte, er mochte das Touren mit JAWBREAKER schon nicht, als er noch trank, und nüchtern auf Tour mit HORACE PINKER zu sein fand er noch schlimmer. Einige Telefonanrufe und Schnäpse später begrüßten wir Greg in der Familie, flogen nach Europa und spielten dort die erste Show mit neuem Line-up. Greg passte als Neuling gut zur Band und mit ihm bewältigten wir das Chaos, das uns auf den zahlreichen Touren in den Jahren 2001/02 begegnete.
„Red-Eyed Regular“
(2003, OffTime Records)
Dieses Album bestand aus einer Auswahl neuer Songs, an denen wir mit dem Line-up mit Don an der Gitarre und Greg am Bass gearbeitet hatten. Nach erfolgreichen Europatouren und einem Haufen USA-Shows hatten wir genug Schwung, um erneut mit Mass Giorgini vier Stücke aufzunehmen und verwerteten außerdem eine Live-Aufnahme vom Groezrock Festival 2002 in Belgien. Wir veröffentlichten „Red-Eyed Regular“ im März 2003 zu einer laufenden Europatour, um einen Vorgeschmack auf das neue Album zu bieten.
„Texas One Ten“
(2005, Thick Records)
Im Frühjahr 2005 packten wir erneut unsere Sachen, flogen nach Europa und spielten eine Handvoll Shows. Um dieses Kunststück zu vollbringen, mussten wir eine weitere Platte herausbringen. Über zwei Jahre lang hatten wir genug neues Material angesammelt, nisteten uns im Sonic Iguana Studio ein und nahmen auf. Okay, das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Wir verbrachten zwei Jahre damit, die Songs zu schreiben, bearbeiteten die Hälfte der Songs, schrieben sie um. es folgten Wochenenden mit Marathon-Proben, zahlreiche Aufnahme-Sessions, E-Mails, Anrufe und Internet-Mixing-Sessions. Es war verdammt schwierig, das Ganze zusammenzubringen. Wir standen ständig im Konflikt mit unserem Alltagsleben und den Tour-Plänen von Mass mit SCREECHING WEASEL, COMMON RIDER und SQUIRTGUN und rechneten schon gar nicht mehr mit der Fertigstellung des Albums. Am Ende nahmen wir 15 Songs auf, von denen zwölf auf „Texas One Ten“ landeten. Es war das Ergebnis des ersten echten Schreib- und Aufnahmeprozesses mit Don und Greg. Phillip Hill von den TEEN IDOLS steuerte noch ein paar Backing-Vocals bei. Thick Records aus Chicago veröffentlichten „Texas One Ten“ gerade rechtzeitig zu unserer Europatour. Thick Records war ein Indie-Label mit D.I.Y.-Integrität, vielen Chicago-Bands wie ARRIVALS, METHADONES oder TOSSERS und einem Label-Katalog, der für sich selbst sprach. Die Platte war etwas anders, aber keine allzu große Abkehr von „Pop Culture Failure“ und kam bei Fans und Kritikern gleichermaßen gut an. 2005 und 2006 spielten wir zahlreiche USA-Shows und überlegten unsere nächsten Schritte.
„Carnival Nostalgia: 2000-20006“
(2007, Enemy One Records)
Nach der Veröffentlichung von „Texas One Ten“ gab es Gespräche über eine Südamerikatour, aber die Kommunikation via Mail und Internet-Übersetzungen von Englisch ins Portugiesische gestaltete sich als schwierig. Ende 2006 kamen wir dann endlich mit einem Typen aus Brasilien ins Gespräch, der nicht nur ein eigenes Label führte, sondern auch schon erfolgreich US-Bands nach Brasilien geholt hatte. Das Album ist eine Sammlung von zwischen 2000 und 2006 entstandenen Songs und sollte uns in dem Land bekannt machen, das uns freundlicherweise Gisele Bündchen und das brasilianische BBQ Churrascaria gegeben hat. Wir nahmen Songs von „Pop Culture Failure“, „Copper Regret“, „Red-Eyed Regular“, „Texas One Ten“ und ein paar B-Seiten, entstaubten die Aufnahmen ein wenig und fertig war das Album, eine nette Retrospektive von sechs Jahren Bandgeschichte. Darauf folgte die Vans Zona Punk Tour 2007 durch Brasilien. Kurz vor der Tour wurde Don an der Gitarre durch Dean ersetzt, der gleichzeitig in mehreren Bands spielte. Das war der Zeitpunkt, an dem wir uns entschlossen, die Stelle des zweiten Gitarristen nicht mehr mit einer Person fest zu besetzen. Seitdem verstehen wir die Zusammenarbeit mit einem zweiten Gitarristen eher als eine Kollaboration. Nach der Brasilientour machten wir es wie die coolen Bands und gönnten uns eine Verschnaufpause. 2008 und 2009 ließen wir es ruhig angehen und spielten nur vereinzelt Shows, um nicht einzurosten. Wir probten ein paar Mal, unterschrieben bei einem europäischen Label, das „Carnival Nostalgia“ veröffentlichte, machten Pläne für eine Europatour, aber sagten sie doch ab. Wir arbeiteten an neuen Songs, aber vergaßen die ganzen Ideen wieder, weil wir zu selten probten. Das Gleiche war schon vorher in Brasilien mit zwei Songs passiert, die wir an einem Day Off in Sao Paulo schrieben. Ende 2009 sprachen wir über die nächste Tour, die die bisher umfangreichste – und teuerste – Tour in der Geschichte von HORACE PINKER sein sollte. Im Frühjahr 2010 stand der Plan fest für unsere Australien-Asien-Tour durch Hongkong, Singapur, Australien und Neuseeland und im Sommer bekamen wir unsere Flugtickets. Wir hatten ein halbes Dutzend neue Songs und es juckte uns in den Fingern, diese auf ihre Live-Tauglichkeit zu testen. Die südliche Hemisphäre war genau der richtige Ort dafür. Wir nannten sie die „Murder Burger Or Bust Tour“ und waren seit zehn Jahren erstmals wieder nur als Trio unterwegs. Nach kurzen Startschwierigkeiten fanden wir aber sehr schnell unseren Groove wieder und schauten nicht mehr zurück.
„Local State Inertia“
(2011, Arctic Rodeo Recordings)
Nach unserer Rückkehr aus Asien und Australien trafen wir uns in Chicago, um ein paar existierende Song-Ideen zu überarbeiten und fingen mit einem Haufen neuer Songs bei Null an. Wir kamen schnell voran, rekrutierten Karl (Bassist auf „Pop Culture Failure“) für die zweite Gitarre, gingen im Dezember 2010 abermals mit Mass Giorgini in die Sonic Iguana Studios, und ehe wir uns versahen, war unser neues Album innerhalb von ein paar Wochen fertiggestellt. Die Ausrichtung war wieder härter und aggressiver als „Texas One Ten“. Mit „Local State Inertia“ bewiesen wir, dass wir es nach 20 Jahren Bandgeschichte und trotz zahlreicher Pausen zwischen unseren Alben noch draufhaben. Arctic Rodeo veröffentlichten unser bisher reifstes HORACE PINKER-Album im Herbst 2011. Für Frühjahr 2012 planen wir eine neue Europatour.
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