HODJA sind eine internationale Band. Drei Musiker aus drei Ländern mit der Homebase Kopenhagen. Schlagzeuger Matthias Arbo Klein kommt ursprünglich aus Wismar und lebt inzwischen mit seiner Familie am Roskilde-Fjord direkt am Kattegat, dem Meer zwischen Jütland und der schwedischen Westküste, fünfzig Kilometer nördlich von Kopenhagen. Sänger Claudius Pratt hat zwölf Jahre in Kopenhagen gewohnt, lebt aber inzwischen wieder in New York. Und Gitarrist Tenboi Levinson lebt und arbeitet in seinem Studio nach wie vor in dem legendären Kopenhagener Hippieviertel Christiania. Ein Trio wie ein Schmelztiegel, bestätigt Matthias im Ox-Interview.
Woher kommt eigentlich euer Sound, diese einzigartige Mischung aus Blues, Gospel, Soul, Rock’n’Roll, Krach und Voodoo?
Wir sind einfach drei Leute in der Band. Die Vielfalt kommt daher, dass alle zu dem Sound beitragen. Der Voodoo zum Beispiel kommt von den Eltern von Claudius. Die stammen aus Sierra Leone, er selbst ist aber in England geboren und in New York aufgewachsen. Er hat einfach afrikanisches Erbmaterial mitbekommen. Meine Freundin, die mehrere Jahre als Kind in Afrika gelebt hat, hat nach der ersten Show gesagt: „Das ist ja krass! Das ist echt so! Da schwingt immer so ein afrikanischer Aberglauben mit.“
„The Flood“ ist schon euer drittes Album. Es klingt für mich schroffer und schräger als die ersten beiden.
Ich war jetzt sehr lange alleine auf Tour und habe mir auf Spotify mal ausführlich unsere eigenen Sachen, also die alten Platten von REVEREND SHINE SNAKE OIL CO. und von HODJA angehört. Die ersten beiden Platten sind im Vergleich zum neuen Album tatsächlich eher zahm. Die letzten zweieinhalb Jahre waren für jeden von uns eine bewegte Zeit. Da ist viel in unseren Privatleben passiert. Vielleicht liegt es daran. Und da waren nicht nur einfache Sachen dabei. Einige haben Kinder gekriegt, Claudius ist zurück nach New York gegangen und so hat jeder ein bisschen mehr Bewegung im Leben. Und das drückt Claudius diesmal auch gut in seinen Texten aus.
Wie hat das mit HODJA eigentlich alles angefangen? Du hast ja mit Claudius schon bei REVEREND SHINE SNAKE OIL CO. Musik gemacht. Warum eine neue, zweite Band?
Dafür ist unser Gitarrist Tenboi verantwortlich. Claudius und die Frau von Tenboi haben gemeinsame Bekannte, so haben wir ganz banal mit REVEREND SHINE SNAKE OIL CO. bei einem vierzigsten Geburtstag von Freunden gespielt. Und bei dieser Gelegenheit hat Tenboi uns kennen gelernt. Also hat er uns in sein Studio eingeladen und wir haben mit ihm unsere zweite EP aufgenommen. 2011 ist dann die Idee entstanden, HODJA zu gründen. Zwei Jahre später haben wir dann gemeinsam gejammt und einfach ein paar Mikrofone aufgestellt und so ist das erste HODJA-Album entstanden. Ein Jahr nach dem Debüt 2015 kam schon „Halos“, Album Nummer zwei.
Das dritte Album heißt „The Flood“. Was steckt dahinter?
Die Flut sehen wir als Platzhalter für eine große Bedrohung. Da kann jeder selbst einsetzen, wodurch er sich gerade überflutet fühlt. Wir sehen den Titel eher als Variable. Bei der aktuellen Trockenheit müssen wir keine Angst davor haben, dass es so stark regnet, dass die Oder wieder über ihre Ufer tritt. Eine Naturkatastrophe haben wir damit also nicht gemeint. Für mich ist es die Überschwemmung mit Nachrichten. All die Informationen übers Internet, Facebook, SMS und so weiter. Da kann ich mich schon mitgerissen fühlen. Das ist meine Interpretation.
Ihr habt gerade mal zwei Studiotage gebraucht, um das ganze Album aufzunehmen. Warum ging das so schnell?
Also ich war vier Tage im Studio für jeweils vier Stunden. Das sind ungefähr zwei volle Studiotage. Bei dieser Platte waren wir ja quasi nur zu zweit. Tenboi und ich haben sehr viel geschrieben und vorproduziert, ohne Claudius im Studio zu haben, weil er gerade in New York war. Wir haben gar nicht damit gerechnet, dass es wieder so schnell geht. Und wir haben Claudius genug Platz eingeräumt und dann hat er in sehr kurzer Zeit Texte geschrieben und eingesungen. Das ist immer das komplette Gegenteil von REVEREND SHINE SNAKE OIL CO., da arbeiten wir unglaublich langsam. HODJA ist im Vergleich ein Motorrad, während RSSOC eine große, schwere Limousine ist.
Ihr habt euch in Dänemark gefunden und dort auch all die Jahre eure Homebase gehabt. Welche Vorteile bietet Kopenhagen für Musiker?
Ich habe vorher sechs Jahre lang in Berlin gelebt und davor ein Jahr in Hamburg. Im Vergleich dazu ist die Szene in Kopenhagen viel übersichtlicher. Du weißt einfach, wer wo ist, wenn du mal einen Gastmusiker fürs Studio brauchst. Im Vergleich zu Berlin ist hier alles viel transparenter. Das hat wahnsinnig viel Zeit gespart. Auch was den Transport betrifft. Du kannst hier einfach aufs Fahrrad steigen und bist innerhalb von einer halben Stunde überall, egal ob Gig oder Probe. Die Stadt lenkt einen auch nicht so krass ab wie Berlin. Es gibt außerdem hier einen Grundtarif für Musiker. Wenn wir also zu dritt anrücken, um zu spielen, müssen sie uns, zumindest auf dem Papier, dreimal 310 Euro bezahlen. Für viele Künstler ist Dänemark also ein Schlaraffenland. Es gibt gewerkschaftliche Vereinbarungen, Arbeitslosengeld für Künstler und solche Sachen.
Bei solchen Bedingungen müsstet ihr ja quasi pausenlos in Dänemark spielen. Warum ist das nicht so?
Wir haben nur zweimal auf dem Kildemose Festival in Ørbæk gespielt. Sonst nie in Dänemark. Es hat sich einfach so ergeben, dass unser Fokus auf dem Ausland liegt. Durch REVEREND SHINE SNAKE OIL CO. hatten wir schon Kontakt zu Noisolution in Berlin. Für unsere erste Platte hätten wir sogar ein Label in Dänemark gehabt, da war unser Gitarrist aber skeptisch. Deswegen haben wir die ersten 500 Platten auf eigene Kosten pressen lassen. Dafür haben wir damals aber gar keine Konzerte gespielt. Irgendwann hat uns unser Roadmanager Dennis Grimm, der auch lange Busfahrer für REVEREND SHINE SNAKE OIL CO. war, zu einem Festival in Berlin überredet. Das war quasi unser erstes Konzert mit HODJA. Vier Jahre, nachdem das Album fertig war. Dann kam Arne, hat uns die restlichen Platten abgekauft und so begann die Zusammenarbeit mit Noisolution und unserer Booking-Agentur Magnificent Music.
Man verbindet euch als Band auch mit der Freistadt Christiania, ein Stadtteil von Kopenhagen, um den sich jede Menge Gerüchte ranken. Ist das noch aktuell?
Tenboi ist in den Achtzigern vom Land in die Stadt gezogen. Und dann hat er am Rand von Christiania ein Grundstück ergattert und dort ein eigenes Haus gebaut. Später hat er über einer sehr berüchtigten Kifferkneipe im Zentrum des Viertels einen Dachboden ausgebaut und dort sein Studio eingerichtet. Und wir besuchen ihn dort immer, wenn wir an HODJA arbeiten. Klar gibt es dort immer mal wieder Schießereien, aber das hält sich alles im Rahmen. Das Wilde an Christiania ist eigentlich, dass es immer noch eine Art Piratenzone für Freigeister ist. An jeder Ecke werden Haschisch und andere Drogen verkauft. Und die Polizei duldet das, weil sie dann zumindest wissen, wo das passiert. Inzwischen ist das Viertel davon abgesehen auch ein ziemlicher Touristenmagnet. Mir selbst bedeutet dieser Ort nicht so viel.
Du hast ja auf der ersten Platte von BROTHER GRIMM, dem Soloprojekt eures früheren Roadmanagers Dennis, Schlagzeug gespielt, aufgenommen wurde bei Tenboi. Was macht ihr sonst noch alles?
Ich spiele selbst viel Gitarre und singe, bin auch die letzten zwei Jahre solo oder im Duo mit meiner Freundin auf Tour gewesen. Für diese Sache nenne ich mich F.W. Smalls, weil mein Großvater Friedrich Wilhelm Klein hieß. Tenboi macht nebenbei viel Filmmusik und produziert seit Jahren Musiktheaterstücke. Da hat er jedes Jahr eine Produktion mit hundert Vorstellungen. Claudius arbeitet aktuell in New York in der Metallverarbeitung. In der kleinen Manufaktur eines Freundes schweißt er kunstvolle Treppengeländer und Ähnliches. Außerdem jobbt er in einer Bar. Ich selbst verdiene mein Geld, wenn ich nicht auf Tour bin, in einem sozialen Wohnungsprojekt. Da unterrichte ich vor allem Kinder mit Migrationshintergrund und arbeite mit denen in verschiedenen Musikprojekten. Es reicht gerade so. Da muss man schon Abstriche machen.
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