Geht man als Mann erst einmal auf die 30 zu, wird es langsam Zeit, sich nach einer Freizeitbeschäftigung, einem Hobby umzuschauen. Genauer gesagt gilt es, einen seinem Alter gemäßen, entsprechend seriösen und soliden Zeitvertreib zu finden; kurz: ein richtiges Männerhobby ist es, was nun gefragt ist. Schließlich befindet man sich in einer Lebensphase des Umbruches, dementsprechend muß sich natürlich auch das Freizeitverhalten verändern. Die Beschäftigungen der nun zu Ende gehenden Zwanziger sind einfach nicht mehr angemessen, Leidenschaften, wie z.B. das bei Twens beliebte Musizieren in Rockbands, müssen jetzt ein Ende finden.
Ein Steckenpferd, das sich hier hervoragend als altersgemäßer Ersatz anbietet, ist meiner Meinung nach der Modellbau; ein Klassiker unter den Männerhobbys, der aber im Fokus des Interesses unserer Leserschaft vielleicht gar nicht allzu präsent ist. Aus diesem Grund möchte ich hier einmal ein erhellendes Licht auf diese spannende und vielfältige Passion werfen, die auch ich selbst vor nicht allzu langer Zeit erst wiederentdeckt habe. Und genau so wird es sicherlich vielen gehen, ist der Modellbau doch bekanntlich auch in den jungen Jahren des Mannes schon sehr beliebt. Dann kommt aber die Zeit der sexuellen Selbstfindung, die gewaltige Macht des Triebes zieht den Jungen vom unschuldigen Bastelspaß hin zum anderen Geschlecht mit seinen neuen und ungekannten Verlockungen. In diesen verwirrenden Jahren, in denen der Heranwachsende seine Rolle als Begatter und Familiengründer finden muß, erlischt oft das Interesse am Plastikmodell und bleibt für viele Jahre verschüttet. So ist es eben oft eine Wiederentdeckung der Liebe zur Bastelei, die nach dem Abklingen auch letzter Ausläufer der jugendlichen Brunft mit Beginn des 3. Lebensjahrzehnts stattfindet.
Durch diesen Revivalcharakter des alten/neuen Hobbys stellt sich zudem ein Nostalgieeffekt ein, ja man durchlebt gleichsam einen Teil der eigenen Jugend noch einmal. So löst z.B. das Erlebnis, nach all den Jahren zum ersten Mal wieder den Duft des Polystyrol-Klebers zu schnuppern, ganze Kaskaden von Deja-Vu-Erfahrungen aus. Das allerdings sind persönliche Empfindungen, die ich nur am Rande erwähnen will. Dieser Artikel soll dagegen einen möglichst objektiven und breiten Einblick in die Modellbau-Szene liefern, der Anfängern, Wiedereinsteigern oder auch einfach Interessierten (egal auch welchen Alters!) einen Überblick über die Vielfalt dieses Hobbys verschafft. Bevor ich zu diesem Zweck von dem Mekka hiesiger Plastikbastler, der "Intermodellbau ´99", berichte, hier noch ein Minimal-Überblick über die verschiedenen Genres:
Dem Unkundigen dürften natürlich die Flugzeugmodelle (und hierbei vor allem die Maschinen aus der Zeit des 2. Weltkriegs) am bekanntesten sein, da diese ja auch seit jeher die vom jugendlichen Bastler meistgebauten sind. Daneben gibt es aber freilich auch Bausätze von Autos, Motorrädern, allen Arten von Schiffen und Gebäuden und überhaupt allem was menschlicher Ingenieurgeist auch im Großen erschuf und erschafft. Ferner kann der Modellfreund aber unter einer riesigen Bandbreite von Bastelsätzen wählen, die einem fiktiven Vorbild nachempfunden sind. Hierbei spielt die Science Fiction in Form des ganzen "Star Trek"-, "Star Wars"-, etc.-Zinnobers eine große Rolle. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Produkten aus dem Horror-Genre, darunter Klassiker wie ein "Tarantula"-Riesenspinnenklebemodell. So etwas bekommt man häufig als komplettes Diorama, ein Fachbegriff der bedeutet, daß beispielsweise die Mini-Riesenspinne vor einem Fassadenhintergrund mitgelieferte Plastikmännchen verschlingt.
Apropos Plastikmännchen, ein weitere große Modellsparte ist die der Figuren. Auch hier bekommt der Fan alles nur Erdenkliche, sei es nun als Bausatz oder als Fertigmodell. (Letzteres, das auch bei den Autos eine große Rolle spielt, hat mit dem eigentlichen Modellbau freilich nichts zu tun, sondern befriedigt lediglich die Sammelleidenschaft von Vitrinenfetischisten.) Das Angebot reicht hier von klassischen Zinn-Rittern über Fantasy-Drachen bis zur Freddy Mercury-Figur; kurz gesagt: es bleibt eigentlich keine auch noch so krude Nachfrage unbefriedigt!
Dies soll als kurzer Blick auf das Vielerlei des Bastelbaren schon genügen. Wollte man auch nur ansatzweise vollständig einführen, bräuchte man ein Vielfaches an Seitenzahl. Diese Aufgabe kann und soll an dieser Stelle gleichwohl auch nicht erfüllt werden. Stattdessen möchte ich den Leser an die Hand nehmen und ihn über den alljährlichen Rummelplatz der Bastlerzunft führen. Tauchen wir nun also ein in die bunte Wunderwelt des Polystyrols, die "Intermodellbau ´99" in der Dortmunder Westfalenhalle.
Für mich als Wiedereinsteiger war es die erste Veranstaltung dieser Art, und so wußte ich natürlich nicht, was mich erwarten würde. Ich befand mich allerdings in der erfahrenen Gesellschaft meines Arbeitskollegen und Kumpel Axel, dem übrigens auch der Verdienst zukommt, mich wieder an den Bastelsport herangeführt zu haben. Die langen Gespräche mit ihm, der übrigens nichts geringeres als mal "REVELL-Basteleuropameister" war (Kein Witz! Die Aufgabe war, ein vorgeschriebenes "Bugatti"-Model kreativ umzuarbeiten; er löste sie indem er eine Banane auf das Dach klebte!), in denen er von seinem Hobby erzählte, entfachten auch in mir das so lange verloschene Feuer der Mobau-Leidenschaft aufs Neue.
So machten wir uns also am frühen Morgen des 23.4 1999 auf den Weg nach Dortmund. Auf der Fahrt bereitete mich Axel so gut es ging auf die anstehenden Erlebnisse vor und erwähnte dabei auch die zu erwartenden Massen. Bei unserer Ankunft bestätigte sich dies in Form von langen Schlangen vor den Schaltern. Ein Beweis dafür, daß der Modellbau auch in Zeiten überwältigender multimedialer Verführung seine Attraktivität für eine sehr große Anzahl von Menschen bewahrt hat. Eine spontane Erstellung eines Besucherprofils bestätigt allerdings gängige Vorurteile. Zu gut 90 Prozent setzte sich das Publikumsaufkommen nämlich aus dem unattraktiven, oft ungepflegten Mann ab dreißig zusammen. Mitglieder der jugendlichen Spaß-Generation suchte man vergebens. Das wiederum hatte den wohltuenden Effekt, daß Eitelkeit fehl am Platze war, und die Hallen ausschließlich vom unverdünnten, reinen Interesse für die Miniatur erfüllt waren.
Auf der "Intermodellbau" präsentieren sich in der Hauptsache Modellbauvereine und Händler, Hersteller sind eher weniger vertreten. Deren wichtigster Termin ist die Spielwarenmesse in Nürnberg, auf der einem Fachpublikum die jeweiligen Neuheiten der Produktpalette vorgestellt werden. In Dortmund geht es dagegen neben dem Gucken also hauptsächlich ums Kaufen, was man tunlichst auf Vorrat erledigt und sich am besten gleich für das ganze Basteljahr eindeckt. Viele der Anbieter, zumeist Spezialgeschäfte und Versände, kann man schließlich nur dies eine mal im Jahr in Anspruch nehmen, da sie ansonsten in den hintersten Winkeln der Republik residieren.
Einer dieser speziellen Anbieter ist "Gunter´s Car Company" (Saarbrücker Str. 32, 26721 Emden), ein kleines, aber feines Unternehmen, das sich auf amerikanische Auto- und Gebäudemodelle im H0-Maßstab spezialisiert hat. Bei "Gunter" laufen Axel und ich so ziemlich am Anfang unseres Rundgangs ein. Ich war auch gleich äußerst fasziniert, zumal ich sowas fürwahr noch nirgendwo gesehen hatte. Da man derlei auch nicht gerade an jeder Ecke bekommen kann, habe ich sofort mal zugeschlagen und mir ein Modell eines "Kentucky Fried Chicken"-Drive-Ins zugelegt. In Gebäudemodelle war ich sowieso schon immer vernarrt. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich als Junge mal so ein "Faller"-Häuschen zusammenbaute. Hab´ ich dann natürlich irgendwann abgefackelt, so wie selbstredend auch alle Flugzeuge und Autos, die ich mal besaß. Das macht man als Bub halt so, die Faszination der Zerstörung, insbesondere die unter Zuhilfenahme von Pyrotechnik, ist in dem Alter nun mal immens groß.
Der nächste Händler meines Vertrauens war die Firma "Nimpex" (Hindenburgstr. 18, 73760 Ostfildern-Nellingen) die ausschließlich Automodelle im Programm hat. Als ich vor kurzem den Plastikmodellbau wieder zu meinem Hobby erklärt habe, mußte ich mich natürlich auf ein Gebiet festlegen. Ich tat dies mehr oder weniger willkürlich und entschied mich dabei für Autos. Es mußten natürlich ältere sein, weil neue ja total scheiße aussehen. So bin ich dann bei amerikanischen "Muscle-Cars" der 60er/70er gelandet. Ich gebe zu, daß dies nicht unbedingt das originellste Genre ist, aber nach Ford Taunus- oder Capri-Modellen, die ich auch gerne bauen würde, habe ich bis jetzt vergeblich gesucht. Amerikanische Wagen gibt es dagegen in Hülle und Fülle von beispielsweise der Firma "AMT-Ertl". Am "Nimpex"-Stand gab es davon eine reichliche Auswahl und das zu günstigen Preisen, so daß ich prompt schon wieder einen Kaufabschluß tätigte. Auf diese Weise war ich im internen Kaufwettstreit zwischen Axel und mir gleich zu Anfang unserer Messe-Tour zügig ein gutes Stück in Führung gegangen. Aber Axels Zeit -sollte noch kommen, schließlich sind seine Passion die Flugzeuge, und die Flugzeughalle lag erst noch vor uns.
Auf dem Weg dorthin (und überhaupt umher) nahm ich dann auch mal die Stände von Modellbauvereinen und Privatleuten unter die Lupe, die dort vollkommen uneigennützig ihre gebastelten Werke ausstellten. Die Modelbauvereine hatten es sich dabei mit ihren großen Ständen recht gemütlich gemacht und tummelten sich in großen Horden kaffeetrinkend inmitten ihrer Vitrinen. Daneben gab es aber auch kleine Ausstellungsflächen, wo oft nur wenige Stücke ausgestellt waren. Die Leute, die dort herumsaßen, kamen mir im Gegensatz zu den geselligen Vereinsbastlern oft etwas vereinsamt und mürrisch vor; ist aber sicherlich auch ganz schön langweilig, da so den ganzen Tag hinter seinen Modellen zu sitzen.
An Axels Verhalten merkte ich dann mit einem Mal, daß wir uns nun wohl der Halle mit den Flugzeugausstellern näherten. Er war nämlich plötzlich ziemlich aufgekratzt und wußte gar nicht, wo er zuerst hinwollte. Das Angebot war allerdings auch überwältigend. In dieser Halle hat Axel mich konsummäßig dann erst einmal abgehängt. Er mußte freilich auch einen ganzen Haufen Kram für Bastler-Bekannte mitbringen, und so war er ziemlich beschäftigt.
Sein Spezialgebiet sind übrigens - und das halte ich für wirklich originell - Rennflugzeuge. Ein echtes Nischengenre, das viel Sucherei mit sich bringt. Der gab sich Axel ausgiebig hin und ich immer hinterher. Das war natürlich arg ermüdend, nachdem er aber dann so ziemlich jeden Stand abgeklappert hatte und dabei zumindest teilweise erfolgreich war, konnten wir die Halle der Aerobastler wieder verlassen. Damit hatten wir beide dann gewissermaßen unsere Pflicht erfüllt, durften uns somit dem Müßiggang zuwenden und mal bei uns fernerstehenden Zweigen des großen Baumes "Modellbau" hereinschauen.
Ein ziemlich dicker ist dabei traditionell natürlich der der Eisenbahner. Diese eingeschworene Gemeinschaft, die sich in der Öffentlichkeit immer wieder mit üblen Vorurteilen konfrontiert sieht, war in Dortmund selbstverständlich auch auf großem Raum vertreten. Eine Halle hatten die Modellbahner für sich und ihre mitunter gigantischen Gleislandschaften quasi ganz alleine. Und wenn ich auch sagen muß, daß mir persönlich die kleinen Züge haarscharf am Arsch vorbeifahren, so pflege ich doch schon von jeher, ich erwähnte es bereits, die krude Liebe zum Miniatur-Gebäude. In dieser Hinsicht wurde ich dabei sogar mit einem ganz besonderen Leckerbissen verwöhnt. Der "Modelleisenbahnverein Brandenburg" wartete nämlich mit einer originalgetreu nachgebildeteten DDR-Landschaft auf, inklusive Plattenbauten in SED-blau. Das ist doch wirklich mal was anderes als immer nur "Garmisch-Partenkirchen-HBF"!
Im vor-vor-vor-vorletzten Satz behauptete ich, die Modellbahner hätten eine Halle quasi alleine für sich. Dies tat ich mit bedacht, denn vollkommen allein für sich hatten die Modellbahner die Halle eben doch nicht. Ganz am Rande nämlich, fast versteckt, hatte sich eine Spezies von Dioramenbauern niedergelassen, deren Spezialität man getrost zu den originelleren im Mobau zählen darf. Die Rede ist von den "Kirmesbastlern". Diese Minderheit hat es sich zur Aufgabe gemacht komplette Jahrmärkte (kennt eigentlich jemand den Plural von Kirmes?) "en miniature" nachzumodellieren. Da dreht sich die "Raupe", die Achterbahn prescht durch die Kurve und alles blinkt mit bunten Birnchen. Ich muß zugeben, daß ich von der Existenz dieses exotischen Genres gar nicht mal was wußte, nichtsdestotrotz ist es aber ein alt-eingeführtes, das es auch schon zu einem Vereinswesen gebracht hat.
Viel gibt es eigentlich nicht mehr zu berichten von der "Intermodellbau ´99". Zum Ende meiner Ausführungen muß ich aber, meinem journalistischen Ethos gehorchend, doch noch einige kritische Bemerkungen machen und meinen feingliedrigen Finger - der "Political Correctness" gemäß - auf eine Blüte legen, die der Figurenmodellbau getrieben hat. Dabei rede ich jetzt nicht einmal von solchen, äh, "Fragwürdigkeiten" wie einer "SS-Obersturmführer"-Figur - den ganzen Kriegsgerätbastlern wollen wir jetzt sowieso mal lieber nicht in die Köpfe gucken! - ich meine vielmehr Figuren, die Menschen weiblichen Geschlechts darstellen sollen. Was es da alles gibt?! Auweia!! Nur mit Hemdchen bekleidete Lolita-Püppchen scheinen dabei ja nur den freundlichen Päderasten von nebenan zu bedienen; für was für Durchgeknallte sind denn aber bitteschön solche Spezialitäten wie die Frauenfigur, die "oben-ohne" im Kampfanzug und mit MPi posiert? Ich weiß es nicht, vielleicht steht aber auch der durchschnittliche Ox-Leser auf sowas, heutzutage kann man ja nie wissen!
Für Axel und mich ging dann so langsam unser Tag im Zeichen des Modellbaus zu Ende. Nachdem wir unsere mitgebrachten Brote verzehrt hatten suchte ich noch einmal den "Nimpex"-Stand auf, um mir doch noch ein Auto zu sichern - wer weiß, wann man das nächste mal aus einem so üppigen Sortiment auswählen kann?! Dann schlenderten wir schließlich, erschöpft aber glücklich, dem Ausgang entgegen.
Zum Schluß bleibt mir nun nur noch der aufrichtige Wunsch, etwas von meinem Bastelenthusiasmus weitergegeben zu haben und auf der "Intermodellbau 2000" dann vielleicht auch den einen oder anderen Modellbauer im Ox-Workershirt zu treffen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #35 II 1999 und Stefan Moutty