Hallo Punker-Idioten!
Ein Jahr ist es nun her, dass ich erstmals von der wunderschönen Welt der manuell gefertigten Plastikminiaturen berichtet und euch damit einen konstruktiven Vorschlag zur Nutzung eurer ansonsten sinnlos verplemperten Zeit gemacht habe. Ich hoffe, der ein oder andere, der meinen Artikel seinerzeit gelesen hat, hat meinen Vorschlag beherzigt, und sich einmal an diesem erquickenden Hobby versucht. Selbst wenn auch nur ein Leser durch meine gutgemeinten Worte seine Liebe zu Kleber- und Pinselei entdeckt haben sollte, wäre meine Werbung für diese schöne Beschäftigung schon erfolgreich gewesen.
Natürlich habe ich nicht nur positives Echo auf meinen engagierten Beitrag bekommen. So mußte ich mich in einer Situation beispielsweise von einem groben Kerl verspotten und äußerst rüpelhaft angehen lassen, der mich angetrunken (wie solche Zeitgenossen ja oft früh am Tag schon sind) auf meine "Bastelscheisse" anraunzte. Ein unappetitlicher Vorfall, den ich möglichst schnell vergessen möchte, der mir aber doch symptomatisch erscheint für unsere adrenalingeile und besinnlichkeitsfeindliche Spassgesellschaft, in der unser friedliches Werkeln mit Hobbymesser und Klebstofffläschchen so gar nicht mehr zeitgemäß erscheinen will.
Von den Schattenseiten des (bekennenden) Bastlerdaseins nun aber zum Weihnachten-und-Ostern-an-einem-Tag der Lösungsmittelgourmets, der Intermodellbau. Einen generellen Einblick in das bunte Treiben bei diesem MoBau-Jahrmarkt habe ich ja bereits in meinem letztjährigen Bericht vermittelt, so dass ich mich diesmal auf das (für mich) Neue konzentrieren und denjenigen einen Eindruck geben will, die es in diesem Jahr bedauerlicherweise nicht nach Dortmund geschafft haben.
Der Tag begann früh an diesem 12.4., denn für meinen Kumpel Axel (die Leser meines ersten Features werden ihn noch kennen!) und mich hieß es "Früher Vogel pickt den Wurm", und der ausgeschlafene Bastler hat bekanntlich die Nase vorn, wenn es gilt die besondere Okkasion zu schnäppen. Freilich waren wir nicht die einzigen, die so dachten, und so waren Parkplätze und Vorplatz der Westfalenhalle gegen 10 Uhr (früher ging´s bei mir nun wirklich nicht!) schon überfüllt mit Bastel-Weirdos in überwiegend grauer schlechtsitzender Kleidung, die zu den Kassenhäuschen pilgerten. Diese übel anzusehende Masse setzte sich wie gewohnt natürlich zu 100% aus männlichen Hobby-Bastlern zusammen (der Terminus Bastlerin existiert folgerichtig gar nicht!) und bestand, da es ein Wochentag war, wohl ausschließlich aus Rentnern und Arbeitslosen.
Die Luft knisterte förmlich vor gespannter Erwartung als wir mit dem Eintrittsbillet in der Hand das Portal zum Polystyrol überschritten. Die Intermodellbau ist gigantisch und belegt alle Hallen des Komplexes, die entgegen meiner Erwartung auch schon eklig gut gefüllt waren - es war also doch keine gute Idee am ersten Tag zu erscheinen. Es ist wohl schlicht so, dass die Spannung während der einjährigen Wartezeit auf die nächste IMB dermaßen anwächst, dass der echte Miniatur-Fan unmöglich noch einen weiteren Tag darauf warten kann, wenn die Messe schon geöffnet hat (aus diesem Grund waren wir ja schließlich auch hier!).
Wie im letztjährigen Artikel schon berichtet, umfaßt das Angebot in Dortmund sämtliche Spielarten unseres Steckenpferds, das vom ferngesteuerten 3 m großen Flugzeug bis zum Minisoldaten reicht. Den größten Teil nimmt allerdings der gute alte Plastikmodellbau ein, den ja wohl jeder richtige Junge mal betrieben hat. Eigentlich ist das auch Axels Passion - mit der Spezialisierung auf Flieger im allgemeinen und Rennflugzeuge im Speziellen - doch seit dem letzten Jahr hat sich sein Interessengebiet wohl ziemlich vergrößert, und so guckt er fast an jedem Stand. Er guckt bei Schiffszubehör (er sucht einen Anker), er guckt bei Fernsteuerungen und bei Flugzeugen guckt er sowieso. Das wird mir ganz schön langweilig, deshalb fange ich an zu nörgeln. Außerdem zieht es mich mit Macht in die Auto-Halle (mein Ressort), und ich spüre einen mächtigen Druck, von dem ich mich mit einigen Erwerbungen frühzeitig erst einmal befreien muß.. Die Angst, die Westfalenhallen am Ende wohlmöglich doch mit leeren Händen zu verlassen, drückt mir auf die Brust, ist aber, wie sich herausstellt gänzlich unbegründet. Das Angebot in meiner Fachrichtung (Auto-Bausätze amerikanischer Marken wie AMT/Ertl, Monogramm, Revell, MPC, Polar Lights) ist im Vergleich zum Vorjahr nämlich noch angewachsen und weiß Gott größer als mein Portemonnaie.
Wir suchen zunächst also erst einmal meine Halle auf, in der ich mich dann auch umgehend mit dem Kauf eines Stapels bunter Kartons meines Konsumdruckes entledige. Mit der prall gefüllten Plastiktüte in der Hand fühl ich mich besser, und so drängeln wir uns weiter durchs Gewühl. Bei Axel fällt mir in diesem Jahr auf, dass er sich extrem kontaktfreudig gibt und ständig Bastelkollegen von ausstellenden Vereinen anquatscht, die sich darüber natürlich ziemlich freuen, denn dafür sind sie ja schließlich hier. Es geht dabei natürlich ausschließlich um relevante Fachfragen, wie "Wo kriegt man denn diesen Starship Troopers-Bausatz?" oder "Wie hast du denn diese Bespannung gemacht?". Ich höre aufmerksam zu und versuche zu lernen, schließlich bin ich im Vergleich zu einem Veteranen wie Axel ein blutiger Anfänger. Einen Kontakt knüpfe ich dann aber ebenfalls, wenngleich auch unfreiwillig. Ich bin es nämlich, der nach einer Preisnachfrage an die Adresse eines Händlers plötzlich angesprochen wird, als ich eine Stimme vernehme, die ich zunächst gar nicht auf mich beziehe. Als das "Billiger kriegst du die aber nicht!" allerdings noch einmal an mein Ohr dringt, drehe ich mich um und blicke in ein freundlich dreinblickendes Gesicht, das offensichtlich einem Fachkollegen gehört. Sofort entspannt sich ein kleines Gespräch über die Preissituation bei Auto-Bausätzen, und ich bin stolz, dass ich als Nachwuchsbastler auch einen Tipp bezüglich eines günstigen Anbieters geben kann. Eine schöne Episode bei diesem Messebesuch.
So ziehen die Stunden ins Land wie wir durch die Hallen, und ich schmeiß´ die Kohle raus, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Spind. Wie im letzten Jahr schaue ich auch wieder bei Gunter von Gunters Car Company vorbei, den ich als Freund betrachte, obwohl er mich gar nicht kennt. Hier gebe ich wieder meiner kleinen Neben-Leidenschaft, dem HO-Gebäudebau, nach, indem ich das Modell eines Supermarktes kaufe.
Eines der schönsten Teile, die ich dieses Jahr erwerbe, ist aber King Kongs Thronester von Polar Lights, ein Bausatz, der den bekannten Affen in einem durchgeknallten Phantasieauto, seinem fahrenden Thron eben, darstellt. Sowas gab es in den Sechzigern, wurde aber dankenswerterweise jetzt im Original-Karton wiederveröffentlicht.
Mittlerweile mache ich mir ernsthafte Sorgen um meinen Geisteszustand, und bevor ich, ansonsten ein sparsamer Typ, noch weiter dem Konsumrausch erliege, überzeuge ich Axel, dass wir jetzt aber langsam mal verduften müssen. So machen wir es dann auch, und als wir schließlich im Auto davonbrausen, schaue ich mich noch einmal wehmütig um und freue mich jetzt schon auf das nächste Jahr.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #39 Juni/Juli/August 2000 und Stefan Moutty