HI-TOPS

Foto

Pop-Punk beim Wort genommen

Alleine die Tatsache, dass die HI*TOPS soeben ein fantastisches Debüt-Album abgeliefert haben (siehe Reviews), wäre noch kein Grund, Sängerin Micha und Gitarrist Mike zwecks Interview in den Tourbus zu entführen, bevor im sagenumwobenen „Hauptquartier” zu Aachen die Release-Show steigen würde. Ich hatte mehrfach das Glück, mich von den Live-Qualitäten der Band überzeugen lassen zu können und davon, was noch erfreulicher ist, dass sie wohl eine der drei nettesten Bands Europas sind. Wer die anderen beiden sind? Das muss offen bleiben.

ragen zur Bandgeschichte sind Scheiße, werde ich von Micha in ihrem eigenen Charme belehrt, kaum dass das Band läuft. Entsprechend bekomme ich die Antwort, die ich verdiene: „Vor drei Jahren haben wir unser erstes Konzert gespielt. War auch gleich super, obwohl wir eigentlich noch gar nicht spielen wollten. Kurz darauf haben wir das Demo aufgenommen, woraufhin uns Carsten von Three Kings Records schrieb: ‚Super! Toll! Wir machen ‘ne Single!‘ Als wir dann auf Tour hier das erste Mal gespielt haben, hat er gesagt: ‚Super! Toll! Wir machen ‘ne Platte‘.”

Von Poing habe ich bisher das einzige Mal auf der HI*TOPS-Single gelesen. Darum interessiert mich brennend: Was geht ab, in a town called Poing? „Da gibt es wirklich nur mich”, erzählt Micha. Das Epizentrum der Band liegt eher in München. Wahre Lokalpatrioten klingen jedoch anders: „Was befreundete Bands angeht, ist da eigentlich ziemlich tote Hose. Szene-Fragen zu München geben nicht so viel her.” „Das ist doch mal ein Statement”, bekräftigt Mike. „Aus Österreich kommen viele gute Bands, wie die SURFAHOLICS oder die MUGWUMPS aus dem Zillertal. Das ist eine tolle Poppunk-Band, die man sich merken sollte.”

Poppunk! Ist das nicht auf Dauer langweilig? „Ich mag auch Sixties und Schweinerock. Ich bin nicht jemand, der nur die QUEERS zu Hause hört.” Mike stimmt zu: „Dabei würde man ja verrückt werden!” Benannt nach einem Schuh, vermute ich gesteigerten Wert auf Äußerlichkeiten bei der Band. „Wir haben von Anfang an diesen RAMONES-artigen Punkrock gespielt, und da trägt man halt solche Schuhe. Irgendeinen Namen braucht das Kind ja!”

Unter den Songs auf der Platte ist mir „Screaching Weasel Fan” aufgefallen: Micha schwärmt in dem Song mit ihrer zuckersüßen Stimme von einem jungen Mann, der Fan besagter Band ist. Wird hier eine Tradition von Songs wie „Ben Weasel” von den QUEERS bewahrt, oder geht es um eine wirkliche Person? „Das Lied gibt es schon länger als die HI*TOPS. Früher habe ich alleine mit dem 4-Spur-Gerät Aufnahmen gemacht. Ich weiß gar nicht, ob ich dabei jemanden im Kopf hatte. Es ist schon eher in diesem Stil, Bands, die man mag, in Liedern unterzubringen. Es war einfach total deppert. Sowieso habe ich mir über Texte noch nie wirklich große Gedanken gemacht. Die entstehen eigentlich immer, damit man irgendwas singen kann.” Wenn man solche Bekenntnisse selten hört, liegt das weniger daran, dass so viele andere Bands das anders handhaben, als vielmehr an mangelnder Ehrlichkeit. Das „Pop” in „Pop-Punk” scheinen die HI*TOPS also beim Wort zu nehmen: „Ja, nee, ist so. Ach ja, natürlich kommst du in allen Texten vor!”

Nachdem mein Herz erobert ist, will ich wissen, wie es weitergehen soll. Today your love, tomorrow the world? „Uns ist wichtig, dass wir viel spielen, rumkommen und Leute kennen lernen. Solche Bonus-Punkte, dass jemand eine Platte rausbringt, sind natürlich toll. Aber wir sagen uns nicht, dies und das muss jetzt passieren.” Mir fiel auf, dass Micha als Frontfrau gar nicht so sehr im Vordergrund steht, wie man das schon mal bei Bands kennt. „Wäre ja auch albern und gar nicht so mein Ding. Da würde ich mich nicht wohl bei fühlen.” Und Mike fügt hinzu: „Wenn man ein Mädel in der Band hat, dann ist das genug im Vordergrund.” Ob es denn außer solchen Interview-Fragen schon blöde Sprüche gab, frage ich Micha. „Ja, Sprechchöre oder so was. Aber, mein Gott, muss man halt weghören. Oder wenn man mal auf ‚professionellere‘ Leuten trifft, z.B. Fotografen, heißt es: ‚Die Band-Fotos sind ganz falsch, du musst vorne stehen!‘ So was bekommt man aber nur von Leuten zu hören, die mit Punkrock nichts am Hut haben, sondern damit ihr Geld verdienen.”

Kann man an einem 11. September ein Interview abhalten, ohne dazu was zu fragen? Man vielleicht, ich nicht. „Hoppla, das ist mir noch gar nicht aufgefallen.” So beantwortet Mike mir also die Frage, was das für ihn persönlich bedeutet. Micha fügt hinzu: „Es ist schon so wie damals bei Lady Di, dass ich genau weiß, wo ich zu diesem Zeitpunkt war, als ich es erfahren habe. Die hatte übrigens gerade ihren Todestag. Dieses Terrorismus-Problem ist natürlich zum Dauerthema geworden. Ich finde so was traurig, aber was soll sich für mich persönlich ändern!?” „Also, ich weiß nicht mehr, wo ich war, als Lady Di gestorben ist”, schaltet Mike sich wieder ein. „Doch, ich schon! ‚Der Zauberer von Oz‘ lief gerade im Fernsehen und dann liefen so Untertitel. Ich saß bei meinen Eltern im Wohnzimmer auf der Couch.”

Bei den großen Kontroversen unserer Zeit angelangt, befrage ich die beiden zum Thema Musik-Downloads. „Ich habe da riesige Diskussionen. Überall wird geschrieben, wie schrecklich, und die Plattenindustrie ist so arm, usw. Für Bands wie uns ist das aber gut, weil sich dadurch die Musik besser verbreitet.” Ob sich denn die ausverkaufte Single in den Reaktionen der Besucher niederschlägt? „Doch”, bestätigt Mike, „das letzte halbe Jahr haben immer ein paar Leute mitgesungen. Hin und wieder kam einer: ‚Hey, auf der letzten Tour hab ich euch auch gesehen!‘” Ich werde bei nächster Gelegenheit wieder dabei sein. Ich will nicht verpassen, wie die vier Bayern den Auftritt toppen, der an dem noch Abend folgen sollte ...

Foto: Thomas Lettow