HENRYK GERICKE

Foto© by Ilse Ruppert

Tanz den Kommunismus - Punkrock in DDR 1980 bis 1989

„Tanz den Kommunismus“ lautet der Titel des Buchs von Henryk Gericke, das jüngst im Verbrecher Verlag erschienen ist. Das ist keine spröde Aneinanderreihung von Fakten und Zahlen in Sachen Punk in der DDR, denn Henryk gelingt auf den 280 Seiten eine eigene Form der Geschichtsschreibung, indem er insgesamt 38 Bands porträtiert. Dabei handelt es sich ausschließlich um Punkbands, die in der Illegalität aktiv waren und sich der Pflicht zur staatlichen Einstufung (also einer in der DDR vorgeschriebenen „Bandlizenz“) konsequent verweigerten und so die Repression des Staates bis hin zum Knast in Kauf nahmen. In dem sehr netten Gespräch mit Henryk geht es aber auch um die Vorgängerprojekte wie die Dreifachvinylbox „Too Much Future – Punkrock GDR“, die Kinodokumentation „ostPUNK! – too much future“ und auch um seine eigenen Erfahrungen in der DDR.

Henryk, bitte stell dich vor.

Ich arbeite als Autor, Herausgeber und DJ. Als Autor habe ich über viele Jahre Beiträge und Bücher zum Thema Subkultur in der DDR veröffentlicht, zuletzt „Tanz den Kommunismus“ im Berliner Verbrecher Verlag. Als Herausgeber veröffentliche ich seit 2019 die Tape- und Vinyl-Serie „Tapetopia – GDR Undergroundtapes“, in der erstmalig Tapes erscheinen, die im DDR-Underground nur in geringen „Auflagen“ von zehn bis circa fünfzig Kopien kursierten, aber essentiell für ein ästhetisches Verständnis untereinander waren.

Du hast 2020 die Dreifachvinylbox „Too Much Future – Punkrock GDR“ veröffentlicht, auch hier gab es schon ein sehr dickes Beiheft. Was war der Anlass dafür?
Die Vinylbox stand am Ende einer langjährigen Initiative, den Spot auch mal auf die Gegenkultur, den Underground in der DDR zu richten, speziell auf Punkrock. Zuvor hatten mein Freund Pankow, Michael Boehlke, Sänger der Ost-Berliner Punkband PLANLOS, und ich ab 2004 schon einige Ausstellungen zum Thema in verschiedenen Städten organisiert und gemeinsam mit dem Regisseur Carsten Fiebeler einen Dokumentarfilm produziert. Die Vinyl-Box, die ich dann mit Maik Reichenbach, Bassist der Leipziger Anarchopunk-Legende L’ATTENTAT, herausgegeben habe, stellte den Abschluss dar.

Aus dem Beiheft wurde dann das Buch „Tanz den Kommunismus“, was sich auf „Tanz den Mussolini“ von DAF bezieht. Warum hast du den Titel gewählt?
Auch dieses Buch geht letztlich auf den Beginn der genannten Initiative von 2004 zurück. Seither ist einiges zum Thema erschienen. Mir lag daran, alle Verklärung, auch den negativen Schick, aus der Thematik zu nehmen. Viele der Publikationen stellen die Repressionsgeschichte der Bewegung und ihrer gebrochenen Biografien vor den Moment der Lust, über das bizarre Element einer Subkultur, die zunächst einmal Entfesselung war, bevor der Versuch unternommen wurde, sie in Fesseln zu legen. Man muss sich doch fragen, weshalb haben halbe Kinder beziehungsweise „Halbstarke“ das alles auf sich genommen? Weshalb haben sie Gefahr nicht nur akzeptiert – die Verfolgung durch ein System, die sogenannte „Zersetzung“ durch einen Machtapparat –, sondern auch zum Teil eines Tumults gemacht, der ebenso Spiel mit den Behörden war. Es war schließlich auch ein großartiges Gefühl, nicht Feinstaub, sondern Split im Getriebe gewesen zu sein. Wir haben uns gegen den Staat gestellt, wir haben ihn aber auch ausgetanzt, der Staat wusste nicht mehr, wo ihm der Betonkopf saß – daher der Titel, mit verbindlichstem Dank an DAF.

Wie ist dir die Idee zu diesem Projekt gekommen?
2004 haben mein Freund Pankow und ich zunächst „England’s Dreaming“ von John Savage gelesen und dann gleich „Verschwende deine Jugend“ von Joachim Teipel. Von beiden Büchern waren wir begeistert. Aber bei Teipel haben wir uns schon gefragt, weshalb der ostdeutsche Underground nicht mal als Fußnote vorkam. Wir haben auf „No Future“ mit „Too Much Future“ geantwortet und unsere eigene Geschichte erzählt, die natürlich von der Reibung zwischen Subkultur und Diktatur gezeichnet war. „Tanz den Kommunismus“ beruht zu erheblichen Teilen auf eigenen Erinnerungen beziehungsweise auf Geschichten, von denen ich schon zu meiner aktiven Zeit zwischen 1980 und 1983 und auch später gehört hatte. Ich habe mit sehr vielen Freunden gesprochen, aber auch mit Leuten, die der Szene in anderer Weise verbunden waren und nicht direkt im Auge des Orkans standen. Was Literatur anging, so waren zur reinen Recherche der Fakten auch „Wir wollen immer artig sein“ von Ronald Galenza und Heinz Havemeister von Bedeutung, aber auch die „Parocktikum“-Website, die auf die Kult-Radiosendung von Lutz Schramm zurückgeht. Außerdem noch einige kleinere Publikationen, zum Beispiel zu Punk in Halle. Zur Recherche gehört aber auch, dass ich anderen Publikationen klar widerspreche. Ich habe versucht, die Fakten so eng es geht abzustecken, habe mir aber auch Deutungen zugetraut beziehungsweise angemaßt. Ich wollte eben nicht nur berichten, wer, wann, mit wem und wo noch – sondern auch Geschichten erzählen, schrille, krasse, aber auch zu Herzen gehende Anekdoten. Durch sie vermittelt sich ein Gefühlsabdruck der Szene am ehesten.

Wie sind die Kontakte für die zahlreichen Interviews zustande gekommen?
Natürlich kenne ich viele der Freischärler aus der aktiven Zeit. Viele habe ich auch durch die Arbeit an dem erwähnten Film, an den Ausstellungen, aber auch durch meine Arbeit als Herausgeber der „Tapetopia“-Serie kennen gelernt. Man macht beinahe immer dieselbe Erfahrung: Entweder die Ehemaligen sind sofort bei der Sache und geben, was sie haben: Erinnerungen, Material ... Oder sie sagen, lass mich mit dem alten Scheiß in Ruhe. Wenn man sich damit nicht zufriedengibt und es dann zu einem direkten Kontakt kommt, geben sie ihre Zurückhaltung meistens auf und die Sache verkehrt sich ins Gegenteil, und all die Geschichten brechen sich unsortiert Bahn. Es gibt einen sehr geringen Teil von Leuten, an die man nicht herankommt, und da sollte man den Moment auch nicht verpassen und nicht weiter insistieren. Allerdings habe ich auch mehrfach erlebt, dass dann ausgerechnet von diesen Leuten Beschwerden kommen, dass ihre Geschichte nicht bis ins letzte Detail wiedergegeben wurde.

Woher stammt das historische Material?
Das Material stammt zu 100% von den ehemaligen Aktivisten. Wenn etwas in Museen oder Sammlungen gelandet ist, dann oft über unsere Initiativen. Und dann ist das Material auch kaum noch zugänglich, da die Museen erfahrungsgemäß funktionieren wie Behörden und nichts rausrücken oder nur zu Bedingungen, die schlicht nicht zu erfüllen sind. Das Material, ob Bildmaterial oder akustisches Material, befindet sich in sehr verschiedenen Graden der Erhaltung – manchmal wie unberührt, oft in kritischem Zustand.

Du hast konsequent nur Bands aufgenommen, die in der Illegalität aktiv waren. Warum nur diese und nicht die sogenannten „anderen Bands“, die mit einer offiziellen „Einstufung“ der DDR-Behörden unterwegs waren?
Die Antwort ist ganz einfach: Die legalen Bands hatten bereits zu DDR-Zeiten ihre Bühne, die illegalen Bands sind oft nicht aus den Kellern gekommen, in die sie durch ihre konsequente politische Haltung verbannt waren. Demzufolge ist die Überlieferung beider Szenen überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Die illegalen Bands haben, wenn überhaupt, unter prekärsten technischen Bedingungen ihr Material aufgenommen, von „eingespielt“ kann zumeist gar keine Rede sein. Die Bands mit staatlicher Spielerlaubnis konnten zu großen Teilen in Studioqualität aufnehmen, außerdem entstanden professionelle Live-Aufnahmen, Fotos, Filmmaterial etc. Natürlich lässt sich das leichter überliefern, so dass Material der illegalen Bands kaum zur Aufführung kommt. Das heißt, dass der Spot immer schon auf die legalen Bands gerichtet war und die nicht-legalen Bands außerhalb dieses eingeschränkten Lichtkegels standen. Daran ändert auch die eine oder andere Compilation zu Ostpunk nichts, zumal auf ihnen auch Bands mit „Pappe“, also mit behördlicher Spielgenehmigung, vertreten sind. Dieser Unwucht wollte ich begegnen und wenigstens einen kleinen Teil zu einer Korrektur beitragen.

Wo entstanden Probleme bei der Recherche? Etwa bei den Erinnerungen der Befragten?
Wie nicht anders zu erwarten, ist über die Jahrzehnte einiges überschrieben oder auch unter den Lawinen eines Lebens verschütt gegangen. Einiges wird auch gern zurechtgebogen, um noch mehr Underground als andere gewesen zu sein, vor allem in einem Wettlauf zurück in der Zeit. Punk ist besonders von einem Wettbewerb geprägt, möglichst der Erste gewesen zu sein oder die eigene Band vorzudatieren. Eine Intention von „Tanz den Kommunismus“ ist es, auch mit Mythen, mit Verklärungen aufzuräumen. Sicher finden sich in dem Buch auch naturgegebene Unschärfen, ich war jedoch sehr darum bemüht, die Kontraste zu schärfen und jedem Versuch von Personenkult zu begegnen, auch indem ich ihn gelegentlich zum Thema mache, ein äußerst dankbares Sujet!

Warum hast du jedes Kapitel über die Bands in Form von Shortstorys verfasst?
Ich habe „Tanz den Kommunismus“ wie einen Erzählungsband aufgefasst. Jedes Bandporträt sollte unabhängig von den anderen gelesen werden können, je nach Interessenlage. Andererseits handelt es sich auch um einen grellbunten Reigen an Geschichten, die natürlich alle miteinander zusammenhängen. Wenn man das Buch als Ganzes gelesen hat, dann bekommt man als Leser:in, so meine Hoffnung, einen ganzheitlicheren Eindruck dessen, was Punkrock Ost war. Ich gestehe hier auch frei, dass ich immer auch an die Damen unter den Lesern gedacht habe. Als DJ weiß ich, dass der Beat ohne Melodie nur monochrom funktioniert. Ich verspürte kein Bedürfnis für die Lexikalisten, Sammler und bloßen Faktenchecker in der Männerschar zu schreiben. Für mich war sozusagen auch ein weibliches Element von Bedeutung, dass sich seinen Emotionen nicht über den Umweg einer historischen Geschichtsschreibung nähern muss.

Ich habe deinen Schreibstil schon fast als lyrisch wahrgenommen ...
Vielleicht wäre „poetisch“ der zielgenauere Ausdruck. Mir lag sehr daran, keine künstliche Rotzigkeit, aber auch keinen akademischen Ton anzuschlagen. Durch die Verwendung eines hohen Tons, der schon durch das Sujet seine Brechung erfährt, durch die Verwendung von Stilblüten, die dennoch möglichst präzise den Kern der Sache treffen, war ich bemüht, dem Thema auch mit Distanz zu begegnen. Ich denke, vor allem dadurch kommt man dem Phänomen näher als durch einen protokollarischen Ton. Punk bedeutete für mich immer, mich neu zu erfinden. Ich hoffe, ich habe einen neuen Ton in der Rezeption gefunden.

Welche Resonanz hat es bisher auf das Buch gegeben?
Es gab sehr viele persönliche Reaktionen von Freunden und von Zeugen der Zeit. Ich kann zu meinem nicht geringen Glück sagen: sie waren durchweg positiv. Dankenswerterweise gab es auch einiges in Funk und Print. Auch da gibt es keinen Grund, sich zu grämen, die Rezensionen waren immer gut bis sehr gut. Vielleicht hat das auch mit einem Grundton des Buchs zu tun, der versucht, eine dem Phänomen adäquate Sprache zu finden, ohne dass diese Punk-Klischees bemüht werden. Zumindest habe ich versucht, Klischees zu vermeiden und dahingehende Erwartungen, die immer selbe Leier anzustimmen, möglichst zu enttäuschen.

Du sprichst vom „monotheistischen Kult um den westdeutschen Underground der Achtziger Jahre“. Auf Nasty Vinyl/Höhnie ist schon 1991 die Compilation „Sicher gibt es bessere Zeiten, doch diese war die unsere“ mit DDR-Punkbands erschienen, wie auch in der Folge zahlreiche Veröffentlichungen von SCHLEIM-KEIM, MÜLLSTATION oder BRECHREIZ 08/15 ...
Zur DDR-Gegenkultur, nicht nur zu Punk im Osten, ist inzwischen einiges erschienen. Das hat im Unterschied zur Rezeption des westdeutschen, ich möchte beinahe sagen: zum „kapitalistischen“ Underground sehr viel länger gedauert und war auch ganz sicher eine Reaktion darauf, dass der Ost-Underground in Publikationen, Filmen und Ausstellungen über Jahre bestenfalls als Randnotiz Erwähnung fand. Ein besonders krasses Beispiel an Ignoranz und Arroganz war die Ausstellung „Geniale Dilletanten“, die 2015 stattfand, in der gerade mal die Ost-Berliner Underground-Band ORNAMENT & VERBRECHEN eine Ecke zugewiesen bekam, stellvertretend für den gesamten ostdeutschen Underground, für alle Phasen, die er durchlief! Übrigens hat sich die Kuratorin der Ausstellung deswegen eine schwere Ansage von Alfred Hilsberg eingehandelt, der zu den wenigen zählte, der schon während der 1980er Jahre, aber auch später, ein Auge, ein Ohr und vor allem ein Herz für den Ost-Underground hatte. Im Grunde setzt sich hier die Unwucht in der Überlieferung zwischen legalen und illegalen Bands im Osten fort. Der West-Underground ist eben zumeist High-End überliefert und in Farbe. Dagegen kommen die schwarzweißen Amateurfotos, die paar Filmschnipsel und verrauschten Field-Recordings kaum an. Zumal die Szene in der DDR natürlich ungleich kleiner war als in der ehemaligen BRD. Das ist auch alles begreiflich und letztlich geht es auch nicht darum, welche Gegenkultur, ob Ost oder West, nun präsenter ist. Interessant wäre mal eine Publikation, die sich einer gesamtdeutschen Beschreibung widmet. Die lässt auf sich warten. Ein entsprechender Versuch wurde, soweit ich informiert bin, von ostdeutscher Seite abgebrochen, da es die Befürchtung gab, wieder nur als Anhang des West-Undergrounds zu enden. Andererseits bleiben alle Publikationen zum Ost-Underground immer auch westbezüglich, da unsere Vorbilder nicht im Ostrock, sondern in der Popkultur des Westens zu finden waren. Die Liebe war stets etwas einseitig.

Du hattest auch eine eigene Band, THE LEISTUNGSLEICHEN. Wie sind deine eigenen Erfahrungen?
Ich würde sagen, die LEISTUNGSLEICHEN hatten gerade mal eineinhalb Konzerte, eines im Wohnzimmer meiner Mutter, eines unter der Gertraudenbrücke in Berlin-Mitte, an dem nur gelegentliche Passanten teilhatten, bis dann die Wasserpolizei längs kam und uns verscheucht hat. Eine bizarre Geschichte. Die LEISTUNGSLEICHEN sind nicht exemplarisch für den Punk-Underground. Es gab heftigere Bands – auch bessere! –, vor allem Bands, die die volle Breitseite abbekommen haben. Ich bin eigentlich erst aktenkundig geworden, als ich sozusagen Post-Punk, in den Literatur-Underground eingestiegen bin und in der politischen Opposition aktiv wurde. Aber die LEISTUNGSLEICHEN markieren als Sänger und Texter den Beginn meines Schreibens.

Warum hat es deiner Meinung nach doch fast 15 Jahre gedauert, bis sich jemand mittels „Too Much Future“ mit dem DDR-Underground beschäftigt hat? Du hast ja 2004 das Drehbuch der Kinodokumentation „ostPUNK! – too much future“ geschrieben.
Hier zeigt sich wieder eine positive Seite der erwähnten Unwucht; das Bewusstsein für die eigene Geschichte, auch für die eigene Leistung wurde durch Bücher und Filme zu Punk in West-Europa geweckt. Andererseits hatten beinahe alle Ostler nach dem DDR-Infarkt auch erst einmal damit zu tun, sich in den neuen Verhältnissen zu orientieren. Auch durch den Systembruch gab es gebrochene Biografien, viele standen vor dem Nichts, ideell wie finanziell. Es galt aber auch abzufeiern, was bis dahin im Osten einfach nicht möglich war. Wir haben auch erst einmal gelebt, Platten, Konzerte konsumiert, sind gereist, haben irgendwelche meist kurzlebigen Unternehmen gegründet. Waren mit Stasi-Enttarnungen im eigenen Umfeld beschäftigt. Es brauchte seine Zeit, um sich der Vergangenheit auch reflektierend und nicht nur reagierend zuzuwenden, da erst einmal eine akute Gegenwart ihr Recht eingefordert hat.

Du schreibst: „Mein Undank dem System DDR, mein Dank aber dem Privileg seiner Erfahrung“. Wie kannst du diesen Widerspruch für dich selbst auflösen?
Ich war sehr bemüht, in dem Buch nicht auf die Leiche DDR einzuprügeln. Ich wollte sie nicht wohlfeil in die Pfanne hauen, aber natürlich bekommt sie ihr Fett weg. Den Staat habe ich zur Zeit seines Bestehens aktiv verachtet, für alles, was er mir vorenthalten hat, was er vielen Freunden angetan hat. Ich selbst hatte konkret vier Ängste: zur Armee zu müssen – habe schließlich totalverweigert –, in den Knast zu müssen – laut Aktenlage knapp vorbei geschrammt –, dass die Stasi versuchen würde, mich zu werben, und dass ich nie die weite Welt sehen würde. Ob diese Ängste nun Punk-bedingt oder gar antiautoritären Reflexen in einem autoritären Staat geschuldet waren, ist letztlich irrelevant. Ich war letztlich Verweigerer und wurde vom Staat gejagt, in der Rückschau wird aber immer deutlicher, dass wir den Staat gejagt haben! Heute bin ich froh, ihn ausgetanzt, durchlitten und auch seine Agonie live erlebt zu haben. Es hat mich gelehrt, mich nicht sicher zu fühlen, da auch die aktuelle Gesellschaftsform ein schnelles Ende haben kann. Ich habe mir meine Skepsis gegenüber gesellschaftlichen Prozessen und totalitären Tendenzen bewahrt. Auch heute ist man bedroht von Übergriffen durch den Staat. Der Staat ist nicht per se mein Feind, aber ich misstraue ihm umso mehr, umso demonstrativer er es nötig hat, sich das Label Demokratie anzuheften. Derzeit verzeichnet mein innerer Seismograph heftige Ausschläge.