Das Debüt-Album der Psycho-Punkrock‘n‘Roller HEARTBREAK ENGINES „Good Drinks, Good Butts, Good Fellows“ ist nach meiner Einschätzung zu einem der Besten in diesem Bereich aus dem letzten Jahr zu zählen. Leider ist dieses zwar schon einige Monate auf dem Markt, aber die Versuche für ein Interview zusammen zu kommen, waren alle kläglich gescheitert. Mal passte es bei den Jungs nicht, mal bei mir. Auf ihrer Tour mit den NEKROMANTIX hat es endlich funktioniert. Halb Aug in Aug, halb telefonisch. Ich sprach mit Sänger Lou.
Psychobilly in diversen Abwandlungen ist in den letzten Jahren wieder aus den tiefsten Abgründen der Subkultur aufgetaucht. Einhergehend mit der Öffnung in Richtung Punkrock und Punk‘n‘Roll ist die Szene wieder deutlich lebendiger und durchaus auch interessanter geworden. Mit Grischa von THE PITMEN und Lou, Ex-Sänger von THE SPOOK, treffen Mitte 2002 zwei Musiker aufeinander und beschließen, gemeinsam neue Wege zu gehen. Verstärkt durch Mitglieder von THE ROCKET, einer früheren Band von Lou, werden die HEARTBREAK ENGINES gegründet. Die Band ist quasi aus dem Nichts zu einem Plattenvertrag gekommen. In der Zeit, in der HEARTBREAK ENGINES nur als Sideproject bestand, wurde fleißig geprobt und erste Songideen erarbeitet. Da aus den vorherigen Projekten bereits Kontakte zu People Like You Records bestanden, bekamen die Jungs nach dem Vorspielen nur eines Demosongs die Aufgabe umgehend ein Album zu erstellen: „PeopleLikeYou-André war sofort begeistert und sagte, wir sollen so schnell wie möglich eine komplette CD aufnehmen. Dafür bekamen wir sechs Monate Zeit. Nicht gerade viel, da wir uns gerade erst richtig formiert hatten und noch in unseren alten Bands aktiv waren, aber wir haben es geschafft.“ Alle früheren Bands wurden verlassen oder lösten sich auf, die Konzentration liegt seitdem ganz auf HEARTBREAK ENGINES. Eine Einordnung der musikalischen Richtung fällt schwer: „Wir haben es aufgegeben, uns einer Richtung zuzuordnen. Wir haben Einflüsse von Psychobilly, Punkrock und Punk‘n‘Roll und mixen alles zu unserem Stil.“
Egal aus welcher Ecke man kommt, die HEARTBREAK ENGINES treten dir in den Hintern. Eine Nähe zum Psychobilly ist kaum hörbar, aber allein durch den Slapbass von Grischa und seine Frisur bleibt die Assoziation natürlich erhalten. „Durch die ersten Konzerte als Support für Psychobilly-Bands und der Tour mit DEMENTED ARE GO waren wir zum Start hauptsächlich in der Psychobilly-Szene bekannt. Das hat sich aber bereits stark geändert, auch wenn wir jetzt für die NEKROMANTIX wieder den Support für eine Psychobilly-Band machen. Dabei hilft es, dass wir im Gegensatz zu DEMENTED ARE GO oder NEKROMANTIX ein gemischtes Publikum ansprechen und nicht mehrheitlich Psychos zu den Konzerten kommen. Vor allem abseits der Ballungszentren haben wir bereits vor größerem Publikum gespielt, wobei dort auffallend mehr junge Leute waren. In Berlin oder im Ruhrgebiet ist das Publikum im Schnitt älter und weniger euphorisch. Besonders die Konzerte in Altmark oder Eisenach waren einfach brutal gut.“
Die schwache Resonanz in Berlin und Bochum mag auch daran gelegen haben, dass diese Konzerte mitten in der Woche stattfanden und man dann kaum erwarten kann, dass die Hälfte angetrunken ist und auf jeden Fall feiert. Aber das ist eine andere Geschichte. Mit dem steigenden Erfolg steigt natürlich auch der Zeitaufwand, dennoch ist die Musik reines Hobby. Erstes Opfer war Gitarrist Fuse: „Fuse ist Vater geworden und hat sich auch beruflich verändert. Er hat das alles nicht unter einen Hut bringen können und hat sich aus der Band verabschiedet. Der Zeitaufwand ist eben auch enorm. Der Urlaub geht für Touren drauf und die Wochenenden sind zu einem Großteil verplant. Wir haben nach einigem Suchen aber wieder guten Ersatz gefunden.“ Dies bringt uns zum nächsten Punkt: Wie kommt eine Gruppe, die von vielen Seiten positive Resonanz erhält, aus dem Status einer guten Vorgruppe für Psychobilly-Bands heraus? „Mit dem nächsten Album, das für April 2005 geplant ist, möchten wir versuchen, mit eigenständigem Auftritt und einer Tour als Headliner aus dem Schatten herauszutreten, speziell in Deutschland und England. In England waren wir bereits auf einem Festival und sind dort von der positiven Rückmeldungen völlig überrascht worden. Es ist immer noch etwas besonderes, in England akzeptiert zu werden. Die Nachfrage von Zeitschriften und Radiosendern war dort weit größer, als wir gehofft hatten.“
Auch wenn man sich der Psychobilly-Szene nur bedingt zugehörig fühlt und musikalisch nur angrenzend dazu gehört, bietet die enge Verbindung nicht nur Nachteile: „Alle großen europäischen Psychobilly-Bands touren in den USA und spielen dort teilweise vor ausverkauften Hallen. TIGER ARMY haben dort vor ein paar Jahren einen neuen Markt eröffnet, dem sich natürlich keiner entziehen möchte. Auch wir hoffen im nächsten Jahr dort etwas bewegen zu können. Ein Highlight soll ein Festival in Tijuana, Mexico werden. Besonders die Westcoast ist gerade unglaublich verrückt nach Psychobilly und allem, was sich in dem Umfeld bewegt. Wenn die alle über die Grenze fahren, dort alle großen Bands der Szene auftreten, und wir ein Teil davon sein können, ist das schon eine große Sache.“
Bis dahin vergeht aber noch etwas Zeit. „Wir haben die Arbeiten am neuen Album fast abgeschlossen, sind jetzt auf Tour mit den Nekros und können schon einige Songs live antesten. Wir planen zwar keine musikalische Neuausrichtung, die neue Platte wird sich dem Vorgänger anschließen, aber ein bisschen Veränderung im Sinne von Verbesserung wollen wir schon. Daher ist es eine gute Gelegenheit, ein paar Songs vorab live spielen zu können.“
Mein erster Eindruck in Bochum war diesbezüglich sehr gut, die neuen Songs haben großes Potential. Wobei ich einschränken muss, dass der Sound im Zwischenfall eher mäßig war, und es von Vorteil ist, wenn man die Lieder vorher kennt. Der volle Sound der HEARTBREAK ENGINES erleichtert die Sache nicht, ist aber deren Stärke. Zwei Gitarren und ein treibender Slapbass wollen erst einmal gebändigt sein. Sänger Lou ist zudem ein Shouter vor dem Herrn. Sein Spektrum ist schon beachtlich und sein Auftreten hat Entertainerqualitäten - so sollte es eigentlich immer sein. Für die HEARTBREAK ENGINES sind die nächsten Monate somit entscheidend für den weiteren Weg. Neues Album, große Welle machen und hoffen, dass der Erfolg sich einstellt: „Klar wäre es klasse, wenn wir ein paar Rechnungen mit dem Erfolg der HEARTBREAK ENGINES bezahlen können. Wir müssen es einfach versuchen, etwas mehr Aufmerksamkeit zu erzielen und natürlich auch Platten zu verkaufen. Wenn wir es beim reinen Hobby belassen, würden wir uns irgendwann bestimmt ärgern, dass wir es nicht wenigstens versucht haben. Schließlich glauben wir an uns.“ Beste Voraussetzungen, wie ich finde. Ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein und genug Ehrgeiz, auch kleine Rückschläge zu verkraften, hat noch nie geschadet. Bleibt nur, den Jungs alles Gute zu wünschen und die Band im Auge zu behalten.
Foto: Sandra Steh
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