HANGMEN

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Ein Fels in der Brandung des Rock'n'Roll

Es ist Mitte Juli und die Luft steht. Ich versuche zwischen verschwitzen Körpern zum Merchandising-Stand zu gelangen. Ich befinde mich im kalifornischen Bakersfield in einem Club namens The Dome, wo gerade SOCIAL DISTORTION ein mehr als glückliches Publikum zurückgelassen haben. THE HANGMEN sind gerade mit ihnen auf US-Tour. Ich bahne mir weiter meinen Weg zwischen tätowierten Unterhemdträgern. Und dann entdecke ich ihn. Bryan Small, Sänger und Gründer der HANGMEN. Ein Mann, der seit über zwanzig Jahren konsequent seinen Weg in Sachen Rock'n'roll geht. Vielleicht einer der Letzten seiner Art. 1984 gründeten sich THE HANGMEN in Los Angeles und spielten in ihren frühen Tagen Shows zusammen mit Johnny Thunders, THE GUN CLUB und den HORSEHEADS. Nachdem er den Drogensumpf der 80er überlebt hat, sah sich Small im Folgenden mit katastrophalen Majordeals und noch so einigen anderen Dämonen konfrontiert.


Doch das ist Vergangenheit. 2007 sind THE HANGMEN in Bestform und veröffentlichen mit "In The City" via Acetate Records eine großartige neue Platte, bei der niemand geringerer als Mike Ness persönlich die Produktion übernommen hat. Die Zusammenarbeit von Ness und Small erscheint wie vorherbestimmt, wenn man die Parallelen und Überschneidungen in den Lebensläufen dieser beiden lebenden Legenden betrachtet. Tatsächlich war man zwar die lange Zeit Fan von einander, lernte sich aber erst vor ein paar Jahren auf einer gemeinsamen Tour näher kennen.

Bereits nach wenigen Worten verrät mein Akzent meine Herkunft aus dem deutschsprachigen Raum. Bryan scheint beeindruckt, dass es jemand aus Europa hierher nach Bakersfield verschlagen hat. Er tippt seine Bandkollegin und Bassistin Angelique Congleton an, und erzählt ihr, dass jemand aus Deutschland hier sei. Schließlich ist man ja selbst bald im guten alten Europa unterwegs.

Und obwohl Bryan bekanntermaßen eher ungern Interviews gibt und lieber seine Songs für sich sprechen lässt, beantwortete er mir dennoch einige Fragen über Punkrock in den 80ern, seine unsterbliche Liebe zu THE GUN CLUB und die Zusammenarbeit mit Mike Ness.

Bryan, du hast mit den HANGMEN 1984 begonnen. Kannst du ein paar Eindrücke mit uns teilen? Was für Bilder kommen dir in den Kopf, wenn du an Punkrock in den 80ern denkst?


Jede Menge Bier. Als wir damals anfingen, waren die meisten Songs, die ich schrieb, in Wahrheit von THE GUN CLUB geklaut. Je mehr Songs ich schrieb, desto mehr haben wir angefangen, unseren eigenen Sound und unsere Identität als Band zu finden. Je mehr Shows wir spielten, desto besser konnten wir dem Publikum unsere Version von Rock'n'Roll vermitteln. Wir haben nie versucht, die professionellste Band zu sein. Wir haben uns nicht besonders darum gekümmert, die richtigen Noten zu treffen oder Ähnliches. Alles war eher primitiv und im Moment verhaftet. Ich denke, unsere Live-Shows sind immer noch ein wenig so. Was Bilder von damals betrifft ... Ich habe Bilder im Kopf von Aschenbechern und ohnmächtig werdenden Mädchen, von leeren Bierdosen und Flaschen. Ich habe Bilder im Kopf, wie wir uns THE HORSEHEADS oder THE CRAMPS anschauten ...


Ihr habt unter anderem auch mit Johnny Thunders gespielt. Was für eine Erfahrung war das für euch?

Mit Johnny zu spielen war eine ganz große Sache für uns. Vor allem, weil wir Fans waren. Wir hatten aber das Gefühl, dass wir es verdient hatten, ihn zu supporten. Wir wussten aber auch, dass wir für Leute spielten, die hinter uns stehen und uns unterstützen würden.


Du hast vorhin die legendären THE GUN CLUB erwähnt. Eine Band, die sehr großen Einfluss auf dich hatte. Kannst du dich erinnern, wie diese Liebe, wenn ich es so nennen darf, anfing?

Von dem Moment an, als ich zum ersten Mal "Fire Of Love" hörte, hatte sich meine Welt verändert und ich wusste, was ich mit meinem Leben als so genannter Musiker anfangen wollte. Ich kann es nicht in Worte fassen, was das für einen Effekt auf mich hatte. Es ist eben so, für manche Menschen sind es die Stones, RAMONES, THE DAMNED oder wer auch immer. Für mich waren es THE GUN CLUB.


Lass uns über eure neue Platte "In The City" sprechen. Die Produktion übernahm ja niemand geringer als Mike Ness persönlich. Du hast, was den Sound der HANGMEN betrifft, immer alle Entscheidungen ganz alleine getroffen. Was für eine Erfahrung war die Aufnahme von "In The City" für dich?

Es war großartig, mit Mike Ness zusammenzuarbeiten. Manchmal war es aber schon schwer, die Kontrolle abzugeben. Ich bin einfach nicht daran gewöhnt, dass jemand anderer soviel beim Sound der Songs auf einer HANGMEN-Platte mitzureden hat. Ich habe aber sehr viel von Mike gelernt und würde es jederzeit wieder so machen.


Der Song "Train" wurde ja sogar von dir und Mike Ness gemeinsam geschrieben. Wie kann man sich euer Zusammenwirken dabei in etwa vorstellen?

Bei dem Song "Train" hatte ich schon alle Akkorde und auch den Großteil des Textes fertig gestellt. Mike hat dann die "verses" ausgeweitet und einige "vocals" hinzugefügt, die mir einfach nicht gelingen wollten. Er hat es geschafft, dass die "vocals" so richtig gut rüberkommen. Außerdem hat Mike Rane Raitsikka geholfen, die richtigen Gitarrenriffs zu finden, um diesen besonderen Train-Vibe entstehen zu lassen. Indem Mike diese Dinge hinzugefügt hat, ist der Song einfach ausdrucksstärker geworden.


Bei eurer gemeinsamen Show mit SOCIAL DISTORTION in Bakersfield hat Mike Ness auf die Bedeutung der schwarzen beziehungsweise afroamerikanischen Musik hingewiesen. Vor allem darauf, dass ohne sie kein Rock'n'Roll und im Endeffekt auch kein Punkrock möglich gewesen wäre. Ich konnte im ganzen Publikum nur einen einzigen Afro-Amerikaner ausmachen und diese Tatsache hat mir irgendwie zu denken gegeben. Hast du eine Erklärung dafür?

Ich glaube, dass es wichtig ist, zu erkennen, dass viele Musikrichtungen ohne den Blues nicht möglich gewesen wären. Ich halte es auch für wichtig, anderen Menschen zu vermitteln, dass die Musik, die sie hören, ohne dieses Fundament namens Blues nicht hätte entstehen können. Warum keine Farbigen im Publikum waren, kann ich dir nicht sagen, aber diese Tatsache macht es umso wichtiger, sich diese Dinge in Erinnerung zu rufen.


Glaubst du, dass Musik eine Möglichkeit ist, mit den eigenen Dämonen fertig zu werden?

Ich bin mir sicher, dass Musik in gewisser Weise helfen kann. Es kann einfach nicht der richtige Weg sein, alles Negative nur für sich zu behalten, ohne eine Möglichkeit zu haben es auszudrücken.


Was hat dir die Kraft gegeben, dem Rock'n'Roll über all die Jahre und durch all die Irrwege hinweg treu zu bleiben?

Ich glaube ich hatte, was Rock'n'Roll betrifft, gar keine andere Wahl. Aus irgendeinem Grund hat es mich immer wieder zur Musik gezogen. Ich weiß nicht warum.

Bryan, vielen Dank!