GUZ

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In Guz We Trust

Olifr M Guz: eigentlich sollte man den Mann nicht großartig vorstellen müssen. Seit Jahren bereist er die Club-Bühnen des deutschsprachigen Raums. Gut, sonderlich erfolgreich im monetären Sinn wurde er nicht damit, dafür wird er aber auch immer noch von der Indie-Bohême heiß geliebt und ist nicht scheiße geworden wie so mancher seiner zeitweiligen Wegbegleiter (vornehmlich aus dem hanseatischen Raum). Aktuell spielt er solo als GUZ mit den AVERELLS als Begleitung, immer wieder mit den Dauerbrennern DIE AERONAUTEN, sowie jetzt neu mit den Rockhistorikern DIE ZORROS. Außerdem ist er seit elf Jahren Studioteilbesitzer. Ein Leben ganz für die Musik also und bisher im Ox eher rudimentär behandelt, weswegen es mich im Mai gen Schweiz zog, um diese Scharte auszuwetzen. Genauer gesagt nach Basel, wo GUZ ein Konzert im NT Areal spielen sollten.

NT steht für „non territorial“ und ist ein Flecken in Basel, der der Deutschen Bahn gehört. Wohl ein lokales Politikum, jedenfalls war die Kneipe, in der das Konzert stattfinden sollte, zwischen all den Containern und Lagerhallen nur mühsam zu finden. Und mein Bruder und ich dachten eher daran, zufällig in einen Drogendeal zu platzen, als hier noch ein Konzert zu erleben. Wir kamen jedoch heil an und zerrten den Herrn Guz, der sich als äußerst sympathischer und gesprächiger (Z)Eidgenosse erwies, flink vors Mikrofon. Dabei leistete ich mir gleich am Anfang des Interviews den Fauxpas sein musikalisches Oeuvre um eine LP (seine vorletzte) zu kürzen, von deren Existenz ich schlichtweg nichts wusste, obwohl sie bei LADO veröffentlicht wurde. Aber „mit GUZ verdient kein Mensch nennenswertes Geld“, so dass die Altruisten von Ritchie Records/Flight 13 für die neue Platte „Geheime Weltregierung“ diesen Job übernahmen. Das liebe Geld war dann auch gleich eines unserer ersten Themen, vor allem in einem so wahnsinnig teuren Land, wie es die Schweiz nun mal ist. Da passt es auch, dass bei einigen Konzerten der Drummer der AVERELLS die Leute aufforderte, GUZ-Platten zu kaufen, weil Olifr so arm wäre.

Wie sieht es aus mit deiner Armut, Olifr, Übertreibung oder Realität?

Eigentlich ist das nicht übertrieben. Ich habe zwar keine 21 Kinder, wie behauptet wurde, sondern nur eins, aber ich überlege mir schon jede Woche einmal, ob ich nicht die Musik hinschmeißen und normal arbeiten gehen sollte. Vor drei Jahren hab ich zum letzten Mal was Normales gearbeitet und das war wie Urlaub. Die Anderen sitzen da in der 9 Uhr-Pause rum und schimpfen über den Chef, dann ist Mittag, am 25. hast du die Kohle für den Monat auf dem Konto. Okay, morgens um acht ist bisschen früh, aber um fünf schmeißt du den Kram hin, und fertig. Ist doch wunderbar.

Was spricht dann gegen diesen „Urlaub“?

Gegen den Urlaub in der Arbeitswelt? Na, dass es mich spätestens nach einem halben Jahr ankotzen würde! Die Musik ist halt das, was mir immer noch am meisten Spaß macht und deswegen habe ich auch gar keine Lust damit aufzuhören.

Die DIE AERONAUTEN werden ja immer ausgefeilter, mit teils recht komplizierten Arrangements. Ist GUZ für dich eine Art Ausgleich, da es sich hier ja doch einfach um Rock’n’Roll handelt?

Was ich mit GUZ mache, dafür sind DIE AERONAUTEN nicht geschaffen, das ist meine Privat-Diktatur. Mein Ding ist schon mehr die wildere Seite und die kann ich bei GUZ besser ausleben. Bei den AERONAUTEN geben eben fünf Leute ihren Senf dazu, was ich auch super finde, aber manchmal möchte ich musikalisch bestimmte Sachen einfach so oder so machen. Na ja, wenn ich mir es recht überlege, sind eigentlich die AERONAUTEN der Ausgleich zu GUZ.

Ein Lied, das auf der „Geheime Weltregierung“-LP gleich hängen bleibt, ist „Hanfdemo“. Du erzählst auch bei Konzerten immer, wie das so ist, wenn in einer Stadt mit 30.000 Einwohnern wie Schaffhausen acht Hanfläden existieren.

Tun sie eben nicht mehr, weil das Sozialreferat dagegen war. Deswegen wurde ja auch die Hanfdemo organisiert, nur ist da keiner gekommen, da die meisten Cannabiskonsumenten wohl irgendwie den Termin verschwitzten. Trotzdem muss sich hier wegen Kiffen niemand besonders Sorgen machen. Ich muss dazu auch sagen, ich kiffe fast nicht. Aber was hartnäckigen Kiffern so durch den Kopf geht, also in Bezug aufs Kiffen, hat schon einen großen Unterhaltungswert. Leute, die seit Jahren kiffen, fangen dann an sich für Chemie und Gartenbau zu interessieren und können dir nächtelang erzählen, was sie zu Hause in ihrer Schublade für ein Gras haben. Auch diese ganze Zeitschriftenkultur über die Kifferei, was es da nicht alles gibt, zum Beispiel das Hanfblatt – also die langweiligste Zeitschrift der Welt, wenn man dem Kiffen in seinem Leben keine besondere Bedeutung beimisst. Bei den Hanfläden in meiner Straße fand ich es halt so lustig, dass die Betreiber zig Shampoos, Taschen, Hosen und Mützen in die Schaufenster stellten, nur dass der Eindruck erweckt wird, Kiffen hätte was mit Mützentragen zu tun.

Ein anderes schönes Lied ist „Schwarzer Block Girls“. Etwas verkürzt geht es bei dem Lied ja um harte Nazi-Skins, die eigentlich gerne eine hübsche, aktive Freundin hätten, wie die Mädels vom Schwarzen Block. Es bleibt ihnen aber nur der Kampfhund zum Kuscheln, während die Girls in der Toskana Urlaub machen. Schon mal Feedback von dem Verein bekommen?

Nee, leider noch nicht, hätte ich aber gerne. Ich interessiere mich generell für verschrobene Gemeinschaften, ob das jetzt Nazis sind oder der Revolutionäre Aufbau in Zürich. Klar, man kann und darf Links nicht mit Rechts vergleichen, und den Schwarzen Block nehme ich in dem Lied eigentlich nur als Äquivalent für den Revolutionären Aufbau, weil man ‚Revolutionärer Aufbau Girls‘ nicht so gut singen kann. Na ja jedenfalls ist das in Zürich so ein kommunistischer Verein, der 1918 stehen geblieben ist – deren Wandzeitung ist ein wirklich großartiges Blatt. Wenn Ford in Kanada 800 Arbeiter entlässt, dann fordert der RA einen Generalstreik für die Schweiz aus Solidarität zu den kanadischen Arbeitern. Zeigt auch manchmal Wirkung, denn ein Lehrling soll dem Aufruf gefolgt und einen Nachmittag Blau gemacht haben.

Wäre für dich politisches Engagement in Frage gekommen?

Jein, Ende der 80er, Anfang der 90er gab es in Zürich eine Szene mit Häuserbesetzern. Da war ich schon einigermaßen dabei, wobei ich immer etwas Abseits stand, denn dieser dogmatische Scheiß ging mir schon immer auf den Wecker. Was ich sehr interessant fand, waren die Demos, weil da auch immer Gewalt und Sachschaden mit im Spiel waren. Wenn die Bullen vor dir stehen und auf dich mit ihrem Gummikram zielen, irgendwo brennt ein Auto, das ist schon geil. Geil im Sinne, dass man kurz das Gefühl hat, es geht ans Eingemachte, und in dem Moment ist es auch scheißegal warum. Natürlich ist das Selbstzweck – man legt sich einfach mit den Bullen an. Mist ist, wenn du das danach reflektierst, dann kommst du zu dem Schluss, dass das einfach dummes Zeug ist. Aber richtig politisch engagieren, da habe ich den Sinn und Zweck nicht eingesehen. Da werden hohle Parolen rumgereicht, aber wenn du dich ein bisschen dafür interessierst dann kommst du darauf, dass das alles nicht so simpel ist. Außerdem gibt es so viele linke Gruppen, die dich vereinnahmen wollen, das nervt einfach.

Die neue Platte ist, wie du vorhin schon sagtest, eine richtige Rock’n’Roll-Rakete. Vor allem bei den rotzigen, bluesigen Sachen schimmert meines Erachtens immer wieder Billy Childish durch. Das ist schon ein großer Einfluss für dich, oder?

Ja, vor allem die MILKSHAKES, seine Band von 1980 bis 1984. Das ist nach wie vor die größte Rock’n’Roll-Band aller Zeiten. Die sind für mich das, was für andere die BEATLES oder die ROLLING STONES sind.

In diesem Zusammenhang müssen wir auch über DIE ZORROS sprechen, deine neueste Band.


DIE ZORROS wurden eigentlich als Begleit- und Untermalungsband für ein Theater gegründet. In dem Theater war vorgesehen, dass eine billige, elendige Bierzeltkapelle zwischen allen Stilen auf sich aufmerksam macht. Die Sache fiel dann ins Wasser, aber DIE ZORROS sind geblieben. Mit dieser Band ist es auch ganz erstaunlich, dass so Konzertgänger wie wir das lustig finden, aber das Kulturpublikum, also die richtigen Bildungsbürger, finden das total dufte. So gescheite Zahnärzte, die haben sich wahrscheinlich schon immer mal gewünscht zu ‚Lady in black‘ oder ‚Ti amo‘ zu tanzen, aber das geht natürlich nicht. Und jetzt kommt da so eine schrullige Band, die nach Kultur aussieht und bei denen darf man das dann. Das sind dann natürlich auch die besten Auftritte und erntet auch einiges an Zuspruch. Das Prinzip bei den ZORROS ist, wenn wir ein Stück aussuchen, dürfen wir nicht nach Hause fahren und das dann raushören, sondern wir müssen es sofort im Proberaum so spielen, wie wir es im Ohr haben und das muss in einer Viertelstunde klappen. Wenn es nicht klappt, lassen wir es bleiben.

Noch zwei Fragen zum Abschluss, die du schon mal im Bayerischen Rundfunk bei Achim Bogdahns Fankurve im Zündfunk beantworten durftest. Los geht es mit der prominentesten Person, die du je in deinem Leben getroffen hat?

Hm, mal überlegen, gestern Roy Ellis, Erfinder des Skinhead-Moonstomp aus Jamaika. Hat ‘69 die ganze Skinhead-Welle populär gemacht und ist dann später auch von den SPECIALS gecovert worden. Und den Mann hab ich gestern in meinem Studio aufgenommen.

Wie kommt der Mann in die Schweiz nach Schaffhausen?

Der wohnt hier in Basel. Der nimmt mit einer Ska-Band aus Basel gerade
was auf. Netter Kerl, aber ein Aufschneider und Schwätzer. Bei dem muss man nur auf den Knopf drücken ‚Roy, erzähl mal von damals in Jamaika‘ und dann geht’s blablabla ... Ich mit Jimmy Cliff zur Schule und mit den SKATELLITES im Studio, mit Bob Marley natürlich auch ... Jamaika-Schoten halt.

Okay, und auch eine wichtige Frage, nämlich nach deiner Lieblingsband mit 14?

FEHLFARBEN und MITTAGSPAUSE.

Wie findest du die FEHLFARBEN anno 2003?

Viele finden die neue Platte ja scheiße, aber ich finde die ganz gut. ‚Sieh nie nach vorn‘ zum Beispiel ist einfach großartig. Da muss man dem Hein doch mal eben die Kelle schütteln. Warum jetzt viele Leute die neue Platte nicht mögen, weiß ich auch nicht, aber vielmehr müsste man sich fragen, warum EXPLOITED schon wieder eine Platte machen mussten. Jetzt ist auch eine miese Zeit für Wattie, möchte ich behaupten, der ist jetzt wahrscheinlich so 45 und tritt wochenlang vor irgendwelchen besoffenen Schnöseln auf, die seine Kinder sein könnten und aufs Konzert kommen, um sich die Nasen platt zu schlagen. Wenn ich Wattie wäre, würde ich mir mal kurz was anderes überlegen. Aber EXPLOITED ist die größte Kommerzwichse, die es irgendwo schon mal gegeben hat. Wenn Wattie allerdings noch mal 20 Jahre durchhält, dann Hut ab, das muss man schon sagen.