Oder sollte das besser weg? Wir sprechen mit Frontmann Mr. Sanz über die vielen Schichten, die sich mitunter hinter Liebe und Sexualität verbergen können.
Euer neues Album „Mitten ins Herz“ hat Liebe als Leitmotiv. Mir ist aufgefallen, dass es in den Texten meist nicht um glückliches Verliebtsein geht, sondern ganz oft einen bösen oder bitteren Nachgeschmack hat. Geht Liebe für euch denn immer mit Leid einher?
Ja, das ist ja das Gimmick an dem Album, denn wenn du über Liebe singst – und wir haben da auch sehr klischeebeladene Titel wie „Mitten ins Herz“, „Du bist es wert“ und so was –, dann sind das im Kern auch Liebeslieder, aber Liebe ist schließlich nicht immer nur Friede, Freude, Sonnenschein. Wenn du es als Yin und Yang betrachtest, ist Liebe ja auch immer mit einer Schattenseite verbunden. Also mit Leiden, mit Aufopferung, und entweder kommt am Ende etwas Gutes dabei raus oder etwas Schlechtes. Und gerade diese Schattenseiten, die in Liebesliedern meistens nicht besungen werden, haben wir uns rausgepickt und versucht darzustellen, denn sie existieren ja, aber oftmals wird es eben unter den Teppich gekehrt. Für mich ist es wichtig, damit einen Gegenentwurf zu den typischen Lovesongs, die man sonst hört, zu schaffen.
Hat eine Beziehung wirklich Zukunft, wenn in erster Linie das Leid im Vordergrund steht?
Finde ich schon, ja. Wir stellen das im Titelsong „Deine Liebe“ zum Beispiel mit einem Kampf dar. Ich sage da ja auch, dass es nur noch uns zwei gibt. Das ist also wie so ein ewig währender Kampf, den man austrägt. Man muss immer wieder kämpfen oder etwas reparieren. Das Ganze theatralisch mit einer Schlacht gleichzusetzen, heißt ja, dass es auch Verluste geben kann, aber die Grundaussage ist trotzdem immer positiv. Es ist wert, darum zu kämpfen. Deshalb auch „Du bist es wert“. Unterm Strich sind es ganz viele Komplimente, einfach nur in eine andere Schale verpackt.
Wo du gerade dieses Lied ansprichst, es enthält die Passage: „Du bist es wert, dass ich leide / Du bist es wert, den Schmerz zu spüren / Kette mich an deine Scheide / Du bist es wert zu onanieren“. Da haben wir beim ersten Hören alle direkt gesagt: Okay, bitte was?
Das ist ja alles sehr metaphorisch formuliert, und wenn man auch mal solche Wörter einfließen lässt, trifft man die Menschen emotional ganz anders. Man horcht erstmal auf. Aber es ist noch lange kein Hip Hop-Slang, sondern noch genau im Korsett des Lyrischen drin. Und worum es da geht: Einfach nur darum, dass man sich zur Treue verpflichtet. Das ist eine sexuell interpretierte Metapher dafür, dass ich einer Frau treu bin. Und das mit dem Onanieren, also bevor ich zu jemand anderem gehe ... Du verstehst, was ich meine, haha!
Wir leben ja in einer Zeit, in der man mitunter sehr schnell anecken kann, auch wenn man sich vielleicht gar nichts Böses dabei gedacht hat. Wie siehst du da kontroverse Lyrics? Macht das marketingtechnisch noch Sinn oder ist das heutzutage eher ein Nachteil?
Ich halte Provokation prinzipiell erstmal für etwas Cooles in der Kunst. Aber womit man provoziert, ändert sich eben auch mit dem Zeitgeist. Heutzutage, da sich jeder Zwölfjährige einen Porno auf dem Handy angucken kann, ist Provokation wie früher in dem Sinne gar nicht mehr möglich, da verbotene Sachen ja jetzt frei zugänglich sind. Aber im Bereich Marketing, dass man provokative Themen künstlerisch verpackt, das finde ich immer wieder spannend. Zum Beispiel RAMMSTEIN schaffen das immer wieder, selbst in der heutigen Zeit noch. Die stehen am Galgen im KZ, und alle explodieren vor Aufruhr. Ich denke, das ist ein so schlechter Marketinggag, aber es funktioniert einfach. Und so was mag ich, wenn du kalkuliert einen Nerv triffst, aber ohne dass es billig wirkt. Es muss nicht Splatter oder Nacktheit oder vulgäre Sprache beinhalten. Also, Provokation ja, wenn es einen Mehrwert für das Werk bringt oder den Finger in die Wunde legt bei gesellschaftlichen Fragen beispielsweise.
© by Fuze - Ausgabe #85 Dezember/Januar 2020 und Jenny Josefine Schulz
© by Fuze - Ausgabe #85 Dezember/Januar 2020 und Jenny Josefine Schulz