„My President’s a neo-Nazi. Don’t listen to them, you are not free,” sang GRANDSON alias Jordan Edward Benjamin bereits auf einer seiner ersten Veröffentlichungen und macht deutlich, dass Probleme bei ihm nicht unbedingt durch die Blume angesprochen werden. Wir haben uns zum virtuellen Gespräch mit dem kanadisch-amerikanischen Sänger getroffen um über sein Debütalbum, Weltansichten und Aktivismus zu sprechen.
Dein Album trägt den Titel „Death Of An Optimist“ ganz schön düster, findest du nicht? Was verbirgt sich dahinter?
Der Titel kam zustande, als die Songs schon fertig waren. Er symbolisiert eine Weggabelung, die in zwei Richtungen führt. Wir stehen als Kollektiv zynisch und apathisch daneben und überlegen, welchen Weg wir nehmen sollen. Wir können uns für einen der beiden entscheiden. Aber ich will lieber mit dem Kopf durch die Wand in der Mitte, statt nach rechts oder links abzubiegen. Ich glaube, dies fasst das Album und meine Erkenntnisse des Albums sehr gut zusammen. Ich habe gelernt, dass wir nicht naiv darauf hoffen sollen, dass die Welt sich von selbst rettet. Diese Hoffnung verschlimmert unsere Probleme nur, während wir nach dem lautesten und pompösesten Entertainment suchen um uns abzulenken. Hoffnung kann nicht der Motor von Veränderung sein. Wir selbst und unser Handeln müssen dieser Motor sein. Hoffnung kann das Öl sein, aber ohne Motor bewegt Hoffnung nichts.
Deine Texte sind sehr sozialkritisch und du hast bereits eine EP-Trilogie mit dem Titel „A Modern Tragedy“ veröffentlicht. Handelt es sich hier wieder um ein Konzeptwerk?
Nicht wirklich. Ich wollte ein Konzeptalbum schreiben, dass sich aber nicht so anfühlt. Die Songs stehen für sich und funktionieren außerhalb des Albums, aber das Album dient als Sammelbecken, welches mein künstlerisches Schaffen aufnimmt. Das dominante Thema des Albums ist die Spannung zwischen der Hoffnung, die ich fühle, und der Arbeit, die als nötig empfinde, um diese Hoffnung umzusetzen.
Arbeit ist ein schönes Stichwort, denn du bist selbst Aktivist und hast die Initiative „XX Resistance Fund“ ins Leben gerufen. Dort versuchst du Hilfsorganisationen eine Stimme zu geben, ist das richtig?
Genau. Als wir in Europa waren, haben wir uns mit einer Initiative zusammengeschlossen, die sich gegen Rassismus stark macht. In Kanada wiederum haben wir mit einer der größten Organisationen für Mental Health zusammengearbeitet. In den USA arbeiten wir mit Partnern, die sich mit Themen wie Waffengewalt und Klimawandel beschäftigen, oder reißen Hürden ein, damit junge Leute, besonders aus marginalisierten Gruppen, wählen gehen können. Es ist toll zu sehen, wieviele junge Leute sich in diesem Jahr an der Wahl in den USA beteiligt haben. Ich möchte Menschen die Werkzeuge geben, etwas zu verändern, nicht nur die Motivation dazu. Ich betreibe ebenfalls den Podcast XXWhy und versuche junge Menschen zu motivieren sich für etwas einzusetzen, mit „XX Resistance Fund“ können wir ihnen dann direkt noch ein paar Organisationen an die Hand geben, die Dinge verbessern wollen, die ihnen wichtig sind. Wir müssen begreifen, dass wir wütend sind, und dann anfangen etwas zu ändern.
Ich bin begeistert, was du alles machst, woher kommt dieser Tatendrang?
In meiner Familie wurden immer sehr progressive Ansichten vertreten. Meine Geschwister arbeiten ebenfalls daran die Welt zu verbessern. Eine meiner Schwestern arbeitet im Fundraising, meine andere Schwester beschäftigt sich mit Ethik und künstlicher Intelligenz. Was mich am Anfang stark geprägt hat war, die Zeit, als ich begann auf Tour zu gehen. Als ich aus meiner Komfortzone gekommen bin, habe ich realisiert, dass ich in einer sicheren Blase aufgewachsen bin. Ich musste mir erst einmal meiner Privilegien bewusst werden. Umso mehr ich gesehen habe, desto mehr wurde mir bewusst, wie sehr ich viele Dinge als Selbstverständlichkeiten hingenommen habe. Ich habe so viele Privilegien, die wenige andere haben und als mir das klar wurde, war es unmöglich dies zu ignorieren. Ich wollte etwas verändern, zurückgeben. Bei meiner Musik sind alle willkommen, die die Welt verbessern wollen. Wir dürfen keine Mauern bauen und Grenzen schließen, wir müssen eine Gesellschaft formen, in der alle Menschen eine Perspektiven haben. Ich glaube, auch für eine Generation von Immigranten, können wir hier in Amerika eine Zukunft schaffen, wenn wir nur wollen.
Gehen wir nochmal auf deine Musik ein, diese ist sehr vielseitig. Du sitzt quasi zwischen den Stühlen und mixt Rock, Pop, Hip-Hop. Was hat dich inspiriert?
Ich bin in Toronto aufgewachsen, wo ich so viele verschiedene Soundeinflüsse erleben durfte. Ich will Musik machen, die auch vom Klang progressiv ist. Rock ist so wichtig! Und ich will neue Wege finden, ihn lebendig zu halten. Schließlich hat er ganze Generationen geprägt. Es gibt nichts besseres auf der Welt als Rock Musik. Ich war zwar bei unglaublichen Rap-Shows wie Kanye West, Kenndrick Lamar und so weiter, und das war absolut fantastisch. Aber eben keine Rock-Show. Ich möchte die Sprache der jungen Leute sprechen und auch mit Sound experimentieren, aber ich möchte den Spirit von Rock dabei immer in meiner Musik unterbringen. Nichts verzaubert mehr als Schlagzeug, Gitarre und Bass.
Wenn man sich so umschaut wird Rock gerade auf ganz andere Art und Weise wieder modern. MACHINE GUN KELLY, YUNGBLUD, du, ihr seid in aller Munde. Wie erklärst du es dir, dass sich da gerade eine neue Welle anbahnt?
Ich habe mit vielen Musikern gearbeitet, die mit Rock aufgewachsen sind, dann Hip-Hop gemacht haben, weil es interessanter war, und nun zum Rock zurückkehren. Ich denke, es ist eine spannende Zeit für das Genre, und ich kann es nicht erwarten die Zukunft davon zu sehen!
© by Fuze - Ausgabe #85 Dezember/Januar 2020 und Christian Heinemann
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