GOTTKAISER

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Festplattenspieler

Auf die Hamburger GOTTKAISER bin ich gestoßen, als 2006 ihr Debüt erschien und ich in einer Rezension las, dass hier Ex-EMILS- und Ex-... BUT ALIVE-Musiker mitmischten. Da ich Fan von beiden Bands bin und man diese Einflüsse zumindest auf diesem ersten Output noch heraushören konnte, war ich sofort begeistert von der Scheibe. Mittlerweile ist Hagen, ex-... BUT ALIVE, schon länger nicht mehr im Boot und die Band hat ihren Stil stark weiterentwickelt. Da wurde es Zeit, dieser großartigen Band mal auf den Zahn zu fühlen. Björn (Gitarre), Silvia (Bass) und Fred beantworteten meine Fragen per Elektropost.

Bei eurer neuen, dritten CD ist mir gleich das toll gemachte Retro-Cover aufgefallen. Wer hat das fabriziert und wie entstand die Idee dazu?

Silvia: Wir haben lange Zeit damit verbracht, sowohl einen Namen als auch ein geeignetes Cover für die CD zu finden. Irgendwann war klar, dass wir das neue Album ganz schlicht „III“ nennen. Wir haben uns auf die Suche nach einem starken Motiv begeben, das die „Drei“ symbolisiert, und sind auf die drei Turmspringerinnen aus den Dreißiger Jahren gestoßen. Dennis Lauzi, Layout-Gott und GOTTKAISER-Sympathisant aus Mannheim, hat dieses alte Schwarzweißbild dann grandios auf retro getrimmt und dazu noch das Booklet entworfen.

Eure Musik entwickelt sich zunehmend weg vom Punk. Ich höre da inzwischen deutlich mehr „Metal-infizierten“ Rock heraus. Ist das eine bewusste Entwicklung oder ergibt sich das einfach so?

Björn: Das mit der Musik geht auf meine Kappe. Und ich bin – anders als die anderen drei – eher mit SLAYER und METALLICA als mit SLIME und MISFITS groß geworden. Momentan höre ich neben vielen anderen Sachen tatsächlich gerne „Metal-infizierten Rock“ wie BIFFY CLYRO, FAIR TO MIDLAND oder RUSSIAN CIRCLES. Und das färbt natürlich auch auf das Songwriting ab. Aber im Proberaum gibt jeder seinen Input dazu, und unterm Strich klingt’s dann wieder nach GOTTKAISER.

Silvia: Zudem wussten wir beim ersten Album selbst noch nicht so recht, in welche Richtung wir uns überhaupt bewegen werden. Es gab noch einige unveröffentlichte Ideen aus der Vergangenheit, die wir erst einmal als musikalische Starthilfe verwendet haben. Mittlerweile haben wir zwar unseren eigenen Weg gefunden und eine klarere Linie bekommen, was aber noch lange nicht heißt, dass wir nicht alle sehr gerne mit verschiedenen Musikstilen herumexperimentieren und uns auch entsprechend einbringen. Die Texte schreibt allerdings ausschließlich Fred.

Was sind eure musikalischen Einflüsse?

Björn: Johnny Marr, Dimebag Darrell, Ace Frehley, James Hetfield, Martin Gore und Alex Lifeson.

Silvia: Ich habe früher sehr viel Punk gehört – okay, heute eigentlich immer noch, aber ich finde durchaus auch andere Musikstile sehr interessant und bin mittlerweile nicht mehr so festgefahren in eine Richtung. Je nach Stimmung, Lust und Laune lege ich mir die dazugehörige Platte auf.

Ich habe den Eindruck, dass es deutschsprachige Bands, die im weitesten Sinne Punkrock machen, derzeit schwerer haben als noch vor ein paar Jahren, wenn es um Live-Konzerte, Labelsuche etc. geht. Seht ihr das auch so?

Björn: Auf jeden Fall haben es Bands schwer, die aus dieser Ecke kommen und sich in andere Richtungen entwickelt haben. SCHROTTGRENZE zum Beispiel – die fingen ja knietief im Deutschpunk an und waren zum Schluss eine richtig geile, tja, was ... „Rockband“? Das ist immer nicht ganz einfach. Sieht man ja auch bei uns.

Silvia: Die Entwicklung in der Musikbranche nimmt durchaus einen schwierigeren Verlauf, besonders was Live-Auftritte oder Labelsuche anbelangt. Da mittlerweile jede Band darauf bedacht ist, live zu spielen, und auch die Labels das abverlangen, rangeln sich natürlich alle um die Bühne, was häufig dazu führt, dass die Clubs über Monate im Voraus ausgebucht sind. Und klar, die Bedingungen werden natürlich härter, da du in unserer Größenordnung kein Geld mit CD-Verkäufen verdienst, geschweige denn die Unkosten damit deckst.

Ein Teil der Band kommt aus der Hamburger Punk-Szene. Was haltet ihr von den derzeit häufigen Reunions alter Punkbands? Eher unnötig oder durchaus genießbar?

Björn: REFUSED und AT THE DRIVE-IN gibt es ja jetzt auch wieder. Und SOUNDGARDEN und RAGE AGAINST THE MACHINE. Allerdings ist das meistens alles nicht mehr so geil und so relevant wie „damals“. Alles hat halt seine Zeit. Und die lässt sich leider nicht zurückspulen.

Silvia: Bei einigen Bands finde ich es durchaus ganz witzig, sie noch einmal live auf der Bühne zu sehen und ihre Musik zu hören. Häufig bin ich auch ganz erstaunt, wie viel Energie sie immer noch versprühen. Klar, es gibt immer Bands dazwischen, bei denen ich denke, sie sollten lieber in „Rente“ gehen und dort bleiben. Aber generell – warum nicht?

Live habt ihr euch in den letzten Jahren etwas rar gemacht. Ändert sich das 2012? Stehen schon ein paar Konzerte fest, was gibt es sonst an Plänen?

Silvia: Wir würden total gerne mehr Konzerte spielen, aber wie schon gesagt, es wird immer schwieriger, an Auftritte heranzukommen. Hinzu kommt, dass wir natürlich alle im Beruf- und Privatleben ganz gut eingespannt sind, was häufig eine gemeinsame Terminfindung erschwert. Für dieses Jahr wollen wir auf jeden Fall mehr Auftritte planen und sind bereits auf der Suche. Hamburg ist sicher im Sommer dabei, alles Weitere wird sich noch zeigen. Ein Musikvideo ist übrigens ebenso in Planung, was eventuell Mitte des Jahres erscheinen wird.

In eurem Song „Festplattenspieler“ beschäftigt ihr euch mit der zunehmenden Digitalisierung des Alltags. Wie seht ihr da die Zukunft der Printmedien?

Silvia: Ich denke, die digitale Entwicklung wird man nicht mehr aufhalten können und sie ist auch jetzt schon nicht mehr wegzudenken. Aber ich glaube nicht, dass die Printmedien komplett ersetzt werden können, denn es wird hoffentlich auch in Zukunft immer noch Leute geben, die gerne mal ein Buch oder eine Zeitung in die Hand nehmen.

Fred: Im Grunde ergänzt sich beides sehr gut. Für Nachrichten, Kurzinfos oder um eine Frage, die unter den Nägeln brennt, mal eben grob abzuklopfen – dafür ist das Internet aufgrund seiner Aktualität wie gemacht. Aber längere Berichte, optisch schön ausgestaltet und inhaltlich tiefer gehend, die will ich weiter gedruckt lesen. E-Reader als Buchersatz finde ich zunehmend interessant, vor allem um auf Reisen nicht so viele Bücher mitschleppen zu müssen. Bisher hab ich aber keinen. Mich stört, dass die meisten auf einen Händler limitiert sind und somit in erster Linie zur Monopolisierung auf den Markt gebracht werden.

Gibt es die nächste GOTTKAISER-Scheibe vielleicht sogar nur noch als mp3-Download? Wie hört ihr eigentlich am liebsten Musik?

Silvia: Ich kaufe sehr gerne Vinyl, aber auch mp3s, und ich muss wirklich überlegen, wann ich zuletzt eine CD gekauft habe. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass es irgendwann auch keine CDs mehr geben wird. Für unsere nächste Platte werden wir uns wohl auch überlegen müssen, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, die Songs auf CD anzubieten oder doch lieber einfach nur als mp3-Download.

Fred: Ich hingegen kaufe kein Vinyl mehr, rein aus praktischen Gründen. Ich mag den Tonträger, aber er nimmt mir zu viel Platz weg und das Digitalisieren ist umständlicher als von CD. Ich kaufe nämlich nach wie vor eine Menge CDs, die ich dann aber in mp3s umwandle und überwiegend auch so höre. Aber nicht am PC, sondern auf dem mp3-Spieler oder per USB-Autoradio. Zu Hause werden schon noch CDs gehört.