GOD DAMN

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Let's talk about God

Vier Jahre sind eine halbe Ewigkeit im schnelllebigen Musikgeschäft: Ihr zweites und bislang letztes Album veröffentlichten die aus dem britischen Wolverhampton stammenden GOD DAMN 2016, ihr Debüt „Vultures“ nur ein Jahr zuvor. Jetzt sind sie zurück, mit dem von Sylvia Massy produzierten, titellosen neuen Album, und haben ihre Grundformel nicht angetastet: noisig-derber Rock mit psychedelisch-fuzzigen wie ziemlich breitbeinigen Einlagen gleichermaßen, jedoch ohne jeglichen modistischen Schnickschnack. Zwischenzeitlich zum Duo geschrumpft, wüten und wühlen GOD DAMN jetzt wieder zu dritt und bieten Sänger Thom(as) Edward die Gelegenheit, seinen Frust in die Welt zu spucken.

Thom, können wir bitte über „Gott“ sprechen? Ihr heißt GOD DAMN und das Bandlogo, das auch euer aktuelles Artwork ziert, besteht aus zwei Kreuzen, eins aufrecht und eins umgedreht. Was bedeutet das?


Das Logo liest sich für mich als „God Damn“, wenn man den Namen in seiner einfachsten Form ausdrücken möchte. Es ist das Yin und Yang eines musikalischen und spirituell-politischen Konflikts, wenn man es um ein paar Ebenen erweitert. Wir besaßen die Rechte an diesem Motiv schon Jahre, bevor uns klar wurde, das andere Leute etwas Ähnliches verwendeten, SUNN O))) etwa. Und das von der Punkband, deren Name mir gerade nicht einfällt, sieht wohl, auch urheberrechtlich, etwas anders aus.

Und dann erzählt eure Bandbio eine Geschichte, wie du deinen Job als Lehrer nach einem Vorfall mit Bibeln verloren hast.

Ich arbeitete lange als Aushilfslehrer an einer Schule. Man bat mich, den hinteren Teil der Schulbühne aufzuräumen, da stapelten sich hunderte von veralteten Lehrbüchern. Alles sollte raus und zum Recycling gebracht werden. Wir kamen zur Deponie, und mir fiel auf, dass jemand den Wagen mit etwa fünfzig Bibeln aus dem Lager hinter der Bühne beladen hatte. Ich scherzte mit einer Freundin, einer Lehrerassistentin, dass sie mich beim Entsorgen dieser Bibeln filmen sollte. Ich hatte nicht erwartete, dass sie ihr Telefon herausziehen und es tun würde. Ohne zu fragen, lud sie den Clip dann bei Snapchat hoch, was ich nicht benutze, und sofort schickte ein offenbar religiöses Elternteil, das es gesehen hatte, dem Schulleiter eine anonyme Mail, um seine Empörung auszudrücken. Eine mühsame Gewerkschaftsaktion und eine Personalsitzung später hatte ich meinen Job wieder. Eigentlich eine armselige Story, aber sie taugt immerhin gut als Aufhänger für die PR. Ich denke, man könnte das auch als einen symbolischen Akt interpretieren. Für mich ist das ein klares Zeichen für die dringende Notwendigkeit der Trennung von Staat und Religion, in diesem Fall von Schule und Christentum, da das immer noch weit verbreitet ist und früher offensichtlich noch viel schlimmer war.

Und wie ist das mit dem Namen? Leute aus der Punk-Szene sollte er normalerweise nicht weiter aufregen, aber ansonsten hat er eine sehr starke Wirkung.

Er war nur als Scherz gedacht, um die Leute ein bisschen zu ärgern, als es vor fast einem Jahrzehnt losging, aber er hat mit der Zeit immer mehr an Bedeutung gewonnen. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich meiner Bühnenfigur immer ähnlicher werde. Ja, ich liebe es, wenn wir mit dem Namen Anstoß erregen. Im Internet gibt es zig Bibelfanatiker, die Hölle und Verdammnis schreien, irre komisch. Wir hatten einmal jemanden mit einem Transparent vor einer Show in Sheffield, der predigte über die Musik des Teufels und wir müssten Buße tun. Ich bin hin, machte ein Foto mit ihm und plauderte ein bisschen. Er hatte keine Ahnung, dass ich ein Bandmitglied von GOD DAMN war.

Bist du Atheist?

Ich glaube nicht, dass es einen Himmel oder eine Hölle gibt oder etwas im Himmel, das ein absolutes Arschloch zu sein scheint, mit seinem Masterplan, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht meine eigene Form von Spiritualität erforschen kann. Als Kind bin ich mehr oder weniger religiös erzogen worden. Meine Mutter war in der Anglikanischen Kirche und mein Vater katholisch, ich habe meist jedes Wochenende rotiert. Wenn ich also Religion und westliche Spiritualität heute bis ins Letzte hinterfrage, ist das mein gottgegebenes Recht, wie ich finde. Ein beträchtlicher Anteil des Elends der Menschheit hat mit Religion zu tun; Krieg, Gier, die Spaltung der Gesellschaft, Krankheit, das Patriarchat, die Liste ist endlos. Aber meine Argumentation wäre nicht ausgewogen, ohne wenigsten ein paar historische Beispiele für den Nutzen, den das Erforschen von Spiritualität und Moral der Welt brachte, zu nennen. Es gibt einige ziemlich humanistische westliche Ideale, die die Menschheit wirklich vorangebracht haben, aber diese von Haus aus starren Glaubenssätze können sich nicht entwickeln.

Nach dem, was ich gelesen habe, seht ihr den Aufnahmeprozess als Feld für Experimente und künstlerischen Ausdruck, einschließlich einer ungewöhnlichen Mikrofonanordnung und interessante Aufnahmeorte wie ein alter U-Bahnhof. Und welche Rolle hat Sylvia Massy dabei gespielt?

Wir wollten auf jeden Fall, dass dieses Album sowohl seine Einflüsse offen zur Schau trägt als auch etwas völlig Einzigartiges ist. Sylvia war dafür genau die Richtige dafür. Sylvia ist bekannt für ihre verrückten Aufnahmetechniken, so wie sie bei dieser Platte eine Glühbirne in ein Fuzzpedal verwandelte oder das Schlagzeug in einer stillgelegten U-Bahn-Station aufgenommen hat. Wenn du diese Teile tatsächlich isoliert betrachtest, lassen sich diese Klänge und Emotionen, die sie hervorrufen, nicht allein mit Computersoftware reproduzieren, es steckt definitiv Methode und eine Vision hinter unserem kombinierten Wahnsinn. Abgesehen von den vielen Kuriositäten ist das Album so roh, wie es nur sein kann. Drei Freunde, die live im selben Raum aufnehmen, das ist auch mit allen Tricks und Kniffen und Extras der modernen Studiotechnik nicht zu imitieren.

Was ist eure generelle musikalische Idee? Ich stelle mir vor, dass ihr als Musiker ebenfalls ein Konzept habt, genau wie ein Maler, der beschließt, eine Landschaft oder ein Gebäude zu malen, und eine Idee im Kopf hat, wenn er anfängt – oder nicht?

Es kann wirklich von Album zu Album, von Lied zu Lied oder sogar innerhalb von Teilen eines Liedes variieren. Ich schätze eine gewisse Ehrlichkeit, aber damit dieser Künstler alles ertragen kann, muss diese öffentliche Therapie offen für Interpretationen bleiben. Selbst wenn sie mit ihren Texten vage bleiben, müssen sie sie mit Leidenschaft vermitteln. Grau kann bisweilen auch sehr viel Energie ausstrahlen. Ob du glaubst, dass ich das für mich selbst oder für den Zuhörer erreicht habe oder nicht, ist letztlich nur deine Interpretation. Konzepte sind schon allein als Ausgangspunkt großartig, und ich liebe es, wenn ich denke, dass, sagen wir mal, ein Text, den ich zu einem bestimmten Zeitpunkt geschrieben habe, überhaupt keine Bedeutung hatte, und dann seine Bedeutung entweder dem Zuhörer oder mir selbst zu einem anderen Zeitpunkt in der Zukunft offenbart. Das ist für mich persönlich ein echter Gewinn, wenn sich langsam das größere Gesamtbild offenbart.

Wo steht ihr als Band im Jahr 2020? Ihr seid seit zehn Jahren unterwegs, dies ist euer drittes Album – wenn ihr es mit der Zeit direkt nach der Veröffentlichung von „Vultures“ im Jahr 2015 und „Everything Ever“ 2016 vergleicht, was waren damals eure Erwartungen und Hoffnungen, was sind sie jetzt?

Unsere Erwartungen haben sich im Laufe der Jahre mit gewissem Erfolg verändert. Das hat unsere Kunst auf eine Art beeinflusst, die meiner Meinung nach nicht notwendig war. In aller Bescheidenheit haben wir uns bis heute einen schmalen Pfad geebnet, und wenn Leute bei den Shows ausflippen und die Texte mitsingen, ist es unglaublich. Ja, sicher, wir sind jetzt diese Underground-Band, die fast schon Kult ist, und mit der man in eine bestimmte Stadt fahren und Spaß haben kann. Aber wir sind heutzutage so dickhäutig, dass wir einfach nur glücklich sind, dort zu sein, wo wir sind, und dass sich das Ganze in eine wirklich gute Richtung entwickelt. Wichtig ist, dass wir einfach weiter dran arbeiten, das umzusetzen, weswegen wir diese Band überhaupt mal gegründet haben. Wir lieben es, miteinander Musik zu machen, wir verstehen uns die meiste Zeit ziemlich gut, wir suchen uns Songs aus, die wir gerne live spielen, und haben jetzt auch die gleiche Einstellung zur Kreativität.