Über diese GERMS hört man die tollsten Sachen - sie seien die Erfinder des Hardcore gewesen, ihr Sänger soll der erste Punk mit Irokesenhaarfrisur und Skateboard gewesen sein und so weiter und so fort. Ob all diese Anekdötekes stimmen sei mal dahingestellt, fest steht aber, dass die GERMS in der Entwicklung von Punk bzw. Hardcore nicht wegzudenken sind. So haben sie unzählige Bands beeinflusst, eine riesige Fangemeinde gehabt, einen eigenen Kult entwickelt, kurz, diese Band war einfach großartig! Die GERMS, das waren die meiste Zeit ihrer Existenz Darby Crash am Gesang, Pat Smear an der Gitarre, Lorna Doom am Bass und last but not least Don Bolles am Schlagzeug. Die Namen haben sie sich selber ausgedacht... Wie es zu diesem, tja, nennen wir es Phänomen, kam, erfahren wir in den nächsten Zeilen gemeinsam auf einer wunderbaren Reise in die Vergangenheit...
Es begab sich zu der Zeit, als Pat in der siebten und Darby in der achten Klasse waren: die beiden lernten sich bei ihrem gemeinsamen Speed-Dealer kennen. Man kann sagen, dass sie dicke Freunde wurden und zusammen auf ihrer Schule die ersten Kontakte zur gerade erst entstehenden Los Angeles-Punkszene knüpften, neugierig gemacht durch Berichte aus Musikzeitschriften. Und die Sache gefiel ihnen.
Es dauerte nicht lange und Pat und Darby fassten den Entschluss, selber eine Band zu gründen. Nichts einfacher als das, sie zogen durch die Stadt und klebten Flyer, auf denen sie nach "two untalented girls" suchten.
So meldeten sich Terry Rian und Belinda Carlisle, welche die Jungs vorher schon flüchtig kannten. Sie hingen zusammen rum und die Band war also gegründet. Belinda stieg allerdings sehr schnell wieder aus, ohne jemals Schlagzeug gespielt zu haben, die Jungs waren ihr irgendwie zu kaputt. Mit Becky Barton lieferte sie allerdings sofort einen Ersatz (Belindas Karriere als Popstar dürfte der/die ein oder andere von euch ja in jungen Jahren mitverfolgt haben).
Bevor diese Band jemals ein Instrument gespielt bzw. besessen hat, machten sie sich an die Arbeit und machten T-Shirts mit GERMS-Aufschrift und klebten Poster mit ihrem Bandlogo in der Stadt, um den Namen bekannt zu machen.
Indem Becky einen unheilbaren Fall von Leukämie vorgaukelte, überzeugte sie ihre Großmutter, ihr Geld für ein Schlagzeug und ein Bass-Amp für Lorna zu stiften. Geprobt wurde fortan in Pats Garage und bald kamen die ersten Auftritte: beim ersten haben sie nichts als Krach gemacht und Darby steckte sein Mikro in einen Topf mit Erdnussbutter. Das Publikum war schockiert.
Der zweite Auftritt, ein zwei Song-Set, fand im Roxy statt. Belinda besorgte extra Erdnussbutter. Darby fegte über Tische und zerschmetterte haufenweise Gläser. Ihre dritte Show, und die war ihre erste "vernünftige", fand am 03.07.77 im "Whisky A Go Go" statt. Diese wurde übrigens auf Tape gebannt und später unter dem Titel "Germicide" veröffentlicht. Darby schmiss bei der Coverversion von "Sugar Sugar" Zucker ins Volk, Pat ermutigte die Leute, noch mehr Sachen auf sie zu schmeißen, Lorna schrammelte fast nur auf den Saiten rum, weil sie noch nicht richtig spielen konnte und Becky spielte bei jedem Lied den gleichen Rhythmus.
Im gleichen Jahr wurde mit der Gründung des What-Labels auch die erste GERMS-Single "Forming" veröffentlicht. Auf Seite A war eben "Forming", auf der B-Seite die "Sex Boy"-Liveversion vom zweiten Aufritt (s.o.). Diese erste 7" kann man übrigens getrost als beschissen bezeichnen.
Auch ihre nächsten Aufnahmen machte die Band für What-Records: eine Coverversion von Chuck Berrys "Round and Round" und eine weitere Version von "Forming" (Anm.: beide schon ganz schön genial...). Diese Aufnahmen wurden jedoch erst Jahre später auf einer What-Compilation veröffentlicht.
Nach Beckies Ausstieg aus der Band kam ein Drummer nach dem anderen, lange blieb allerdings keiner. Nicky Beat trommelte zwei Studiosessions mit den GERMS. Eine davon war die geplante aber gescheiterte Single mit "No God", "Let´s pretend" und "Circle One". Man munkelt, dass der Grund für das Scheitern Rockstarallüren von Darby oder Nicky waren, weil Nicky auf dem Cover anstelle von Darby als Frontmann aufgelistet war.
1978 wurde mit Nicky dann noch die "Lexicon Devil"-EP aufgenommen, welche auf dem neuen Label vom Slash-Magazin rausgebracht wurde. Diese Single war eine riesige Steigerung zu "Forming" und zeigte schon Darbys Genialität als Sänger und Pats einzigartiges Gitarrenspiel, mit gewaltigen Ergebnissen: die Band erlangte schnell eine ziemlich große Anhängerschaft und so konnte man immer häufiger den blauen Kreis, das Logo der GERMS, entdecken.
Seit der High School war Darby ein Fan von Kreisen (Anm. des Tippers: unglaublich, aber so steht es geschrieben...), da er im Leben ein bedeutungsvolles Muster von Wiederholungen sah, dargestellt von dem perfekten Ring. Eine Feundin von Pat erinnerte sich daran, dass Darbys wirklicher Vorname, Jan Paul, von einem Baby mit plötzlichem Kindstod (die sind nämlich blau) stammt, aber niemand ist sich sicher, warum dieses schwarz-blaue Logo eine so bedeutende Rolle im "L.A. Punk-Modegeschmack" hatte.
Darby selbst hat mal gesagt, dass er das Logo von einer slawischen Widerstandsgruppe gegen Hitler abgeguckt hätte, aber es ist fraglich, ob das so stimmt, denn Darby legte sich seine Antworten gerne so zurecht, wie es die Situation gerade erforderte. Neben dem Kreis war der "Germs Burn" ein weiteres Erkennungszeichen, wahrscheinlich allerdings nur für die größten Fans: hierfür wurde einem eine Zigarette auf dem inneren Handgelenk ausgedrückt, entweder von einem "Germ" oder einem Besitzer des "Burns", und schon war man Mitglied vom GERMS-Stamm.
Mit einem gewissen Don Bolles an den Drums ging´s dann richtig los, die Band wurde eine Religion, wie es Fussballfans über ihren Verein sagen würden, und mit Herrn Bolles wurde die legendäre "(GI)"-LP eingespielt.
Diese LP war/ist ein Meisterwerk jugendlicher Wut. Die LA Times nannte die Platte "the most important album to come out of Los Angeles since the Door´s "L.A. Woman"". Für viele Leute war sie aber noch viel wichtiger und die Texte waren repräsentativ für die damalige Einstellung vieler Punks.
Wegen diesem Album wurden auch immer mehr Leute von GERMS-Konzerten angezogen. Man konnte eine gefestigtere, weniger unkontrollierte Band sehen, welche für ihre erste Platte viel geprobt hat. Das soll aber nicht heißen, dass sie gezähmt wurde: Darby fand sein Micro nur selten, es sei denn, er wollte nach Bier fragen. Außerdem verließ er mitten in den Songs die Bühne um sich Heroin zu spritzen (Anm. d. Tippers: macht das nicht zu Hause nach, Kinder!). Jede Show sprühte nur so über vor Energie.
Als die reaktionäre Presse anfing, Punks als gewalttätige Verbrecher darzustellen, wurde eine neue Generation von Punks geboren. Sie "bekämpften" Trendnachfolger, welche ihre Aggressionen von den Footballfeldern in die Clubs trugen. Aber die Zahl der Bandanhänger, die nicht die geringste Ahnung hatten, wofür die GERMS standen, wuchs ständig. GERMS-Auftritte waren schon immer irgendwo kleine Riots, doch mit der steigenden Besucherzahl wuchs auch das Chaos.
Im "Fleetwood" in Redondo spielte die Band ihre bisher größte Show. Darby verlor vor dem Auftritt seine Lust, in die Menge zu hüpfen, bisher ein Markenzeichen der Band. Ran Reyes von BLACK FLAG lieferte sich in der Menge eine Schlägerei mit einem Rausschmeißer, worauf die ganze Menge auf die Security losging. Hunderte von randalierenden Punks jagten den Rausschmeißer schließlich auf die Straße, verursachten Auffahrunfälle und nutzten die verwickelten Autos schließlich als Sprungbretter zum Vergnügen. Die GERMS spielten währenddessen weiter.
Die Auftritte der GERMS und Riots gehörten also zusammen und so kam es auch, dass die Band nicht mehr in den Clubs der Gegend gebucht wurden. So wurde auch für Penelope Spheeris Film "The Decline of Western Civilisation" eine Privatshow gespielt.
Am 03.01.80 fand diese Show zusammen mit BLACK FLAG, welche auch so ihre Probleme mit Clubs und Randale hatten, in den Rehearsal Studios in Hollywood statt, Eintritt nur mit Einladung. Trotz der niedrigen Besucherzahl von 50 Leuten war die PA beim GERMS-Auftritt schon kaputt. Im Film hört man zwar Darbys Stimme (auf Band war alles in Ordnung), die Besucher hörten jedoch nichts davon.
Noch eine zweite Film-Möglichkeit ergab sich für die Band, welche dann auch die letzte gemeinsame Studioarbeit sein sollte. Der ziemlich exzentrische Produzent Jack Nitzsche (u. a. auch ROLLING STONES) sah das "(GI)"-Cover und mochte es, und kontaktierte daraufhin das Slash-Label weil die Band einen Soundtrack für einen neuen Film machen sollte. Der Film, "Cruising" getauft, zeigte eine mysteriöse Mördergeschichte in der Homoszene. Der Streifen war weniger gut, die Aufnahmen der Band vielleicht ihre besten.
Aus einer Laune heraus schmiss Darby irgendwann den bisherigen Drummer Don raus und stellt dafür Rob Henley ein, ein ziemlich unbeliebter Szene-Neuling. Angeblich entwickelte Darby eine Abneigung gegen Don, weil er diesen bei einem VOX POP-Auftritt mal im Kleidchen gesehen hatte und davon komischerweise sehr schockiert war.
Die GERMS-Anhängerschaft protestierte, als sich die Nachricht verbreitete und es tauchten sogar Buttons mit Aufschriften wie "Don forever, Henley never" und "Dump Henley" auf (Anm.: das ist ja wie beim Fußball...). Zu dieser Zeit tauchte eine Frau namens Amber auf, die so recht niemand leiden mochte. Aber wie´s der Zufall so wollte kam sie mit Darby zusammen, jaja, wohin die Liebe fällt...
Diese Amber bezahlte Darby eine Reise nach England und während er sich dort amüsierte, durften die anderen Bandmitglieder Rob das Schlagzeugspielen beibringen. Das haben sie sogar versucht, Rob konnte jedoch wirklich gar nichts und von Talent war bei ihm auch keine Spur zu entdecken, also stieg Lorna entnervt bei den GERMS aus.
Als Herr Crash aus England zurückkam war er ein anderer Mensch: während seines Aufenthaltes auf der Insel war er besessener ADAM AND THE ANTS-Fan geworden und hatte sich ein neues Image zugelegt. Er tauchte mit hohem, dünnem Iro auf und hatte sich ein Bondage-Outfit "eingehandelt", abgerundet mit blauen Federn, die an ihm rumbaumelten. Wo er auftauchte hatte er auch Amber im Schlepptau. Diese Darby Inkarnation war noch jedenfalls noch einflußreicher als die vorherige Version und der Indianer/Piraten-Look verbreitete sich rasend schnell unter den Punks, welche von ADAM AND THE ANTS erst noch hören sollten.
Ohne Zeit zu verlieren gründete Herr Crash die "Darby Crash Band" mit zusammengewürfelten Musikern um ihn herum: ein gewisser Bosco am Bass, Pat an der Gitarre und eben diesem neuen Schlagzeuger Rob. Amber spielte Managerin.
Rob wurde beim Soundcheck vor der ersten Show spontan von Darby rausgeschmissen und genauso spontan durch den Drummer der CIRCLE JERKS, welcher die meisten Songs der GERMS kannte, ersetzt. Um es kurz zu machen, der erste (und letzte) Auftritt dieser Band war eine ziemliche Pleite, alles hörte sich so an wie eine schlechtere Ausgabe der GERMS.
Kurz danach entschied Darby, dass ein GERMS-Reunionskonzert nötig sei. Angeblich soll er gesagt haben, dass er Geld für Drogen brauche, mit denen er sich umbringen wollte. Am 03. Dezember 1980 fand dieses Konzert im Starwood statt, natürlich total ausverkauft. Darby fasste vor dieser Show den Entschluss, Mönch zu werden. Auch sonst soll er sich sehr eigenartig verhalten haben. In dieser Nacht spielte die Band wie besessen (selbst Herr Crash sang so häufig wie nie ins Mikrophon...) und das Publikum brachte sich gegenseitig um. Das war der letzte Gig der GERMS.
Wenige Stunden, nach dem John Lennon (who the fuck is that???) erschossen wurde, "erschoss" sich auch Darby - mit einer Überdosis Heroin auf einem Klo in Los Angeles. An der Wand stand "Hier liegt Darby Crash". Tja.
Lorna ging nach N.Y., Don und Pat machten weiter Musik, teilweise zusammen, teilweise alleine. Pat hat nach 15 Jahren sogar nochmal Demos mit Belinda aufgenommen (und hatte der nicht auch was mit NIRVANA und FOO FIGHTERS am Hut?).
Was von den GERMS bleibt ist ihr bis heute mächtiger Einfluss sowie die erhältlichen Nachpressungen ihrer Werke.
Stulla
(Anmerkung: Den größten Teil meiner Informationen habe ich aus dem Beiheft der (glaube ich) nicht mehr erhältlichen "Cat´s Clause" 10" gezogen, des Weiteren wurden zahlreiche Zutaten aus der Gerüchteküche verwendet.)
© by - Ausgabe # und 19. Oktober 2020
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #43 Juni/Juli/August 2001 und Ox
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #34 I 1999 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #103 August/September 2012 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #64 Februar/März 2006 und Joachim Hiller