FUTURE PALACE

Foto© by Oliver Heras

Fuck you

Mit „Distortion“ legen FUTURE PALACE ihr drittes Album vor, und abermals hat sich das Trio um Sängerin Maria des Themas Mental Health angenommen. Mit ihr sprechen wir über das neue Album.

Eure letzten beiden Alben haben sich ja sehr stark mit Mental-Health-Themen beschäftigt, da das euch ja selber auch betrifft. Auf „Distortion“ setzt sich das jetzt fort, aber es fühlt sich für mich an, als würde es anders beleuchtet, aggressiver, fast wie eine Kampfansage. Ist vielleicht nur mein Eindruck, aber wie nimmst du das neue Album wahr?

Der Albumtitel war inspiriert von dem Begriff „kognitive Verzerrung“ aus der Psychologie. Dieses Mal habe ich probiert, inhaltlich mehrere verschiedene psychische Erkrankungen zu beleuchten wie Narzissmus, ADHS, Panikstörung, aber auch Depressionen. Die Wucht im Klang kam, denke ich, ganz organisch, da wir uns über die Jahre live mehr einspielen konnten und uns in der Härte ziemlich zu Hause fühlen.

In „The echoes of disparity“ habt ihr Charlie Rolfe von AS EVERYTHING UNFOLDS dabei – kannst du kurz erläutern, worum es in dem Song geht und was euch mit Charlie verbindet?
Der Song geht um Frauenrechte, aber auch allgemein um das Leben als Frau in der heutigen Gesellschaft. Ich denke, jede Frau könnte über das Thema einen Song schreiben und hätte viel zu erzählen. Ich bin 27 Jahre alt und habe leider sehr viel negative Erfahrungen in meinem Leben gemacht, wo ich belästigt wurde, stark sexualisiert, nicht ernst genommen sowie auch häusliche Gewalt von einem Ex-Partner erlebt habe. Ich spüre die Unterschiede in der Behandlung also fast jeden Tag und diese Frustration hat sich über die Jahre angesammelt. Vor allem wenn man dann mitkriegt, wie manche Männer oder sogar Künstler ihre Macht auch noch bewusst ausnutzen. Charlie war mit uns über Instagram sowieso schon im Kontakt, mir direkt sehr sympathisch, und wir haben uns generell schon über unsere Erfahrungen als Künstlerinnen in diesem Genre ausgetauscht und direkt verknüpft.

Der Song klingt, gerade auch wegen des geschrienen „Fuck you“, für mich, als hätten sich da viele persönliche Erfahrungen Bahn gebrochen – gibt es bestimmte Momente, die dir bei dem Song in den Kopf kommen?
Viel zu viele, ich könnte das fast jedes Mal, wenn ich das Haus verlasse, schreien, wenn ich wieder mal eklig angeguckt werde im Sommer oder nachts auf dem Weg nach Hause unangenehm beobachtet, verfolgt oder angemacht. Auch in der Musikbranche gibt es Menschen, die einen gefühlt nur auf den Fakt reduzieren, dass man eine Frau ist, und neben seltsamen Flirtversuchen kaum weiter Interesse an der eigenen Person oder als Kollegin zeigen.

In den letzten Jahren hat sich einiges verändert – wir haben in dieser Ausgabe auch ein Interview mit KITTIE-Sängerin Morgan, die auch bestätigt hat, dass sich die Metal-Szene für Frauen in den letzten zwanzig Jahren zum Besseren gewandelt hat, auch wenn wir von Gleichberechtigung noch weit entfernt sind. Das sehe ich auch immer daran, wenn ich ein Fuze durchblättere und mir von den Fotos fast nur Männer entgegenblicken. Wie ist dein Eindruck von der Szene und der Akzeptanz und Gleichberechtigung?
Ich denke, es hat sich sicherlich sehr viel getan, auch in unserer Gesellschaft, jedoch ist es nach wie vor ein Arbeitsprozess. Man sieht aktuell, wie schnell sich in der Welt Dinge wieder so verändern, dass sie der Geschichte gruselig nah kommen. Erkämpfte Frauenrechte verschwinden mit einer schlechten Regierung in vielen Ländern wieder, umso wichtiger ist es, dass sich diese Ansichten von Gleichberechtigung auch in der Gesellschaft verfestigen und normalisieren.

Was ist dein Rat für Frauen in der Metal-Szene, die sich vielleicht von dem hohen Männeranteil oder schlechten Erfahrungen haben abschrecken lassen?
Sprecht über eure Bedürfnisse, setzt Grenzen und seid mit korrekten Menschen in einer Band, die euch unterstützen, wenn unangenehme Situationen auftreten, und sich für euch einsetzen. Und verbindet euch am besten mit weiteren weiblich gelesenen Künstlerinnen. Because together we’re louder and stronger.

In den letzten Jahren seid ihr viel getourt und habt zum Teil in riesigen Hallen gespielt. Wie spiegeln sich diese Erfahrungen auf dem neuen Album wider und hatte das auch Auswirkungen auf deine mentale Gesundheit?
Fast das gesamte Album ist davon beeinflusst. Es war zwar wunderschön, endlich all diese Shows zu spielen, jedoch braucht man für das ganze Wachstum von FUTURE PALACE, von einer kleinen Band aus Berlin, zu dritt, keiner reich oder sonst was, über Jahre hinweg schon enorm viel Kraft und Ausdauer. Dieser Weg, kombiniert mit einer mentalen Erkrankung, ist eine viel größere Challenge, als ich damals als Emo Teenager Maria mit großen Träumen gedacht hätte. Ich bin eigentlich selbst immer wieder überrascht, wie ich das Ganze schaffe und wie viel Kraft einem Leidenschaft – im wahrsten Sinne des Wortes – geben kann. Am Ende wähle ich immer lieber den anstrengenden, aber erfüllenden Weg, statt einen bequemen, bei dem ich aber innerlich gefangen bin.