Das Post-Hardcore-Trio aus Berlin legt sein zweites Album vor. Sängerin Maria geht wieder dahin, wo es wehtut, und stellt sich ihren eigenen Dämonen. Eine Vielzahl der Texte auf „Run“ beschäftigt sich mit Depressionen.
Als wir vor einiger Zeit über euer Debütalbum „Escape“ gesprochen haben, ging es darum, dass eure Songs Konflikte und persönliche Probleme behandeln. Auf „Run“ hat sich auf den ersten Blick daran nicht viel geändert, oder? Hast du aus dem Prozess bei „Escape“ etwas mitgenommen, das sich jetzt auf „Run“ wiederfindet?
Ich sehe „Run“ als eine Fortsetzung von „Escape“, daher gehen beide Alben für mich Hand in Hand. In dem Prozess gewann ich einige neue Erfahrungen für unser Songwriting. Es fiel mir nun bei „Run“ viel leichter, gute stimmige Melodien zu entwickeln und auch die Texte konnte ich gefühlt schneller verfassen. Allgemein verlief der Songwriting-Prozess für mich stimmiger und runder als bei unserem Debütalbum „Escape“, wo wir gerade erst den eigenen Sound entwickelt haben und erstmalig Songs zusammen schrieben. Bei „Run“ waren wir jetzt noch mal um einiges selbstbewusster.
Die Themen sind meines Erachtens die gleichen geblieben, aber ich habe das Gefühl, deine Perspektive hat sich da noch mal geweitet. Gerade der Blick nach innen, auf die eigenen Dämonen. Wie geht es dir damit, diese intimen Dinge nach außen zu zerren und in deiner Musik zu verarbeiten?
Die Themen sind ähnlich, aber nicht komplett die gleichen „Run“ handelt eher von den Nachwirkungen toxischer Beziehungen statt von den konkreten Erlebnissen selbst, so wie oft auf „Escape“. Auf dem neuen Album finden sich jetzt noch genauere Darstellungen von Ängsten und Depressionen, aber auch Wut und Enttäuschung. Ich würde also zustimmen, dass sich der Blick nach innen noch mehr geweitet hat. Diese inneren Konflikte nach außen zu tragen ist für mich sehr wichtig. Ich möchte damit gerne auch anderen helfen, über solche Probleme zu sprechen, und signalisieren, dass man damit nicht alleine sein muss. Natürlich ist es nicht immer leicht, jedoch sind fast all diese Emotionen und Songs Geschichten aus meinem Leben und sowieso Teil meines Alltags, es fühlt sich einfach ehrlich und richtig an, daraus Musik zu machen. Es ist das Beste, was ich damit anfangen konnte.
Im Mittelpunkt steht bei euch ja immer auch der ehrliche Umgang mit Emotionen. Im letzten Interview haben wir darüber gesprochen, wie Menschen aus eurem Umfeld auf die Songs reagieren, die vielleicht sogar damit gemeint waren – damals hattest du da keine Bedenken. Hat sich das verändert, hast du im Nachgang der Veröffentlichung Feedback von Bekannten und Freunden bekommen?
Ich habe mit den meisten Menschen, die in bestimmten Songs thematisiert werden, keinen Kontakt mehr, daher bekam ich von ihnen auch kein Feedback. Jedoch ein heikles Thema ist bei mir die Familie, dort bekam ich auch oft zu hören, dass man mein Leid deutlich in den Songs spürt und das natürlich sehr verletzend ist für jeden, der mir nahesteht. Vor allem meine beiden Schwestern, mütterlicherseits, mit denen ich aufgewachsen bin, können sich sehr gut mit den Songs identifizieren. Bedenken habe ich jedoch bis heute nicht, ich schreibe ehrlich und ich bin ein ehrlicher Mensch. Alles, was ich in den Songs also thematisiere, habe ich mit den jeweiligen Menschen bereits besprochen und sie kannten meine Einstellung.
Haben da auch die letzten zwei Jahre der Pandemie bei euch Spuren hinterlassen? Gab es Momente, die sich vielleicht konkret in Songs niedergeschlagen haben?
Auf jeden Fall. Fast jeder Song bekam eine Note von der Frustration und der Hoffnungslosigkeit der Pandemie ab. Beispielsweise „Heads up“ spiegelt viele innere Konflikte, die ich vor allem im Lockdown hatte oder in dieser gesamten Zeit. Ich war frustriert, jahrelang für mein Lebensziel, Musikerin zu sein, gearbeitet zu haben, aber nun wie gefesselt zu sein durch die Situation. Meine Depressionen erreichten im Frühjahr 2021 einen Tiefpunkt, was sicherlich auch mit der Pandemie zusammenhing, die meisten Texte sind in genau dieser emotionalen Verfasstheit entstanden.
Eure Albumtitel können ja unterschiedlich ausgelegt werden – „Escape“ zum einen als „sich aus toxischen Situationen entfernen“ oder als simpler Escapismus, „Run“ nun kann auch unterschiedlich interpretiert werden: Zum einen auch wieder als ein „wegrennen“ oder ein weiterentwickeln. Wofür stehen für dich die Titel?
Wie ich bereits erwähnt habe, ist „Run“ für mich die Fortsetzung von „Escape“. Nach der Flucht muss man erst mal weit wegrennen, um vor dem Ort zu fliehen, an dem man so vieles erlitten hat. Gemeint ist hierbei die Nachwirkung toxischer Beziehungen. Manchmal spürt man erst, nachdem man aus einer Situation befreit ist, welche Wunden sie hinterlassen hat. „Run“ ist also zum einen Freiheit, aber auch Konfrontation mit den eigenen Gefühlen und den Nachwirkungen der Vergangenheit.
Es ist nun für euch das zweite Album mit ähnlichem inhaltlichen Ansatz – siehst du darin eventuell ein Risiko für deine seelische Gesundheit, dich in euren Songs immer wieder so intensiv mit diesen doch negativen Emotionen auseinanderzusetzen?
Das ist eine spannende Frage. Ich frage mich, ob eines Tages der Tag kommt, wo ich keine Depressionen mehr habe oder ein so anderer Mensch werde, dass ich mich mit all diesen Themen nicht mehr konfrontieren will. Ich glaube jedoch, dass dies niemals der Fall sein wird. Diese Songs sind ein Teil meines Lebens und stehen für bestimmte Abschnitte, vielleicht werde ich über die Jahre nicht immer auf die gleiche Weise betroffen davon sein, aber ich werde sie immer mit Überzeugung performen, schon um anderen damit zu helfen.
Denkst du, für FUTURE PALACE wird Mental Health immer ein Kernthema sein?
Solange ich Teil von FUTURE PALACE bin, bleibt das wohl auf jeden Fall ein Kernthema, da es einfach ein Kernthema in meinem Leben ist. Gerne erweitere ich aber auch die Inhalte, wie beispielsweise bei „A world in tears“, wo es einerseits um den Klimawandel geht, aber auch um die Frage, was dieser mental mit einem anstellt. Allgemein will ich mir aber keine Grenzen setzen und wer weiß, was die Zukunft noch alles mit sich bringt.
© by Fuze - Ausgabe #84 Oktober/November 2020 und Dennis Müller
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