Ich habe nicht das geringste Verständnis für die oft ablehnende Haltung vieler Menschen dem Weihnachtsfest gegenüber. Gerade aus Kreisen der Ox-Leserschaft, also Leuten, die sich bei ihrer Suche nach Identität häufig als "Punkrocker" zu profilieren bemühen, ist es weit verbreitet, sich abwertend und mitunter auch höhnisch zum Christfest zu äußern. Dies ist eine traurige Unsitte, die im Übrigen meist nur aus dem jugendlichen Drang resultiert, gegen traditionelle Werte und die Eltern aufzubegehren. Schlimm genug, dass dieses weitverbreitete Negativphänomen sogar zu solch bizarren Auswüchsen führt, dass man sich an Weihnachten nichts mehr schenkt (!), wie es selbst bei ansonsten intelligenten und sympathischen Menschen zu beobachten ist.
Dies alles sind Symptome einer durch und durch betrüblichen Entwicklung, der ich am liebsten Einhalt gebieten würde, wenn ich könnte. Etwas gegen die behagliche Gemütlichkeit festlich geschmückter Einkaufspassagen oder die naive Herzlichkeit der bunt blinkend dekorierten Fenster in den Siedlungen der Proletarier haben zu können, ist mir gänzlich unverständlich. Und wie kann jemanden eine herzerwärmende Weihnachtsmelodie kaltlassen, wie sie einem ab November als zum Konsum animierende Musikberieselung aus jedem Bau- oder Supermarkt entgegenschallt?! Es ist mir unbegreiflich, denn gerade die Musik ist es, in der sich Geist und Gefühl von Advents- und Weihnachtszeit gleichsam materialisieren. Legt man einen gelungenen Weihnachtssong auf, entfaltet sich sogleich eine gediegene Heilig Abend-Atmosphäre, nichts transportiert Weihnachtsstimmung so effektiv wie er. Für mich ist das Christfest schlicht undenkbar ohne seine Musik, und im Grunde ist sie es auch nur, die es für mich so wertvoll macht.
Als mir dies vor ca. zwei Jahren erst so richtig bewusst wurde, war es nur konsequent, damit zu beginnen, eine Auswahl besonders gelungener Werke dieses umfangreichen musikalischen Genres anzuschaffen, auch auf die Gefahr hin, von den tumben Mitmenschen verlacht und verspottet zu werden. Mittlerweile habe ich den Grundstock zu einer bescheidenen Sammlung zusammengetragen, deren Hege und stetige Erweiterung ich mir zur Aufgabe der kommenden Jahre und Weihnachtsfeste gemacht habe. Anläßlich der nun anstehenden zweitausendsten Jährung der Geburt Christi möchte ich allen Interessierten einen kleinen Einblick gewähren.
Der König der Weihnachtsmusik war ohne Zweifel ELVIS PRESLEY, und er ist es noch immer. Keinem lag dieses Genre so wie ihm, und in seinen späteren Jahren hörte sich von ihm auch sowieso alles wie ein Weihnachtslied an.
Big E hat in seinem Leben zwei komplette Weihnachts-LPs aufgenommen, und zwar die eine ziemlich am Anfang bzw. ersten Höhepunkt seiner Karriere und die andere eher so gegen Ende (seines Lebens - Karriere macht er ja immer noch!).
"Elvis´ Christmas Album" erschien 1957 und wurde in den darauffolgenden Jahren konsequent und permanent mit leichten Veränderungen wiederveröffentlicht und hat sich wohl auch immer ziemlich gut verkauft, wie ja eigentlich alles vom Elvis. So super ist die Platte allerdings gar nicht, wie ich finde. E liefert hier nämlich für meinen Geschmack ziemlich flippige Versionen typischer Weihnachtsklassiker wie "White Christmas" oder "Blue Christmas" ab, und auch sein "Silent Night" ist mir ein bißchen zu tuntig gesungen. 1966 kam dann aber ein echter Höhepunkt in Form der "If Every Day Was Like Christmas"-Single heraus, ein Spitzensong mit einer super Aussage (als ob Elvis nicht sowieso jeden Tag Weihnachten gehabt hätte!), den übrigens sein alter Buddy und Mitglied der berüchtigten "Memphis-Mafia"-Blase Red West geschrieben hatte. Dieses Stück ist ein wahrlich bombastischer Christmas-Knaller, der seitdem auf den verschiedenen Wiederveröffentlichungen des "Elvis´ Christmas Albums" auftaucht. Man erkennt das jeweils veränderte Cover daran, dass der King darauf eine astreine blaue Jacke mit weissen Streifen trägt. Die Platte ist wohl ohne große Sucherei beim bärtigen Second-Hand-Plattenkrämer um die Ecke zu bekommen und gehört selbstverständlich in jeden weihnachtlich geschmückten Haushalt.
1970 kamen die Verantwortlichen bei RCA schließlich zu dem Schluss, dass es nun doch mal wieder an der Zeit wäre, wirklich neues Weihnachtsmaterial aufzunehmen und herauszubringen. Nachdem man Elvis endlich überredet hatte, der wollte nämlich zuerst partout nicht - war mittlerweile ein bißchen träge geworden, der King - wurde im Mai 1971 aufgenommen, und pünktlich zum Beginn der Weihnachtssaison erschien im Oktober desselben Jahres dann die LP "Elvis Sings The Wonderful World Of Christmas".
Diese Platte ist schlicht grandios und rechtfertigt schon allein die Durchführung von Weihnachtsfeierlichkeiten. Der Las Vegas-Sound des späten Elvis passt hier perfekt zur festlichen Thematik und bringt Meisterwerke wie "It Won´t Seem Like Christmas (Without You)", "If I Get Home On Christmas Day", "I´ll Be Home On Christmas Day" oder "Holly Leaves And Christmas Trees" hervor (wobei bei letzterem übrigens wieder Red West seine kompositorischen Finger im Spiel hatte).
Heute gibt es mittlerweile einige CDs mit jeweils leicht unterschiedlichen Zusammenstellungen des Materials beider LPs und der 66er Single. Findet man in der entsprechenden Jahreszeit leicht auf Grabbeltischen bei Karstadt, Kaufhof oder so. Wenn schon CD, sollte es dann aber doch gleich die "Special Collectors Edition"-Prunkausgabe mit Aufklapp-Pappmodell des Graceland-Anwesens im Schnee sein. (Unnötig zu erwähnen, dass dies spätestens ab Ende Oktober einen Ehrenplatz in meinem Regal hat.)
Eine andere schräge Zelebrität der populären Musik, die sich um den akustischen Aspekt des weihnachtlichen Zeremoniells höchst verdient gemacht hat, ist PHIL SPECTOR (wenn man den nicht sogar als kapitalen Kauz bezeichnen will!). Als König der Popmusik-Produzenten der 60er und Erfinder des klassischen "Wall of Sound" ist seine Merkwürden in die Geschichte eingegangen und hat dabei Bands wie die RONETTES und die CRYSTALS kreiert. Anfang der 60er hatte Phil dann wohl den Plan gefasst, auch im Weihnachtsgenre seine unverwechselbaren Spector´schen Soundspuren zu hinterlassen. Das war eine super Idee von dem kleinen Mann, denn das 1963 erschienene "Phil Spector Christmas Album" ist einer der ganz großen Klassiker festlicher Musik. Auf der Platte sind alle seiner damals angesagten Stars vertreten. Neben den schon erwähnten beiden Girlgroups sind das noch BOB B. SOXX AND THE BLUE JEANS und DARLENE LOVE. Abwechselnd nehmen die sich hier einen Weihnachtsklassiker nach dem anderen vor, denen Mastermind Phil allerdings eigens ein ganz neues Gewand zusammengezimmert hat. Man bekommt auf diesem Glanzstück daher gänzlich ungewohnte Versionen altgedienter Christmas-Carols wie "Rudolph, The Rednosed Reindeer" oder "Frosty The Snowman" zu hören, dass es einem aber aufs heftigtste warm um die Pumpe wird. Besonders schön ist das auch aus dem Grund, weil man gerade diese zentralen Weihnachtshits von so gut wie jedem Interpreten, der sich mal erbarmt hat das Weihnachtsgeschäft mitzunehmen, in nahezu exakt derselben Version um die festlich gestimmten Ohren gehauen bekommt.
Auch "Phil Spectors Christmas Album" ist natürlich etliche Male wiederveröffentlicht worden, dabei wohl zuletzt 1987 auf Vinyl, so dass es hier ebenfalls keine Probleme geben sollte diesen Pflichtkauf beim bäuchigen Gebraucht-Oldiehändler deines Vertrauens zu tätigen.
Nun gehört aber nicht jeder von uns zu jener Spezies von Plattensammler-Spinnern, die ihre Zeit vorzugsweise in dunklen, muffigen Second-Hand-Läden oder auf tristen Parkplatz-Flohmärkten vertrödeln. Viele ziehen da wohl doch eher die sterile Atmosphäre von Kaufhäusen und Einkaufszentren vor, und auch hier - so kann ich die erfreuliche Mitteilung machen - kann der nach festlichem Liedgut Gierende fündig werden. Ab Oktober findet man nämlich in fast jedem Scheißladen einen Wühltisch oder ein Papp-Display, der bzw. das mit allerlei lieblosen Zusammenstellungen jedweder denkbaren Art von Weihnachtsmusik im CD-Format gefüllt ist. Auch hier lohnt sich das Durchsehen, wie ich persönlich die Erfahrung gemacht habe, denn auf den erfreulicherweise meist sonderpreisigen Compact Discs finden sich mitunter echte Perlen. Dabei gilt die Regel, je billiger das Machwerk, desto vielversprechender ist es oft. So fiel mir z.B. eine absolute Billigserie der Firma "Master Tone" auf, die je CD ein Sub-Genre der festlichen Musik ausschlachtete, und pro Stück gerade mal einen Fünfer kosten sollte. Im Falle von "Rhythm & Blues Christmas" und "Country Christmas Songs" habe ich zugeschlagen. Während sich erstere als ziemlicher Flop erwies und gerade mal zwei, drei gute Songs (CHARLES BROWN, JERRY BUTLER) zu bieten hat, ist die zweite ein echtes Juwel und zudem ziemlich witzig. Ihr Repertoire wird von FARON YOUNG und dem singenden Cowboy GENE AUTRY bestritten. Keine Frage, dass hier kein Auge trocken bleibt (vor Rührung!) und man das gesamte klassische Liedgut ("Frosty", "Rudolph", "Jingle-", "Silver Bells", etc) in naiv fröhlichen Versionen um die vom Glühwein geröteten Öhrchen jubiliert bekommt. Der Höhepunkt ist allerdings, wie "Freund der Kinder" Gene seinem kleinen Cowboykumpel Jimmy eine geschlagene Viertelstunde lang die Weihnachtsgeschichte erzählt, in einer Qualität wie von einem 30er Jahre Schwarz/ Weiss-Schinken mit dem Kassettenrecorder mitgeschnitten. Anders hätte man die versprochene Stunde anscheinend nicht voll bekommen, weshalb man hier wohl auch den CHARLES BROWN-Song von der "Rhythm & Blues"-CD noch mal mit draufgepackt hat.
Daneben bekommt man natürlich noch etliche andere Sampler, auf denen oft auch einige feine Stücke vertreten sind. Der Mangel an Sensibilität bei der Songzusammenstellung ist dabei allerdings oft derartig krank, dass einem der Spekulatius im Halse stecken bleibt. So findet man schon mal einen Klassiker wie JERRY LEE LEWIS´ "I Can´t Have A Merry Christmas Without You" in direkter Nachbarschaft zu solchen Unsäglichkeiten wie SHAKATAK.
Als wahre Schatztruhe für den Weihnachtsfan hat sich eine Compilation erwiesen, zu der ich kam, wie die Jungfrau zum Kind. (Andererseits hat das ja der hl. Geist gemacht! Ich dagegen habe die bewusste Doppel-CD bloß geschenkt bekommen, und freilich nicht vom hl. Geist.) Der Glücksfall trägt den Titel "Yule Cool" (Virgin) und wartet mit "43 all time classics from the golden age of the christmas song" auf. Selbstverständlich ist auch hier nicht jeder Song ein Knaller, aber neben altbewährten Christmas-Croonern wie DEAN MARTIN oder PERRY COMO hat´s hier auch originelle Highlights des Genres, wie Eddie Cochrans "I Want Elvis For Christmas" oder "Frosty The Snowman" in der Version der VENTURES (von denen es im Übrigen auch ein komplettes Weihnachtsalbum gibt, welches ich aber leider noch nicht besitze).
Wer nach meinen Ausführungen nun gequält aufheult und mich berechtigterweise mit dem Vorwurf konfrontiert, zehntausendsiebenhundertunddreissig Zeichen lang ausschließlich anglo-amerikanisches Liedgut vorgestellt zu haben, obwohl es doch auch einen mindestens genau so großen Fundus an deutschsprachigen Weihnachtsliedern gibt, dem kann ich leider nur erwidern: Das liegt halt daran, dass die Amis damals den Krieg gewonnen und uns im Anschluss mit ihrer Kultur überrumpelt haben, deshalb bin ich eben so geprägt.
Dennoch will ich an dieser Stelle auch die einheimischen Interpreten weihnachtlichen Gesangs nicht gänzlich aussen vor lassen und möchte allen festlich Gestimmten zumindest noch mein liebstes deutsches Weihnachtslied wissen lassen. Es ist dies "Sankt Niklas war ein Seemann" von FREDDY QUINN.
In diesem Sinne, Frohe Weihnachten!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #41 Dezember 2000/Januar/Februar 2001 und Stefan Moutty