FRENCH TOAST

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Totale kreative Freiheit

Sie lieferten mit „In A Cave“ eines der besten Alben des letzten Jahres ab, sie haben einen Stammbaum, der edler nicht sein könnte: FRENCH TOAST aus Washington D.C. Neben James Canty und Jerry Busher ist seit neuestem Ben Gilligan mit an Bord, und vor einem Konzert im Straßburger Le Molodoi im Juni diesen Jahres ergab sich die Gelegenheit, mit James, Jerry und Ben über die Entwicklung der Band und das neue Album „Ingleside Terrace“ zu reden.


Aber zuerst ein kurzer Rückblick: Limerick, Irland, Mai 2004. An der westirischen Küste ist mal wieder eine hochkarätige Indie-Band im Upstairs@Dolan’s zu Gast: FRENCH TOAST. Kurzer Blick ins Netz: Ein Duo aus Washington D.C. Noch ohne Langspielplatte, aber die Namen der beiden Musikanten lassen mehrere Freudenglöckchen klingen: James Canty, bekannt von gern gehörten Bands wie THE NATION OF ULYSSES, CUPID CAR CLUB, THE MAKE-UP und TED LEO AND THE PHARMACISTS. Und Jerry Busher, ehemals Mitglied von FIDELITY JONES, LAS MORDIDAS, THE SPINANES, MASCOT, den ALL SCARS, natürlich FUGAZI; und auch bei den Solo-Sachen von John Frusciante dabei. Dischord-Umfeld also. Das kann nur prima sein. Und dann wird das Konzert doch anders als erwartet: nicht der erwartete Washingtoner (Post-)Hardcore-Sound, sondern elektronische, zumeist langsame, düstere Sounds. Die Erwartungen waren aber keineswegs enttäuscht. Die Hörnerven schalteten um und waren begeistert. Von der auf dem Konzert erstandenen „Hatred Mace“-Single lässt sich jedoch nicht erahnen was für ein Hammer-Album ein paar Monate später mit „In A Cave“ bei Dischord herauskommt.

Jerry Busher und James Canty kennen sich seit etwa 20 Jahren durch die Washington D.C.-Szene um Ian MacKaye, FUGAZI und das Dischord-Label. James’ Bruder Brendan spielt ja bekanntlicherweise bei FUGAZI, bei denen Jerry Busher zuerst als Tourbusfahrer und Roadie, dann als Trompeter und Percussionist einstieg. Zum ersten Mal zusammen spielen sie in den ALL SCARS, mit denen sie 2000/01 auch in Europa tourten. Auf dieser Tour entstand dann auch die Idee zu FRENCH TOAST. Ergebnis war die „Bugman“-EP (Arrest Records, 2002), eine düstere Angelegenheit ohne Bass, dafür mit viel Elektronik. Erst auf der „Hatred Mace“-Single (Arrest Records, 2003) ist die stilistische Vielfalt der beiden gleichberechtigten Songschreiber hörbar. „In A Cave“ (Dischord, 2005) war dann die konsequente Fortsetzung der Single. Zwölf schwer zu kategorisierende Lieder voller Abwechslung, aber immer mit einer besonderen Wärme versehen. Ihre Arbeit in Schubladen stecken zu lassen, weigern sich FRENCH TOAST auch prinzipiell. Ihre Einflüsse kommen von überall her. Die Nähe zum Sound der wavigen 80er weist James nicht direkt von sich: „Generell denke ich, dass es kontraproduktiv ist, Musik nach Dekaden zu kategorisieren. Es ist ein Werkzeug der Medien und Majorlabels, um Künstler zu kontrollieren. Nimm zum Beispiel NIRVANA. Die hatten in den 80ern angefangen und waren beeinflusst von 80er-Bands wie den WIPERS, MEAT PUPPETS und RITES OF SPRING. Und dennoch sind wir gezwungen, sie als 90er Band zu sehen. Warum? Weil in den 90ern Majorlabels und die Unterhaltungsindustrie begonnen haben, die Karriere von NIRVANA zu übernehmen. Es zerstört den kreativen Prozess von Künstlern, weil es den finanziellen Erfolg als ‚künstlerische‘ Richtung für junge Bands vorgibt. FRENCH TOAST sind nicht konzipiert, um musikalische Trends neu zu interpretieren, egal ob echt oder fabriziert. We love all music and we want to create all music.“ Das wird auf „In A Cave“ deutlich hörbar. Ob ganz entspannt („New dub“), melodischer Punkrock („Float away“, „Pattern“, „Lion’s den“) oder Elektronik („What I see“, „Seen me“, „Anger in your eyes“), sie alle tragen die Handschrift von FRENCH TOAST.

Straßburg, Frankreich, Juni 2005. Wie angekündigt, sind FRENCH TOAST nur mit wenig Instrumenten auf Europatour gekommen, aus Kosten- und Logistikgründen. Neben Gitarre, Bass und Schlagzeug, ist an elektronischem Gerät lediglich eine kleine Drum-Machine mit auf der Bühne im Le Molodoi. Demnach sind die Songs kompakter und punkiger. Langsame Nummern gibt es im Set nicht. James: „Wenn wir auf Tour sind, ist es natürlich, die Anspannungen des ständigen Reisens rauszulassen. Wir kommen vom Punk, und da liegt es nahe, dies in aggressive Auftritte umzuwandeln. Es ist eine Energie, die man im Studio so nicht bekommt. We don’t fight the urge to rock it up on stage.“
Die Tour lief super. Ohne große Ankündigung waren Hunderte von Fans bei den Konzerten; Leipzig war sogar ausverkauft. Qualität spricht sich eben herum, vor allem fernab der Major-Schiene. Es ist das letzte Konzert der Tour, die beiden freuen sich auf ihren Urlaub. Jerry bei Freunden an der französischen Atlantikküste und James beim Angeln in Montana. Bei der nächsten Tour wollen sie mit allem Gerät kommen, mit denen „In A Cave“ aufgenommen wurde. Und überhaupt soll das kommende Album noch elektrolastiger werden. Er beherrsche seine Keyboards und Verzerrer immer besser, so James, und das soll sowohl auf dem Album als auch live mehr zum Tragen kommen. Dadurch ergibt sich fast zwangsläufig, aber gewollt, dass sich FRENCH TOAST ihre Lieder immer wieder von neuem erschließen können. Das auf Vinyl gebannte Lied ist lediglich eine Momentaufnahme und wird in Zukunft immer neu und anders klingen.

Straßburg, Frankreich, Juni 2006. Das Interview soll vor dem Auftritt stattfinden. Es ist das vorletzte Konzert der Tour, die wieder super lief. Völlig ausgelaugt, mit Ringen unter den Augen, stellen mir Jerry und James den Neuen vor, Ben. Was auf der Homepage schon angekündigt war, steht jetzt vor mir. Ben Gilligan. Es sei nicht geplant gewesen, einen Dritten mit an Bord zu nehmen. Die Chemie als Duo stimmte voll und ganz, und obwohl sie zu Beginn von FRENCH TOAST es immer wieder mit Dritten versucht hätten, klappte es „alleine zu zweit“ immer besser. Der eine war immer die perfekte Ergänzung des anderen, egal mit welchen Ideen er ankam. Aber dann lernte Jerry in der Galerie für Moderne Kunst, in der er in Washington D.C. arbeitet, Ben Gilligan kennen. Sie redeten über Musik und Kunst, und verabredeten sich zum Jammen. Beim zweiten Treffen schrieb man dann schon Songs zusammen, und die waren so gut, dass beschlossen wurde, von nun gemeinsam zu dritt als FRENCH TOAST zu musizieren. Jerry seufzt fast erleichtert: „Seit 20 Jahren in D.C. trifft man immer dieselben Leute. Mit Ben kam sozusagen neues Blut in die alte Familie, und brachte die Kreativität erneut zum Sprudeln.“
Das wirkte sich auch positiv auf das Songwriting für das neue Album aus. „Ingleside Terrace“ – benannt nach der Straße, in der James und Jerry vor einigen Jahren wohnten – enthält 12 Lieder, wobei jeder vier Lieder besteuerte. FRENCH TOAST verstehen sich als Musikerkollektiv. Dabei kommt es nicht darauf an, perfekte Musiker zu sein. Auf der Bühne und auch bei Aufnahmen wechseln die Instrumente fleißig den Spieler. James verbesserte Jerrys Gitarrenspiel, Jerry verfeinerte James’ Schlagwerkeln und Bass-Spiel, und Ben wird von Jerry gerade am Schlagzeug angelernt. Und so entstehen auch die Songs: Jeder bringt einen Teil ein, man trifft sich, hört sich die Ideen an und werkelt dann zusammen Songs daraus. „Dass jeder alle Instrumente spielen kann, entfacht einen kreativen Wettbewerb. Dabei geht es nicht darum, besser zu sein als die anderen, sondern zu lernen und gleichzeitig den anderen am eigenen Instrument zu helfen“, erzählt Ben sichtlich begeistert.
Der in Australien aufgewachsene gebürtige Amerikaner ist hauptsächlich für zusätzliche Gitarren und Bass verantwortlich. Neben FRENCH TOAST ist er noch bei den SMALL DOSES und PRESUMING ED tätig, Projekte, die aber vorerst auf Eis liegen. Auch deswegen, weil er seit seinem Einstieg bei FRENCH TOAST fast pausenlos auf Tour war: über 90 Shows in neun Monaten. Dazu die Aufnahmen zum neuen Album.

Trotz ihrer sichtbaren Erschöpfung sieht man ihnen an, dass sie es kaum erwarten können, auf die Bühne zu gehen, um die neuen Lieder zu spielen und die alten im neuen Gewand zu präsentieren. Es geht punk-rockig zu. Offensichtlich haben sie für die Tour wieder eher weniger Instrumente mitgebracht. Das erste Lied ist gleich eine von Bens Kompositionen, mit ihm an Gitarre und Mikro. Mutig, so anzufangen, aber auch ein Zeichen, dass er voll dazugehört und nicht nur live zur Unterstützung des Sounds mitspielen darf. Als nach einigen Liedern Jerry hinter den Drums hervorkommt und zum Bass greift, Ben ans Schlagwerk wechselt, merkt man ihm vielleicht kurz die Unsicherheit an, dass er gerade erst angefangen hat, das Instrument zu lernen. Unentwegtes Touren mit so unterschiedlichen Bands wie den RED HOT CHILI PEPPERS, QUEENS OF THE STONE AGE, BLACK EYES, Q AND NOT U, SUPERSYSTEM, BLOC PARTY, THE PONYS und WILCO haben FRENCH TOAST, auch als Trio, zu einer extrem tighten Band zusammenwachsen lassen. Etwas über die neuen Songs zu sagen, ist schwierig. Der Live-Eindruck war wiederum nur eine Momentaufnahme. „Der Titel der Platte erinnert an die Anfänge von FRENCH TOAST in Washington D.C. und fasst den kreativen Prozess der Band bis dato zusammen“, summiert Jerry. Mit der gleichzeitigen Hinzunahme Ben Gilligans ist die nächste Phase jedoch schon angebrochen. Was als nächstes passieren wird, wird sich zeigen. Der kreativen Freiheit sind keine Grenzen gesetzt. Bei begnadeten Musikern mit scheinbar unbegrenzter Energie und Kreativität kann das nur Gutes bedeuten.

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