Vor ziemlich genau einem Jahr ist das Quartett aus Hamburg auf der Indiepop-Landkarte aufgeploppt. Ihre Debüt-EP „Billstedt“ sammelte reichlich Lob ein. Jetzt haben FLUPPE mit „Blüte“ ihr Debütalbum auf den Tresen gelegt. Mit bauernschlauen Texten und coolem Slackersound. Ebenfalls veröffentlicht über das Indielabel La Pochette Surprise. Obwohl Sänger Josef Endicott aka Joe Astray während des Interviews eine nach der anderen dreht, hat die Band selbst nicht viel mit Zigaretten am Hut.
Wie hat das alles angefangen mit FLUPPE? Ihr wart ja alle vorher schon in Bands wie THE PALM SET oder LAVALLE.
Wir kommen alle aus Hamburg und sind alle Mitte dreißig. Kennen gelernt haben wir uns über die lokale Bandszene, weil wir uns immer wieder bei Konzerten über den Weg gelaufen sind. Ich hatte damals schon diesen geilen Proberaum in Billstedt, dort haben wir uns dann zusammengesetzt und FLUPPE gestartet. Anfangs nur Drummer Antoine Laval, Gitarrist Christian Klindworth und ich. Später kam dann noch unser Bassist Lars Brunkhorst dazu. So sind ziemlich schnell total lässige Songs entstanden. Das hatte so eine wundervolle Leichtigkeit, deshalb kam diese „Billstedt“-EP auch so gut an bei den Leuten. Nichts war vorbereitet, alles ist im Proberaum passiert. Billstedt ist ja ein Stadtteil von Hamburg, der keinen besonders guten Ruf hat. Sehr industriell geprägt, ziemlich verachtet. Wir fanden es aber sehr inspirierend. Christian, Antoine und Lars haben die Melodien und die Songs entwickelt und ich habe parallel die Texte dazu geschrieben. Wir hatten einfach Glück, dass es spontan so gut funktioniert hat.
Wenn ihr alle schon Bands hattet, warum habt ihr noch eine gegründet? Was ist bei FLUPPE anders?
Ich spiele eigentlich in einer Punkband, aber bin aber auch unter dem Pseudonym Joe Astray solo als Singer/Songwriter unterwegs. Christian spielt Gitarre bei MINT MIND, das ist die Zweitband von TOCOTRONIC-Gitarrist Rick McPhail. Wir haben also alle schon gut zu tun, teilweise haben wir auch noch Jobs neben der Musik. Langweilig ist keinem von uns. Aber wir haben bislang immer nur Musik mit englischen Texten gemacht. Deshalb fanden es alle spannend, auch mal was mit deutschen Texten zu machen. Mir ist es auf Anhieb total leicht gefallen, auf Deutsch zu texten.
Die „Billstedt“-EP ist ja noch gar nicht so alt. Sind die Songs vom Album auch in dieser Zeit entstanden? Ihr verwendet ja auch zwei Stücke davon auf dem Album noch mal.
Nein, die EP war komplett unabhängig vom Album und kam fast zeitgleich mit der zweiten Welle der Pandemie heraus. Oktober 2020 hatten wir noch eine Release-Show hier in Hamburg, kurz nach dem Reeperbahn Festival. Als wir Soundcheck gemacht haben, stand schon die Polizei vor der Tür und wollte das Konzert abblasen. Es durfte aber trotzdem noch stattfinden und dann haben wir uns gedacht: Jetzt dürfen wir wieder keine Konzerte spielen, lasst uns doch die Zeit nutzen und einfach ins Studio gehen. So haben wir acht oder neun weitere Songs aufgenommen und haben die beiden Stücke „Aals“ und „Zwei Schüsse alte Kanzlei“ noch mal neu mischen und mastern lassen. Das hat einfach gut gepasst.
Ihr arbeitet ja mit sehr bildhaften Texten. Worum geht es in euren Songs, die zum Beispiel „Williams Christ Superstar“ heißen?
Es gibt ja das Musical „Jesus Christ Superstar“ und es gab die Zeile „Williams Christ in meiner Birne“. So ist das dann unter Einfluss von Alkohol entstanden. Der Song handelt von der Suche nach Liebe. Von der Euphorie, die man am Anfang einer beginnenden Liebesbeziehung verspürt. Alles fühlt sich gut an. Anfangs nur Worte, dann berühren sich die Hände, bis zum ersten Kuss.
Du arbeitest mit sehr persönlichen Themen und verklausulierten Texten ...
Kann man so sagen. Ich mag es einfach, Bilder mit der deutschen Sprache zu zeichnen. Mir macht es unheimlich Spaß, mit Metaphern zu arbeiten. Allerdings sind Bands wie TURBOSTAAT noch viel kryptischer als wir. Wir wollen unserem Publikum nicht irgendwas diktieren oder sagen, wie Dinge laufen sollen. Wir wollen niemandem unsere politische Meinung auf die Nase binden. Stattdessen wollen wir durch schöne Bilder jedem im Publikum die Möglichkeit geben, sich selbst darin wiederzufinden. Wir thematisieren Dinge, die alle von uns schon durchlebt haben, aber eben auf unterschiedliche Art und Weise.
Ziemlich konkret seid ihr im Song „Nikki Swango“. Das ist eine Figur aus der TV-Serie „Fargo“. Seit ihr große Fans dieser Serie?
Auf jeden Fall. Ich finde auch den Kinofilm toll. Dieser Song ist aber tatsächlich auf dem Mist von Christian gewachsen, der ein Riesenfan von „Fargo“ ist. In der dritten Staffel taucht Nikki Swango als Frau auf, die mit ihrem Bewährungshelfer durchbrennt, der aber viel mehr Dreck am Stecken hat als sie, die eigentlich nur ein freies Leben führen will. Sie versucht die ganze Zeit, auf die gute Seite zu wechseln, es gelingt ihr aber einfach nicht. Das fanden wir faszinierend. Das kennen viele von uns. Man will seine Dämonen hinter sich lassen, schafft es aber nicht, sich da herauszukämpfen.
Was ist denn der „Schwarze Bus“?
Dieser Song handelt von Trümmern und Scherben, die man so hinterlässt, wenn Dinge ungeplant richtig scheiße laufen. Es ist ein sehr trauriges Lied, das mir extrem nahegeht. Wenn einem einfach alles um die Ohren fliegt, obwohl man keine böse Absicht hatte. Da will ich gar nicht viel mehr zu erklären.
Und wer ist „Karl-Heinz“? Irgendein ganz bestimmter Karl-Heinz oder ist das der typische Deutsche?
Es geht tatsächlich um den typischen Deutschen, es geht aber auch um Uli Hoeneß und die Gier des FC Bayern München. Das war zu dieser Zeit, als er noch als Bayern-Boss im Knast saß. Ich frage mich im Refrain: „Wie rot kannst du werden, ohne dass dein Kopf platzt?“ Könnt ihr gierigen Arschgesichter euch noch selbst im Spiegel anschauen? Wie weit kann man das Ganze übertreiben?
Euer Sound erinnert mich an Bands der Hamburger Schule. Ein Vergleich, den ihr bestimmt häufig hört. Stört euch das?
Stören tut es uns nicht. Überhaupt nicht. Das sind ja alles kredible Bands wie TOMTE, BLUMFELD oder eben TOCOTRONIC. Die eine mögen wir mehr, die andere weniger. Aber ich habe größten Respekt vor all diesen Bands. Das sind alles Musiker:innen, die viel erreicht haben. Die haben die deutsche Sprache singbar gemacht und ganze Jugendkulturen geprägt. Ich selbst habe erst vor einigen Jahren angefangen, mich mit deutscher Musik zu beschäftigen, und mir noch gar nicht alle Bands der Hamburger Schule angehört. Wir wollen also kein Revival der Hamburger Schule heraufbeschwören. Wir wollen einfach nur FLUPPE sein und unser Ding machen.
Euer Proberaum in Billstedt hat ja durchaus eine Geschichte in der Hamburger Musikszene ...
Ich bin über den Sänger von HERRENMAGAZIN da reingekommen, das ist ein guter Freund von mir. SCHROTTGRENZE haben dort geprobt und viele andere Bands, die ich gar nicht alle aufzählen kann. Also schon ein sehr geschichtsträchtiger Ort. Das ist eine alte Polizeiwache, unten in den Gefängniszellen sind die Lagerräume der Bands, wo wir unser Equipment und unser Merchandise lagern können, und oben sind die Proberäume. Es ist der erste Proberaum mit einem Fenster, den ich habe, das ist total geil.
Warum habt ihr als Hamburger Band euer Album in der Nähe von Bremen aufgenommen? In Hamburg gibt es doch genug gute Studios, oder?
Ich habe irgendwann mal auf einem Konzert unseren Produzenten Gregor Hennig persönlich kennen gelernt, dann haben wir über seine Vorstellung von Sound gesprochen und so sind wir uns schnell einig geworden. Wenn man auf St. Pauli wohnt und die ganze Zeit diesen Trubel um sich herum hat, ist man total froh, mal zehn Tage aus seiner Blase herauszukommen, alle Verlockungen hinter sich zu lassen und einfach in die Pampa abzudüsen. Es gibt über dem Studio eine Bandwohnung, da haben wir uns einquartiert.
Was ist rund um die Veröffentlichung geplant?
Eine Release-Party in Hamburg wird es voraussichtlich nicht geben, weil wir gerade erst hier gespielt haben. Es sind aber Konzerte in Husum oder in Jena geplant. Außerdem kann ich schon verraten, dass wir dieses Jahr noch unser zweites Album aufnehmen werden. Alle Songs waren schon fertig geschrieben, bevor „Blüte“ herauskam.
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