FLATLINERS

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Neue Herausforderungen

Im April erscheint „Inviting Light“, das fünfte Album der Band aus Toronto. Nachdem die drei Vorgänger bei Fat Wreck Chords rauskamen – und dort auch das ursprünglich 2005 von Stomp Records veröffentlichte Debüt neu aufgelegt wurde –, sind die vier Musiker inzwischen bei Rise Records zu Hause. Mit Sänger und Gitarrist Chris Cresswell sprachen wir außerdem über das 15-jährige Bestehen der Band.

Ich mag „Inviting Light“ sehr gerne, dennoch war mein erster Gedanke, dass ihr mit dem Album wahrscheinlich einige Fans verlieren werdet.

Hehehe, man weiß es nie. Wir haben bis jetzt aber immer einen guten Job gemacht, wenn es darum ging, unseren Fans eine Herausforderung vor den Latz zu knallen. Wir werden sehen, was passiert. Normalerweise ist es so, dass in dem Moment, in dem ein neues Album veröffentlicht wird, viele Fans gerade erst beginnen, das vorige zu mögen. Auch wenn zwischenzeitlich drei Jahre vergangen sind. Aber wenn es den Leuten nicht gefällt, haben sie immer noch die anderen Alben. Ich weiß auch nicht, ob die Veränderung in unserer Musik so plötzlich kommt. Wir selber nehmen es sowieso anders wahr. Für die Hörer gab es auf dem Vorgänger „Dead Language“ schon Songs, die angedeutet haben, in welche Richtung es gehen könnte.

War es eine bewusste Entscheidung, dieser Richtung zu folgen?

Irgendwie schon. Wir haben eine Menge geredet, und waren überraschenderweise alle sehr gespannt darauf, ein paar andere Dinge auszuprobieren. Es ist nicht so, dass wir uns gezwungen sahen, etwas am Sound zu ändern. Aber es ist nun unser fünftes Album, also kommt es darauf an, das Ganze auch für uns selbst interessant zu halten. Immerhin müssen wir die Songs mindestens die nächsten zwei Jahre live spielen.

Wie viel hat es mit Selbstbewusstsein zu tun, dass ihr eure Ideen nicht hinter formelhaftem Songwriting versteckt?

Ich hoffe, das klingt nicht arrogant, aber uns ist schon sehr bewusst gewesen, wie wir etwas machen. Je länger die Band zusammen ist, desto mehr gelingt uns musikalisch. Klar sind bei dem neuen Album Sachen entstanden, auf die wir stolz sind. Wir haben es schon immer so gehalten, dass wir uns als Musiker herausfordern und Neues ausprobieren. Solange man das nicht übertreibt, ist das auch in Ordnung. Im Endeffekt ist es nur Musik, egal, wie wichtig wir uns nehmen, das sollte man nie vergessen!

Hat das Album inhaltlich ein übergeordnetes Thema?

Es dreht sich eine Menge um das Erreichen von Meilensteinen im Leben. Die Band feiert dieses Jahr ihr 15-jähriges Bestehen, außerdem werden wir alle dreißig. Die Veränderungen in dieser Zeit festzustellen, und wahrzunehmen, dass jedes Ziel, das man erreicht, viele neue Möglichkeiten schafft, ist für mich interessant. Es ist, als würde die Checkliste im Leben immer länger. So kann man auch den Titel „Inviting Light“ verstehen. Anstatt irgendwann anzukommen, bleibt man vielmehr damit beschäftigt, Dinge abzuhaken und neue Wege ins Auge zu fassen.

In diesem Zusammenhang fällt mir euer schier endloses Touren ein.

Die Zeit auf Tour ist kaum mit normaler Lebenszeit zu vergleichen. Ich bin sehr dankbar dafür, so leben zu können. Die ständige Gelegenheit zu feiern ist großartig, allerdings auch anstrengend. Ich habe Chris McCaughan bei einer gemeinsamen Show mit THE LAWRENCE ARMS mal gefragt, wie die Tour für ihn läuft. Er meinte, sobald man dreißig wird, tut einem alles weh. Da könnte was dran sein, haha. Aber von der Dauerparty mal abgesehen, ist Touren essenziell für eine Band. Die Menschen zu treffen, die deine Musik lieben, ist wichtig. Zusätzlich lernt man die Welt kennen und findet neue Freunde. Allerdings waren wir an einigen Orten innerhalb kürzester Zeit mehrfach. Deswegen haben wir es für unsere Verhältnisse im letzten Jahr etwas ruhiger angehen lassen. Auch in Hinsicht auf die Produktion des neuen Albums war es ein bewusst gefasster Entschluss, mehr Zeit zu Hause zu verbringen.

Wobei in eurem Fall von Ausruhen keine Rede sein kann. Paul hat mit HOUNDS eine weitere Band, du bist seit kurzem Mitglied bei SCORPIOS, außerdem gibt es Soloveröffentlichungen von dir und Jon. Inwiefern beeinflussen Nebenprojekte die FLATLINERS?

Für mich ist die Frage nach den Einflüssen einfacher mit meinem täglichen Leben zu beantworten. Musik läuft bei mir 24 Stunden als durchgängiger Soundtrack. Da fällt es schwer, etwas herauszupicken. Im Alltag hingegen sehe ich konkrete Dinge, die meine Sicht auf die Welt beeinflussen. Diese Sicht verarbeite ich dann beim Schreiben von Songs.

Wieso der Wechsel von Fat Wreck zu Rise Records?

Wir hatten in den letzten zehn Jahren eine unglaublich gute Zeit mit Fat Wreck. Es ist für uns nach wie vor kaum zu fassen, dass wir überhaupt mit diesem Label zusammenarbeiten konnten. Es ist ein so großer Einfluss für uns gewesen. Wir sind mit diesem Sound aufgewachsen – und heute sind wir mit den Verantwortlichen befreundet. Trotzdem wollten wir etwas Neues ausprobieren. Aber bei Fat Wreck verstehen sie das und haben uns ihren Segen gegeben, was sie sehr auszeichnet. Jetzt freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Rise Records, wir sind gespannt, wo die Reise hingeht. Aber ohne die Arbeit irgendeines Labels schlecht machen zu wollen, bin ich im Grunde der Meinung, dass es heutzutage gar nicht mehr so wichtig ist, wo man veröffentlicht. Eigentlich gibt es für viele Bands, egal ob sie erst seit zwei oder schon zehn Jahren existieren, gar nicht mehr die Notwendigkeit einer Plattenfirma. Das sorgt auf jedem Fall für eine größere Chancengleichheit. Wenn die Musik stimmt, ist es nicht mehr ausschlaggebend, ob sich ein Label oder die Band selbst um die Veröffentlichung kümmert.