FLANDERS 72

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Willkommen im Club

Vor wenigen Wochen ist mit „This Is A Punk Rock Club“ das vierte Album der brasilianischen Pop-Punk-Rocker FLANDERS 72 erschienen. Was hinter diesem Albumtitel steckt, das ergründen wir im Gespräch mit Frontmann Paulinho, Schlagzeuger Big Mike und dem neuen Bassisten Macareno, der nach den Aufnahmen des Albums zur Band dazugestoßen ist. Natürlich wollten wir auch wissen, wie die Wahl des umstrittenen neuen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro aus Sicht einer Punkband zu bewerten ist.

Euer neues Album hat den Titel „This Is A Punk Rock Club“. Was hat es damit auf sich?

Paulinho:
Wir verstehen uns mehr als Club und nicht als reine Band. Wir haben eine ganze Menge Freunde, die wichtig für uns sind, die uns unterstützen und ohne die die Band heute nicht das wäre, was sie ist. Freunde, die mit uns reden, uns inspirieren, Fotos und Videos mit uns machen. Zum Zeitpunkt, als das Album entstand, hatten wir keinen festen Bassisten und da haben uns Freunde wie unser Ex-Schlagzeuger Vitor und unser Studiotoningenieur Davi Pacote auch bei den Proben und beim Songwriting unterstützt. Auch unsere Fans beziehen wir gezielt mit ein.

Ihr habt jetzt mit Macareno einen neuen Bassisten dabei ...

Paulinho:
Richtig. Wir haben uns leider von unserem langjährigen Bassisten Dudu trennen müssen. Er lebt jetzt in São Paulo, weit weg von unserem Heimatort, so dass wir uns neu orientieren mussten. Das Album wurde noch mit Davi Pacote am Bass eingespielt. Er ist nicht nur ein grandioser Produzent, sondern auch ein langjähriger Freund der Band sowie ein begnadeter Musiker. Aber wir wussten schon bei den Aufnahmen, dass das mit Davi keine Dauerlösung sein wird. Mit Macareno haben wir jetzt aber eine super Lösung gefunden. Ein 24-jähriger Bursche, und wir sind seine erste Band.

Wenn man eure Fans nach ihren Lieblingssongs des neuen Albums fragt, erhält man sehr viele unterschiedliche Antworten. Ein gutes Zeichen, oder?

Big Mike:
Das fängt ja schon bei uns in der Band an, dass wir unterschiedliche Favoriten haben.

Paulinho: Es ist schon gut, dass es viele unterschiedliche Lieblingssongs gibt, denn es gibt uns das Gefühl, dass es zahlreiche gute und wichtige Songs gibt und nicht nur zwei oder drei herausragende, und der Rest ist beliebiges Füllmaterial.

Und von was handeln die neuen Songs?

Paulinho:
Wir haben da schon eine bunte Mischung aus ernsten, persönlichen und lustigen Themen. Da gibt es mit dem „Beer song“ ein klassisches Partystück. Wir sind schon zweimal durch Deutschland getourt und haben dabei ein paar großartige Freunde gefunden. Der Song soll auch so eine gewisse Freude ausdrücken, mit diesen Freunden gemeinsam bei einem Bier zu feiern. Das ist unser Bild von Deutschland. Die Deutschen trinken gerne Bier und tragen lange Socken, haha. Dann haben wir aber auch persönliche und ernstere Themen. „Ana“ zum Beispiel handelt von einer Freundin, die eine sehr schlimme Zeit durchgemacht hat, nachdem ihre Mutter einen schweren Autounfall hatte und fast gestorben wäre. Mit „Imaginary lines“ gibt es auch einen ernsteren Song über die Problematik von Grenzen und Abgrenzungen zwischen Ländern und Kontinenten. Der Song „Nineties“ handelt von den Neunzigern, als wir mit Punk sozialisiert wurden und als Kids Bands wie GREEN DAY, THE OFFSPRING und die RAMONES für uns entdeckten. Und „You don’t know me“ ist ein Song über Depression und Selbstmord und dass man diese Problematik im persönlichen Umfeld leider oft erst zu spät wahrnimmt.

Euer neues Album wird in unterschiedlichen Ländern veröffentlicht. Wie ist der aktuelle Stand?

Paulinho:
Wir haben viele Fans in Japan, dort wird poppiger RAMONES-Punk-Rock immer noch sehr geschätzt. Dort erscheint das Album auf CD als Kooperation der beiden Labels Dumb und Waterslide. In Brasilien haben wir das Album in Eigenregie ebenfalls als CD herausgebracht. Die Veröffentlichung sollte eigentlich als Kooperation mit dem US-Label Something To Do über die Bühne gehen. Da hat es leider in der Kommunikation ein Missverständnis gegeben, so dass das Label in letzter Sekunde sein Engagement zurückgezogen hat, weil es das Album exklusiv alleine vermarkten wollte – das kam für uns aber nicht in Frage. Aber ganz besonders freut uns, dass es das neue Album auch wieder auf Vinyl gibt. Partysprenger Records hat im Januar die LP rausgebracht. Dass die Produktion in Kooperation von Monster Zero mitgetragen wird, ist auch etwas, das uns begeistert und stolz macht, es ist aus unserer Sicht aktuell eines der herausragendsten Labels für RAMONES-Punkrock weltweit.

Ihr habt für das neue Album auch wieder eine Crowdfunding-Kampagne durchgeführt. Wie lief es?

Paulinho:
Wir haben ja schon mehrere Crowdfunding-Kampagnen gehabt, aber diese war bisher am erfolgreichsten. Es sind ca. 2.000 Euro zusammengekommen. Es kam Geld aus Brasilien, Argentinien, Deutschland, Belgien, der Schweiz und sogar aus Hawaii. Als Gegenleistung gab es CDs, T-Shirts und sogar ein FLANDERS 72-Bier.

Ihr habt jetzt sogar ein eigenes Bier?

Paulinho:
Ja, das stammt von einer einheimischen Brauerei aus unserer Heimatstadt São Leopoldo. Die haben mehrere Biersorten zur Auswahl und bereits bei kleinen Mengen stellt dir die Brauerei Bier in deinem Design zur Verfügung. Wir haben zwei Geschmacksrichtungen ausgewählt und damit offenbar auch den Geschmack unserer Fans getroffen, denn beim Crowdfunding hat sich das Bier besser verkauft als die neue CD, haha. Deshalb haben wir speziell zu Weihnachten noch ein Red Ale als weiteres FLANDERS 72-Bier aufgelegt.

Es gibt einige bekannte Punkrocker wie Joe Queer, Richie und CJ Ramone, die regelmäßig mit euren Bandshirts zu sehen sind. Wie schafft ihr das?

Paulinho:
Das ist richtig cool und bedeutet uns auch viel, da wir sie ja nicht dafür bezahlen, dass sie unsere Shirts tragen. Sowohl die RAMONES als auch die QUEERS zählen zu unseren absoluten Lieblingsbands und hatten zusammen mit GREEN DAY einen großen Einfluss auf uns. Sowohl mit Richie als auch mit CJ haben wir schon gemeinsame Konzerte in Brasilien gespielt und dann Bandshirts ausgetauscht. Auf seiner letzten Single ist Richie auf dem Beiblatt mit unserem Shirt zu sehen, das ist einfach nur großartig.

Seit dem 1. Januar hat Brasilien mit Bolsonaro einen neuen Präsidenten. Wie konnte es passieren, dass so jemand die Wahl gewinnt?

Paulinho:
Es ist eine Katastrophe. Der Mann ist ein Anti-Demokrat, Rassist, militant und rechtsextrem, gegen Homosexuelle und Klimaschutz. Eine große Mitschuld an diesem Problem trägt auch die bisherige Regierung. Die Arbeiterpartei PT war acht Jahre an der Regierung und in dieser Zeit ist in Brasilien viel falsch gelaufen, es gab viele Skandale und vor allem sehr viel Korruption. Die letzten Regierungschefs, Lula und Rousseff, gehörten PT an. Die Bevölkerung war richtig angepisst und hat hier einfach eine Protestwahl durchgeführt. Und Bolsonaro hat es leider sehr gut verstanden, diesen totalen Hass auf PT zu kanalisieren und für sich zu nutzen. Aber ganz ehrlich, an der Korruption und den ganzen Missständen in unserem Land wird auch er nichts ändern. Sein Ansatz ist, die Gewalt in Brasilien mit noch mehr Gewalt zu bekämpfen. Dazu zeigt er dann sein persönliches Victoryzeichen, die Pistole. Eine sehr bedenkliche Entwicklung.

Big Mike: Er propagiert in der Gesellschaft die Bedeutung der Familie, wobei sein Familienbild extrem antiquiert und konservativ-traditionell ist.

Und was bedeutet seine Wahl für euch als Punkrock-Band?

Paulinho:
Nach seiner Wahl hat es bereits mehrere Festivals wie Punk Rock against Bolsonaro oder Rock Against Fascism gegeben. Der Zusammenhalt innerhalb der Musikszene wird spürbar größer, der politische Anspruch nimmt zu. Generell wird sich für uns aber nicht viel ändern. Brasilien ist ein riesiges Land und der Kurs ist, wie bei einem großen Schiff, schwer kurzfristig zu ändern. Hart wird es allerdings für die Kulturschaffenden, die auf staatliche Förderung angewiesen sind wie zum Beispiel das anspruchsvolle sozialkritische brasilianische Kino. Die Kulturszene ist auch in Brasilien eher links zu verorten. Da wir als Band wie auch die kleinen Clubs, in denen wir oft Konzerte spielen, aber noch nie Fördergelder erhalten haben, wird es in dieser Hinsicht keine Veränderung für uns geben.