EVERGREEN TERRACE

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At your worst

Ja, es stimmt, „Evergreen Terrace“ ist der Straßenname der wunderschönen Allee, auf der unser aller Lieblingsfamilie mit Homer als Oberhaupt wohnt. Immerhin klingt der Name mehr nach Hardcore, als es der vorherige Name der fünf Jungs aus Jacksonville, Florida tat: THE RATPACK BOYS. Es scheint so, als nähme man sich nicht so ernst im Hause EVERGREEN TERRACE. Laut Jason, dem Bassisten der Band, ist Spaß auch ihr Hauptantrieb. Nach dem mittlerweile dritten regulären Album, einer Cover-CD und sogar einer DVD ging es im September zum ersten Mal auf Europatour. Im Zuge der „Hell On Earth“-Tour kam die Band nun endlich auch nach Deutschland und ich hatte die Möglichkeit, Jason vor dem ausverkauften Konzert in Bochum beim Bassstimmen zu zusehen. Nebenbei beantwortete er mir auch noch ein paar Fragen.

Heute ist also euer erstes Europakonzert überhaupt. Eigentlich solltet ihr ja schon letztes Jahr auf dem Pressure-Festival in Herne spielen. Wieso wurde euer Auftritt abgesagt?

Ja, eigentlich sollten wir da letztes Jahr spielen, wir hatten auch schon unsere Flugtickets reserviert und mit dem Label war alles abgeklärt. Als es dann aber ums Bezahlen der Tickets ging, erfuhren wir, dass wir pro Ticket 500 Dollar bezahlen sollen. Das konnten weder wir noch unser Label sich leisten. Deshalb mussten wir unseren Auftritt und auch unsere Tour absagen.

Wie sehen denn die Reaktionen auf euer neues Album „Sincerity Is An Easy Disguise In This Business“ aus?
Unabhängig von Amerika waren wir bis jetzt in Australien und Costa Rica auf Tour und eigentlich sind die Reaktionen sehr positiv. Die Zeit in Costa Rica war einfach nur verrückt: Das Land ist sehr arm und es gibt wirklich nicht viele Hardcore-Konzerte. Wahrscheinlich sind die Kids dort gerade deshalb total ausgeflippt. Die kannten fast alle unsere Texte. Das war schon atemberaubend.

Habt ihr noch mit anderen Bands dort gespielt oder ward ihr die einzige Hardcore-Band? Wie kam es eigentlich dazu, dass ihr dort gespielt habt?
Costa Rica liest man ja nicht oft im Tourplan von Bands. Es war ein Benefizkonzert für eine Organisation, die sich „Samwell“ nennt und darum kümmert, dass die Kids von der Straße runter kommen und eine gute Ausbildung erhalten. American Airlines hat die Sache gesponsert und auch unsere Flugtickets bezahlt. Wir konnten dann dort spielen und haben auch auf unsere Gage verzichtet und sie gesponsert. Die anderen Bands, die dort gespielt haben, waren costaricanische Hardcore-Bands. Da waren sogar ein paar ganz gute dabei.

Wie hat die amerikanische Hardcore-Szene auf euer neues Album reagiert? Schließlich kann man sich dort nicht gerade über einen Mangel an Hardcore-Veröffentlichungen beklagen.
Das Feedback, das wir in Amerika bekommen haben, ist auch sehr gut. Bei Shows ist das schon manchmal komisch: Wenn wir unser Set mit zur Hälfte alten Songs und zur anderen Hälfte mit neuen Songs bestücken, dann kennen die Kids die neuen Songs besser als die alten, obwohl die ja schon viel länger draußen sind. Liegt wohl am Internet. Trotzdem sagen viele auch: „Spielt mehr alte Songs.“ Wenn wir die dann spielen, singen einfach weniger Leute mit.

Mir kommt es so vor, als hat sich eure Art von Musik doch ein bisschen verändert: Es gibt mehr Gesangsparts und melodische Gitarrenriffs. Die Songs sind eingängiger.
Ich denke, wir haben einfach gelernt, wie man bessere Songs schreibt, haha. Also ich kann zumindest sagen, dass wir nicht die Absicht hatten, dass die Songs eingängiger werden. Es ist aber schließlich drei Jahre her, seit wir die letzte Platte veröffentlicht haben. Vielleicht ist „Sincerity Is An Easy Disguise In This Business“ auch eingängiger, weil mehr Punkrock drauf ist ... Mir jedenfalls gefällt sie viel besser, als unsere „Buried Alive By Time“-CD. Womöglich, weil wir die Songs schon so oft gespielt haben.

Nenn mir doch mal ein paar Bands, die dich oder euch inspiriert haben.
Auf jeden Fall ist die Band THE INDECISION meine Lieblings-Hardcore-Band. Als deren Album „Release The Cure“ herauskam, habe ich nur gedacht: „Ich möchte in einer Band spielen, die sich genau so heavy anhört.“ Auch viele Revelation-Bands haben uns beeinflusst. Greg hört gerne FARSIDE oder auch QUICKSAND und RIVAL SCHOOLS. Wenn wir unsere Gesangspart schreiben, versuchen wir einfach, sie so rockig zu machen, wie es geht. Ganz tabu sind bei uns weinerliche Emo-Parts.

Wie lange seid ihr mit eurem neuen Album nun schon am Stück auf Tour?
Wir haben sofort angefangen zu touren, nachdem das Album in Juni in Amerika herauskam. Zuerst haben wir mit BANE und MOST PRECIOUS BLOOD und danach mit SILVERSTEIN getourt. Nach unserer Europatour machen wir erst mal drei Wochen Pause und dann geht’s in Amerika wieder los, diesmal mit THE CHARIOT. Weihnachten verbringen wir wahrscheinlich in Australien ...

Ist euer Album „Writers Block“ eigentlich ein reines Coveralbum oder doch eher ein Tribut an Bands wie TEARS FOR FEARS, OFFSPRING und U2?
Es ist definitiv nur ein Coveralbum. Wir dachten, es wäre lustig, so was zu machen: Eine Hardcore-Band covert Popsongs. Irgendwie fingen die Leute an, die ganze Sache zu ernst zu nehmen. Da haben wir uns gefragt, ob die nicht verstanden haben, dass das nur eine Spaßangelegenheit war. Es gab viele Songs, die wir ausprobiert haben, die sich aber nicht als Hardcore-Songs umschreiben lassen, wie zum Beispiel „I’m still standing“ von Elton John. Als wir uns den Song angehört haben, haben wir gedacht: „Hey, die Lyrics sind tough, das könnte eine super Song werden.“ Beim Spielen hörte sich der Song dann aber irgendwie dumm an, also haben wir es gelassen. Was die Songs auf „Writers Block“ angeht: Wir hatten eine Liste mit Songs, die wir gerne umschreiben wollten, ohne dass sie sich zu schlecht anhörten, wenn wir sie „more screamy“ machen würden.

Erinnerst du dich noch daran, wie es mit EVERGREEN TERRACE anfing? Erzähl doch mal, was vor dem Verschicken der ersten Demo-CD alles passiert ist.
Am Anfang war ich noch gar nicht in der Band. Ich war gut mit den Jungs befreundet, und als sie einen Bassisten brauchten, haben sie mich gefragt und ich hab sofort zugesagt. Davor hab ich mit Josh in einer Band gespielt. Das erste Mal hab ich EVERGREEN TERRACE bei einer Show mit STILLMADE als Hauptband gesehen. Damals nannten sie sich noch THE RATPACK BOYS, was eigentlich ein Scherz sein sollte. Sie waren furchtbar schlecht ... Dann sind sie auf eine selbstgebuchte Tour gegangen, natürlich in einem Mini-Van. Kurz darauf stiegen Greg und ich in die Band ein. Danach wurde mit den Aufnahmen für das erste Demo begonnen.

Musstet ihr viele Demos verschicken, bevor ihr eine Antwort bekommen habt?
Wir haben vielleicht 500 CDs pressen lassen. Die waren in Sandwich-Papier verpackt, auf dem auch die Lyrics standen. Dann hat unser alter Drummer mit Hand of Hope sein eigenes Label aufgemacht und auch unsere CD darüber vertrieben. Übrigens haben wir die Demo-Tracks und ein paar Livesongs zusammen genommen und sie noch mal unter dem Namen „At Our Worst“ veröffentlicht. Die Demosongs sind nicht nachbearbeitet und dementsprechend shitty hört sich auch die CD an.

Wie alt seid ihr jetzt und was macht ihr, wenn ihr nicht gerade auf Tour oder im Studio seid?
Ich bin 25 Jahre alt. Als ich bei EVERGREEN TERRACE einstieg, war ich 19 – verdammt, das sind ja schon sechs Jahre! Wenn wir nicht touren, arbeite ich in einer Art Altersheim, Greg ist Türsteher in einem Club, Josh arbeitet in einer Telefonzentrale, Chris in einem Steakhouse und unser Sänger Andrew in einem Restaurant. Irgendwie muss man ja seine Rechnungen bezahlen. Wenn wir längere Tourpausen machen, muss ich arbeiten und mittlerweile bin ich so selten zu Hause, dass sich eine eigene Wohnung gar nicht lohnt, also wohne ich wieder bei meinen Eltern. Es ist beschissen, wenn man Miete für eine Wohnung bezahlen muss, in der man praktisch gar nicht wohnt.

Euer Label Eulogy Records hat eine DVD rausgebracht, auf der Straßenschlachten zu sehen sind. Im Hintergrund läuft Hardcore. Was hältst du davon?
Das ist eine Scheiß-DVD, aber als ich sie geguckt habe, lief eigentlich die meiste Zeit nur Rap-Musik im Hintergrund. Wir sind auch mit einem Song zu hören, was wir im Vorfeld aber nicht wussten. Für uns war es eine ganz schöne Überraschung, als wir gemerkt haben, dass mit unserer Musik eine Stripszene untermalt wird. Wir dachten nur: „Was soll das?“. Solche DVDs, wie auch zum Beispiel das „Boston Beatdown“-Video, geben einfach einen falschen Eindruck von der Hardcore-Szene: Man könnte meinen, alle Hardcore-Kids wären Hooligans. Besonders schlimm ist es, zu sehen, wie Kids, die gerade anfangen, Hardcore zu hören, versuchen dadurch einen Eindruck bei den älteren Leuten zu hinterlassen, indem sie zeigen, wie brutal sie sein können. Die starten dann Schlägereien bei Shows. So was ist so dumm und ich hasse es.

Gab es bei euren Shows auch schon Schlägereien?
Ja. Natürlich nicht jedes Mal, aber in Amerika gibt es ständig Schlägereien. Wenn zum Beispiel einer beim Moshen getroffen wird und danach fragt: „Hey, wer hat mich geschlagen?“. Ich sage dazu nur: „Du moshst, also muss du auch damit rechnen, dass du getroffen wirst. Was hast du denn gedacht, was da passiert?“.

Ihr habt mittlerweile schon eine DVD und ein Coveralbum draußen. Wie entstand die DVD und was sind eure Pläne für die Zukunft? Wann kommt die Best-of-EVERGREEN TERRACE-CD?
Die DVD haben wir zusammen mit einem Freund, den ich in einer Schule für Tontechnik kennen gelernt habe, gemacht. Er hat Filmtechnik studiert und besitzt eine echt gute Kamera. Der ist dann mit auf Tour gekommen und im Endeffekt hatten wir so viel Material zusammen, dass es für eine DVD reichen würde. Bei allem, was wir machen, denken wir: „Das hört sich nach Spaß an, also tun wir es“. Wir machen uns nicht so viele Gedanken darüber, was die Leute von uns erwarten oder was wir als nächsten machen könnten.