In Norwegen sind sie seit rund zwei Jahren sowas wie Stars: KÅRE & THE CAVEMEN alias EURO BOYS. Hervorgegangen aus den KWYET KINGS, wo Drummer Kåre Joao Pedersen und Gitarrist Knut "Euro Boy" Schreiner bereits zusammen musizierten, entwickelte sich die Band immer weiter weg von einer reinen Surfband, hin zu Allround-Instrumental-Meistern. Mit an Bord ist auch Anders Møller, bis vor kurzem noch bei GLUECIFER, sowie The Kid (der eigentlich Per heisst) als Neuzugang an der Orgel und Dag F. Gravem am Bass. Ach ja, Euro Boy spielt natürlich auch bei der anderen besten norwegischen Band Gitarre, bei TURBONEGRO. Ich befragte die Boys nach dem Konzert im Oberhausener "Druckluft".
Im Veranstaltungskalender des "Druckluft" wird eure Musik als "Agentensound" beschrieben. Seid ihr damit einverstanden?
Knut: Naja, wir haben schon schlimmeres gesehen. Die Leute kommen bei uns echt mit den seltsamsten Beschreibungen an. Ich kann das aber nachvollziehen, denn ich finde es schwer, unsere Musik einzuordnen. Wir kombinieren einfach so viele verschiedene Musikstiel, dass da schon einiges an Verwirrung entstehen kann - gerade auch bei Musikjournalisten.
Irgendwie hat das ja auch was damit zu tun, dass ihr vor den EURO BOYS ganz andere Musik gespielt habt bzw. noch spielt.
Knut: Richtig, in unseren dunklen Teenager-Jahren haben Kåre und ich bei den KWYET KINGS gespielt, und ich spiele natürlich noch bei TURBONEGRO.
Anders: Ich habe bis im Oktober bei GLUECIFER gespielt. Es ging zeitlich einfach nicht mehr, in zwei so erfolgreichen Bands zu spielen."
Knut: Was den völlig anderen Musikstil der EURO BOYS anbelangt, so war uns, als wir die Band gründeten, schon bewusst, dass seit ein paar Jahren ein Surf-Revival läuft - ich nenne da mal nur MAN... OR ASTRO-MAN? oder LEIKA & THE COSMONAUTS aus Finnland. Aber solche Bands haben wir eigentlich nie gehört und wir können uns mit ihnen auch nicht identifizieren. Ich meine, das scheinen alles so richtige Musikverrückte zu sein, die nichts anderes machen als Plattensammeln und Fanzines lesen - weisst du, diese Typen über 30, mit Frau und Kindern und genug Geld, um so ein Hobby zu finanzieren. Die haben superteure Instrumente und wollen die Musik von Dick Dale und Konsorten so originalgetreu wie möglich nachspielen, die leben fast nur in der Vergangenheit. Wir dagegen wollen Musik spielen, die aufregend, neu und lebendig ist und alles hat, was gute Popmusik braucht. Dieser Ansatz ist auch der Grund, weshalb wir bei einem grossen Label unterkommen wollten.
Dieses Konzept scheint ja aufzugehen, denn immerhin kann ich mich nicht daran erinnern, dass es sonst eine Surf/Instrumental-Band in den letzten Jahren irgendwo in die Charts geschafft hat.
Knut: Wir waren von Anfang an eben recht ehrgeizig, haben kaum Kompromisse gemacht und sehr viel Geld, Arbeit und Enthusiasmus in die Produktion unseres Albums gesteckt. Deshalb ist unser Debüt-Album "Jet Age" auch eine ziemlich perfekte Platte geworden.
In Deutschland erschienen in den letzten zwei Jahren mehrere Platten mit Instrumentalmusik wie etwa "Schulmädchenreport" oder "Raumpatrouille Orion", die diesen Sixties-Sound, mit dem ja auch ihr arbeitet, zumindest in Szenekreisen recht populär gemacht hat. Gab´s sowas auch in Norwegen, oder seid ihr völlig neu auf den Plan getreten?
Knut: Als wir anfingen, wurde dieser Sound auch in Norwegen gerade recht beliebt, es tauchten all diese Film-Soundtracks auf und in den Clubs fanden entsprechende Parties statt - du weisst schon, diese ganze Easy Listening-Sache und Platten wie "Vampyros Lesbos". Und natürlich haben wir von dieser Musik einiges aufgenommen. Wenn man sich unsere Platte genau anhört, kann an einigen Stellen schon deutlich hören, wo wir die Einflüsse herhaben.
Das ist sowieso ein Phänomen mit eurem Album: man fühlt sich ständig an andere Songs erinnert, aber beim genauen Hinhören stellt sich heraus, dass es doch eine neue Melodie ist und kein Cover.
Knut: Ja, ich verstehe dich, aber ehrlich gesagt sind wir uns dessen gar nicht bewusst, wenn wir die Songs schreiben und aufnehmen. Aber natürlich sind die Originale irgendwo in unserem Kopf gespeichert und kommen irgendwie wieder zum Vorschein. Abgesehen davon haben wir alle zwar nicht den gleichen Musikgeschmack, aber doch eine sehr ähnliche Vorstellung davon, was gut ist und was nicht.
Faszinierend fand ich eben, dass ihr es als reine Instrumentalband schafft, auf der Bühne richtig abzurocken.
Knut: Hehe, wir sind halt alle noch ziemlich jung und nicht so alte Säcke, die nur noch steif auf der Bühne rumstehen können. The Kid ist neulich erst 20 geworden, wir anderen sind 22, 23, und ausserdem haben wir mit unseren anderen Bands halt einen Szene-Hintergrund, bei dem man lernt zu rocken.
Anders: Ausserdem muss man auch ganz klar zwischen Studio und Bühne unterscheiden. Ein Liveauftritt muss einfach eine unterhaltsame Rockshow sein.
Knut: Genau, im Studio ist exaktes, konzentriertes Arbeiten angesagt, um die Aufnahme so interessant wie möglich zu machen, während live der Auftritt so interessant wie möglich sein muss. Und ehrlich, das ist nicht gerade leicht, denn irgendwie werden unsere Songs immer komplizierter und anspruchsvoller und ich muss mich live schon verdammt konzentrieren, meine Finger immer an der richtigen Stelle zu haben. Wir spielen eben nicht krachigen Punkrock, sondern komplexe Instrumentalmusik, da hört man jedes Verspielen.
Klär mich doch mal auf, was es mit dem Bandnamen auf sich hat. Anfangs hiess die Band ja KÅRE & THE CAVEMEN, wurde dann aber - zumindest für den internationalen Markt - in EURO BOYS umgetauft. Bei TURBONEGRO hast du den Künstlernamen Euro Boy - wegen dieser Band?
Knut: Wie du schon sagtest, hiessen wir anfangs KÅRE & THE CAVEMEN und waren eine reine Party-Zweitband. Wir merkten dann aber, dass diese Party-Zweitband tatsächlich die beste Band war, in der wir spielten, und es kamen auch immer mehr Leute zu unsere Konzerten...
Die beste Band? Besser als TURBONEGRO???
Knut: Äh, da musst du die anderen fragen.
Anders: TURBONEGRO ist doch eine ganz andere Band, die ich sehr schätze. Aber vom rein musikalischen Standpunkt her, also was das Handwerkliche betrifft, sind EURO BOYS einfach besser.
Knut: Ausserdem bezog sich meine Äusserung auf die Zeit, bevor ich bei TURBONEGRO einstieg. KÅRE & THE CAVEMEN wurden jedenfalls immer bekannter, und plötzlich kamen die ganzen Plattenfirmen, Zeitungen und Fernsehsender auf uns zu und wollten was mit uns machen. Wir gaben dann unsere Jobs auf bzw. schmiessen Studium und Schule und konzentrierten uns auf die Band. Wir unterschrieben bei Virgin Norwegen, und mit deren Geld - es war nicht gerade wenig, nahmen wir unser erstes Album auf. Das Album erschien, und erfreulicherweise verkaufte es sich sehr gut, wir kamen damit sogar in die Charts, spielten überall in Norwegen Konzerte und konnten sogar von der Band leben. Das war phantastisch, ich meine, davon träumt doch jeder Musiker. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch nie einen Gedanken daran verschwendet, ausserhalb von Norwegen zu spielen, doch als Virgin dann ankündigte, die Platte auch in anderen Ländern zu veröffentlichen, fingen sowohl wir wie auch das Label an über den Namen nachzudenken. KÅRE & THE CAVEMEN hatte einfach den Nachteil, einen norwegischen Buchstaben zu enthalten und ausserdem zu lang zu sein. Also setzten wir uns bei ein paar Bier zusammen und gingen eine Liste möglicher Namen durch. Unser Manager Rune Grønn, bei dem es übrigens um Rune Rebellion von TURBONEGRO handelt, sowie Happy Tom, ebenfalls von TURBONEGRO, traten dann stark für EURO BOYS ein. Das war bis dahin nur mein Künstlername bei TURBONEGRO. Wir fanden den Namen sehr eingängig und schön einfach - nimm nur mal BEACH BOYS, ZERO BOYS oder BEASTIE BOYS, und natürlich die BACKSTREET BOYS. Ausserdem hat der Name den Vorteil, nicht schon von vorneherein die Musik zu kategorisieren - solange die Musik gut, ist auch der Name gut. Andererseits ist der Name auch provokant, weil ihn viele Leute doof finden - aber egal, denn er bleibt in jedem Fall hängen.
Aber wie hast du den Spitznamen Euro Boy bekommen?
Knut: Als ich meinen ersten Auftritt mit TURBONEGRO hatte, mussten die sich natürlich einen Namen für mich einfallen lassen. Und irgendwie hatten die sich dann Euro Boy für mich überlegt. Ursprünglich ist "Euro Boy" aber ein Ausdruck aus der amerikanischen Schwulenszene, der Männer bezeichnet, die keine beschnittene Vorhaut haben. Es ist in den USA, wohl aus hygienischen Gründen und um spätere Komplikationen zu vermeiden, nämlich Standard, alle kleinen Jungen zu beschneiden - im Gegensatz zu Europa, und so kann man natürlich sehen, woher jemand kommt.
Für mich klingt der Name EURO BOYS aber auch nach Euro-Pop, womit die Amerikaner eben diese typisch europäische Popmusik bezeichnen, die in den USA kein Mensch hören will. Welche Erfahrungen habt ihr denn bei eurer US-Tour letzten Herbst gemacht?
Anders: Eine ganz interessante: irgendwie stellten wir nämlich fest, dass die Amerikaner allem, was aus Europa kommt, gleich eine höhere kulturelle Qualität zusprechen - was aus Europa kommt, hat Klasse, ist dem gewöhnlichen Amerikanischen überlegen. Wir wurden also eher als europäische denn als norwegische Band wahrgenommen.
Ich finde ja auch, dass das Albumcover sehr gut zum Bandnamen passt . Das hat was von "Penthouse & pavement" von HUMAN LEAGUE.
Knut: Die nächste Frage, bitte!
Was hat´s denn mit der Story auf sich, dass ihr im norwegischen Fernsehen eine eigene Sendung hattet?
Dag: Wir waren in dieser Sendung für Teenager die Hausband, spielten da ein bisschen Musik, gaben blöde Bemerkungen ab und hielten uns sonst im Hintergrund und machten einen auf cool. Mit der Zeit schafften wir es aber, immer mehr Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, und so bekamen wir in der nächsten Staffel der Sendung einen eigenen Platz eingeräumt. Das brachte uns natürlich ganz gut Publicity, aber realistisch gesehen hätte uns das auch nicht weitergeholfen, wenn die Platte nicht gut gewesen wäre.
Anders: Was viel mehr Aufmerksamkeit erregte war Kåres Liaison mit der Moderatorin, die recht bekannt ist. Das brachte unseren Namen natürlich überall in die Presse.
Knut: Oh ja, und die Paparazzi waren auch überall.
Wie lief die Tour in den USA denn nun? Ich meine, die USA sind das Mutterland von surfiger Instrumentalmusik, solche Bands finden sich dort überall.
Knut: Die Tour lief ganz gut, und wir gehen auch im März nochmal rüber. Was mich erstaunt hat war, dass die USA zwar der grösste Musikmarkt der Welt sind, aber die meisten Bands - es waren jeden Abend zwei oder drei, die mit uns spielten - richtig beschissen waren. Die konnten nichts, und die Leute waren fast immer begeistert, mit uns mal was ganz anderes zu sehen.
Was die Unterschied betrifft, so muss ich dir da rechtgeben. Welche Band kann heute schon einen Percussionisten aufweisen?
Knut: Kaum jemand, eben. Das fügt dem Sound ein ganz neues Element hinzu und die Leute hören automatisch hin, weil sie eben was hören, was sich total von em unterscheidet, was sie sonst zu hören bekommen.
Und was ist mit eurem Equipment? Verwendet ihr alte Originalinstrumente oder neue?
Knut: Nein, wir haben schon ganz gute Sachen, die aber durch das ständige Touren und Spielen mittlerweile ziemlich gelitten haben.
Dag: Uns ist guter Klang wichtiger als das Gefühl, eine Gitarre oder ´nen Bass aus den Sechzigern in den Händen zu halten. Wobei ich aber doch zugeben muss, einen schöne alten Framus Nashville-Bass aus Deutschland zu spielen.
Kid, was ist mit deiner Vox-Orgel?
Kid: Die ist natürlich alt, die ist Baujahr ´66 und für die habe ich in England 1.500 Mark gezahlt, das ist ein noch akzeptabler Preis.
Ihr habt vorhin einen Song Harry Klein gewidmet, dem Assistenten von Derrick.
Knut: Oh ja! Derrick war in den Achtzigern in Norwegen sehr beliebt, und damals gab es in Norwegen auch nur einen einzigen Fernsehkanal. Als Kinder war für uns dann am Freitag abend um 20.15 Uhr...
Was!? Die gleiche Sendezeit wie in Deutschland?
Knut: Offensichtlich. Jedenfalls war Freitag abend Derrick angesagt, und in der Schule gab es am Montag nur zwei Gruppen: die coolen Kids, die Derrick schauen dürften, und die Looser, denen die Eltern das nicht erlaubten.
Wusstet ihr, dass demnächst die allerletzte Derrick-Folge läuft?
Alle (ungläubig): Wirklich!???
Ja - und derzeit läuft eine von der "tageszeitung" in Berlin angestossene Kampagne, Harry Klein zum Nachfolger von Derrick zu machen anstatt die Serie abzusetzen.
Dag: Ich hoffe, die haben Erfolg! Horst Tappert ist derzeit übrigens mal wieder in Norwegen, der hat da ein Ferienhaus. Und der wurde erst letzte Woche im norwegischen Fernsehen dazu interviewt, der ist strikt dagegen, Derrick ohne ihn weiterlaufen zu lassen.
Habt ihr damals mitbekommen, dass Harry Klein alias Fritz Wepper wegen Kokainbesitzes vor Gericht stand?
Dag: Nee, echt? Dieser korrekte deutsche Polizist? Cool!
Anders: Wenn ich heute mal wieder Derrick sehe, bin ich entsetzt, wie schlecht das eigentlich ist. Das Drehbuch ist super simpel, völlig unglaubwürdig, und jede Folge spielt in einem völlig sterilen Bonzenmilieu.
Dag: Und ich erinnere mich, dass meine Eltern damals eine Platte von Frank Duval hatten - von dem war doch damals die Musik sowie die Titelmusik: dim-di-di, di-dim-di-di...
Knut: Derrick ist einfach Nostalgie - so wie so vieles an den EURO BOYS.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #30 I 1998 und Joachim Hiller
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