ENDSEEKER

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Uffta-uffta

Auf ihrem dritten Album öffnen sich die Hamburger Death-Metaller ENDSEEKER stilistisch so weit wie nie zuvor. Zwar tönt „Mount Carcass“ immer noch sehr nahe an der Basis, doch Schweden allein steht bei ihnen nicht mehr Pate wie noch in der Vergangenheit. Wir sprechen mit Gitarrist Jury über frühere Pläne der Band, warum man jetzt so frei aufspielt und den Dave Lombardo-Beat.

Als wir uns das letzte Mal gesprochen haben, anlässlich „The Harvest“ vor zwei Jahren, standet ihr kurz vor der Entscheidung, ob ihr die Band noch etwas professioneller aufstellt und vielleicht auch ein paar Touren mehr spielt. Das alles hat sich aktuell in Luft aufgelöst, oder?

Genau, unser großer Wunsch war es eigentlich, mit „The Harvest“ ein wenig mehr in Europa unterwegs zu sein. Das war auch alles so schon mit der Booking-Agentur abgeklärt. Es gab diverse Pläne. Neulich haben wir ja erst die Tour mit LIK angekündigt. Die Daten dazu wollten wir eigentlich zeitnah bekanntgeben, haben es aber bis heute nicht gemacht. Das Ganze war an sich schon für Frühjahr 2020 geplant. Das war dann aber nicht mehr durchführbar. Für „The Harvest“ haben wir insgesamt nur eine Handvoll Shows gespielt.

Stattdessen habt ihr dann die Situation genutzt und ein neues Album geschrieben.
Wir wollten ein unverkopftes Album schreiben, das eine Menge Spielspaß ausdrückt. Einfach frei raus, aus der Scheißsituation einfach das Beste machen. In relativ kurzer Zeit haben wir dann acht eigene Songs geschrieben und ein Instrumental, das auf „Escape From New York“, dem Kultfilm von John Carpenter, beruht, aufgenommen. Wir sind danach hier in Hamburg wieder zu Eike Freese ins Studio gegangen und haben die Platte eingespielt. Wir haben bisher noch nie so analog aufgenommen. Alles klingt etwas geerdeter.

Musstet ihr Eike Freese erst überzeugen, mit dem Sound in diese Richtung zu gehen? In der Vergangenheit stand er für mich eher für ein eher moderneres Klangbild.
Nee, mussten wir nicht. Eike versucht sich schon im Vorfeld gewissenhaft vorzubereiten, sich mit den Künstlern zusammenzusetzen, um ihre Vision zu erfragen. Auch er hat nicht immer Lust sich zu wiederholen und möchte sich lieber weiterentwickeln – natürlich am liebsten mit der Band zusammen. Wir sind ja auch mit „Wolverine Blues“ von ENTOMBED­ aufgewachsen. Beim Vorgänger „Clandestine“ haben sie ja zum Beispiel auch mit Triggern und E-Schlagzeug gearbeitet. Bei „Wolverine Blues“ eben nicht. Die Platte lebt vom Warmen, Analogen – vom Rock’n’Roll. Sie drückt dadurch Esprit und Spielfreude aus. Nach einer Zeit finde ich das Aufreißen von Limiter und Kompressor im Mastering anstrengend. Teilweise wird danach verlangt, weil die CD dich dann erst mal in die Ecke klatscht. Für mein Verständnis bricht es aber wieder ein. Mir ist es lieber, wenn du so spielst und so gut mikrofonierst, dass du die Bassdrum eben nicht unterfüttern oder samplen musst. Wir fanden es schon immer wichtig, ein paar Euro mehr in die Hand zu nehmen und eben nicht zu re-ampen oder so. Am Ende haben wir Eike dann bei den ersten Mastering-Versionen gesagt, dass er den Limiter noch mehr rausdrehen soll, damit nicht alles so glattgebügelt ist, damit es vielleicht auch hier und da ein bisschen schwankt. So ist die Platte sehr stressfrei zu hören, knallt aber trotzdem.

Kann ich absolut verstehen. Eine Album klingt wesentlich angenehmer, wenn die Band dem Hörer nicht gleich ins Gesicht springt.
Bei den zu komprimierten Produktionen, mit Trigger-Replacement und so weiter, kannst du zwar jeden Snare-Schlag hören und alles ist gleich sauber und gleich laut, aber du hörst nicht, was wer gerade macht. Das Bandgefühl kommt nicht rüber. Ich möchte dabei aber sagen, dass ich kein Oldschool-Typ bin und im Endeffekt auch das mag. Bei uns kann es nun eben sein, dass du einen SLAYER-Beat hörst, die Snare ist weiter hinten, dann ist hier mal der Gesang lauter, da die Kick. Gerade dadurch bekommst du aber die Lebendigkeit rein, ein stückweit auch die Magie.

Lass uns hier mal zur Musik abbiegen. Hier habt ihr euch ein bisschen geöffnet. Gerade der Titeltrack sticht für mich heraus. Der wirkt vor allem in den Strophen ein bisschen verschroben.
Gut erkannt. Das Eröffnungsriff ist für mich das „NAPALM DEATH-Riff“. Ich habe damals an die gedacht. Für uns ist dahinter aber dann immer der Dave Lombardo-Beat. Als ich mit den Riffs um die Ecke kam, dachte ich, dass dem Album ein Song, der ein bisschen gegen den Strich geht, noch fehlt. Im Schwedentod-Bereich würde ich hier „Indecent & Obscene“ von DISMEMBER nennen. Hier musste ich mir früher die Arrangements erkämpfen. Gerade die Platte war verschrobener als das, was ENTOMBED zu dem Zeitpunkt gemacht haben. Auch so was hat bei uns seine Existenzberechtigung. Trotzdem sind hier die Arrangements ziemlich klar gegliedert und der Refrain, der recht geradlinig ist, ist unser JUDAS PRIEST-Riff – natürlich auch mit Uffta-Uffta drunter. Dadurch klingt es wieder ganz anders.

Ein Song, den ich noch sehr interessant finde, ist „Frantic redemption“. Hier erinnert mich die finstre Stimmung an MORBID ANGEL.
Wegen des Mittelteils vermutlich. Ich habe, als mir das Riff eingefallen ist, auch darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht zu amerikanisch ist. Trotzdem ist es geil. Das ist mit Sicherheit das Ami-Riff auf der Platte. Vor allem an der Stelle, an der Lenny den Songtitel singt. Wir sind aber auch beinharte MORBID ANGEL Fans. Wobei der Song, der um diese Stelle herum gebaut ist, der oldschooligste der Platte ist. Hier wollte ich eigentlich etwas Schwedisches, vielleicht auch Melodiefreies schreiben – aber ja, in der Mitte geht es nach Amerika. Das kann ich nicht verneinen.