Mit „Herzlaut“ bringen die DRUNKEN SWALLOWS aus Oldenburg nicht nur das erste selbstproduzierte Album ihrer Bandkarriere heraus. Es ist auch ein Album, das wohl so schonungslos zurückblickt wie selten eines zuvor. Das liegt einerseits am Lockdown, von dem die Band ebenso plötzlich betroffen war wie viele andere. Das klingt andererseits aber auch aus manchem Song heraus, in dem die – nicht immer ganz leichte – Vergangenheit der DRUNKEN SWALLOWS aufpoppt. Frontmann Frank Hoffmann erzählt uns dazu mehr.
Frank, auf deiner Mailbox begrüßten mich eben DIE TOTEN HOSEN. Interessant ...
Haha, das ist einem technischen Problem geschuldet: Es ist irgend so ein altes Jamba-Spar-Abo aus Uralt-Zeiten und ich bekomme das einfach nicht mehr weg. Irgendwann habe ich es einfach aufgegeben.
Schönes Stichwort. Dann beginnen wir doch mal mit einer „technischen“ Frage: „Herzlaut“ ist das erste Album, das ihr eigenständig produziert habt. Ungewöhnlich für eine Band, die bereits mehrere Alben mit Produzenten veröffentlichte. Wie kam es dazu?
Wir mussten mit unserem Proberaum umziehen, haben eine alte Harley-Werkstatt übernommen, uns dort einen eigenen Proberaum mit Tonstudio gebaut – und haben uns an die Platte begeben. Es war eine Entscheidung, nach diesem Umzug alles noch mal auf Null zu setzen. Natürlich spricht überhaupt nichts dagegen, mit einem Produzenten zu arbeiten. Aber es ist eben auch so, dass etwa im Falle unserer „Chaospoesie“-Platte 2018 gut und gerne 60% unserer Vorstellungen einfach zunichte gemacht wurden vom Produzenten. Das ist sicherlich auch unsere Schuld, denn wir haben diese Entscheidungen damals ja mitgetragen. Aber wir haben uns seitdem immer wieder gefragt: Mensch, wie könnte all das klingen, wenn wir es rein nach unseren Vorstellungen umsetzen? Wir haben unseren Stil erst mit diesem Album so richtig gefunden.
Das bedeutet?
Uns fehlte ein gutes Stück Garage, haha.
Würdet ihr nach dieser Erfahrung eure früheren Alben gerne noch mal neu aufnehmen?
Was die Arbeit daran betrifft, auf gar keinen Fall, haha. Aber sonst? Ja. Zumindest „Chaospoesie“. Zu dieser Platte wurde nicht umsonst immer gesagt: „Die klingt brillant. Aber sie ist irgendwie zu glatt.“
Auf „Herzlaut“ geht es um die vergangenen eineinhalb Jahre. Den Lockdown. Die Pandemie. Du singst vom „Rücken zur Wand“. Wie nah war diese Wand?
Man muss ehrlich sein: Zum Glück hat uns diese Pandemie nicht existenziell erwischt. Wir haben einfach nicht mehr live spielen können und wurden darüber depressiv. Wir wollen vor allem aufmerksam machen auf das, was mit der Kultur generell passiert.
„Alarmstufe Rot“ heißt ein Song – und gemahnt an die entsprechenden Demos für den Erhalt der Kultur in Berlin.
Genau. Zwei von uns waren auch dabei. Ich selbst nicht. Ich bin in der Pflege tätig und war somit natürlich besonders eingebunden in dieser Zeit.
Du hast alles hautnah mitbekommen.
Ja, absolut. Inklusive all der Diskussionen darum, wie man mit diesem Virus nun umgehen muss. Und was es mit den wirklich betroffenen Menschen macht. Das war und ist schlimm. „Herzlaut“ wäre ohne diese Erfahrungen definitiv eine andere Platte geworden.
Der ironischste Song auf dieser Platte ist „BSPR-Punk.“ Wie viel Bauspar-Punk steckt eigentlich in dir?
100%. Ich bin in der Woche der Krankenpfleger, bin versichert, habe ein Haus und einen Garten und gebe mir Mühe, das alles auch in Schuss zu halten. Der Inhalt dieses Songs ist die Wahrheit über uns! Punk kann auch schicke Rasenkanten haben, haha.
Worum konkret geht es im Stück „Nein“, in dem ein Mensch eine Art Zwiegespräch um die Selbstbestimmtheit in seinem Leben führt?
Um unfaire Deals mit fiesen Plattenbossen der Branche. Damit werden sich schon die richtigen Leute angesprochen fühlen ...
Kannst du das ein wenig genauer erklären?
Ich will es mal so sagen: Wir hatten drei Jahre in unserer Karriere richtig heftigen Ärger. Von finanziellen Ängsten über Anwälte, Gerichtstermine, Falschaussagen, Erpressung, Unterschlagung – es war alles dabei. Und das alles auf unserem Niveau! Ich meine: Wir sind ja keine Profis, und trotzdem hat das auf einmal unseren Alltag ausgefüllt. Und in so einer Situation auf den Füßen zu bleiben und den Spaß an der Musik zu behalten, ist nicht so einfach.
In „Alles was zählt“ lautet eine Zeile: „Ich kann dir tausend Türen zeigen. Aber durchgehen musst du allein“. Welche Türen in deinem Leben hast du selbst nicht aufgestoßen – und bereust das heute?
Ich denke besonders an diese eine Situation 2018, in der ich hätte vernünftiger sein sollen. Damals erlitt ich während der Tour einen Herzstillstand. Ich stieg abends aus einem Taxi, fiel um und war drei Minuten lang tot, ehe mir ein Freund das Leben rettete, der erst eine Woche vorher einen Ersthelfer-Lehrgang absolviert hatte! Ich kam dann ins Krankenhaus und habe mich am nächsten Morgen selbst wieder daraus entlassen und abends einen Gig gespielt. Natürlich kann man sagen: Hey, das war total Rock’n’Roll! Erst tot – zwanzig Stunden später schon wieder auf der Bühne. Ich brauchte das damals und holte mir dafür sogar noch das Okay eines Kardiologen. Am Ende aber war es vor allem für die anderen Jungs das schlimmste Konzert, das wir je gespielt haben ... Und es war überhaupt nicht cool, sondern einfach nur fahrlässig. Das wurde mir jedoch erst Wochen später bewusst. Der Auslöser damals war eine verschleppte Herzmuskelentzündung. Und die kam von meinem Lebensstil. Ich hatte damals sehr, sehr viel gearbeitet, hatte mir diesbezüglich viel gefallen lassen und ertragen. Und um all das zu erkennen und auch zu ändern, wurden mir – und auch da sind wir beim Song und dessen Text – von vielen lieben Menschen viele Türen aufgezeigt, durch die ich aber letztlich selbst gehen musste.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #158 Oktober/November 2021 und Frank Weiffen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #147 Dezember/Januar 2019 und Frank Weiffen
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