DRAIN

Foto© by Christian Castillo

Die neuen Stars des Hardcore

Mit gutem Recht kann man wohl aktuell behaupten, dass DRAIN zu den interessanten Nachwuchsbands des Hardcore gehören, von denen man in naher Zukunft noch viel hören wird. 2016 gegründet wurde ihr Debütalbum Album „California Cursed“ im Jahre 2020 zum Szenehit. Innerhalb kürzester Zeit gelang es dem Quintett aus dem kalifornischen Santa Cruz sich eine solide Fansbase aufzubauen. Nun steht mit „Living Proof“ das zweite Album an. Wir haben uns im Rahmen der Rebellion Tour mit Schlagzeuger Tim Flegal und Bassist Sam „Slammy“ Jameson getroffen, um über ihre neues Album, künstlichere Ästhetik, aber den aktuellen Stand der Hardcore-Szene zu sprechen.

Wenn ihr auf die letzten zwei Jahre zurückschaut, wie fühlt es sich für euch an, ein gefeiertes Debütalbum und Slots auf dem Sound And Fury Festival oder beim Knotfest von SLIPKNOT zu haben. Kommt ihr bei allem, was passiert, noch zum Durchatmen?

Tim: Es ist verrückt. Alles geschieht so schnell. Da fällt es selbst uns schwer, das alles einzuordnen. Die Unterschrift unter dem Plattenvertrag, bei unserem ersten Label Revelation Records, war quasi der Startschuss für diese wahnsinnige Reise. Wir fokussieren uns trotzdem darauf, einfach Spaß zu haben und gute Shows zu spielen, dann läuft es.
Slammy: Es ist eigentlich gar nicht so viel anders geworden. Früher haben wir vor dreißig bis vierzig Leuten gespielt. Jetzt kommen mehr Menschen. Wir versuchen trotzdem die gleiche Energie zu transportieren. Es wirkt nach außen so, als hätten wir von jetzt auf gleich krassen Erfolg gehabt. Aber letztlich steckt dahinter auch viel harte Aufbauarbeit und dann kam noch Glück dazu.
Tim: Letztlich sind wir immer noch Hardcore Kids, die coole Konzerte spielen wollen. Die Größe ist für uns zweitrangig, wenn die Energie stimmt.

Es wirkt so, als ob die Leute zu vergessen scheinen, dass es die Band schon einige Zeit gibt, und eure Gründung mit dem Erscheinen von „California Curse“ gleichsetzen. Wie waren die ersten Jahre für euch? Und wie unterscheidet sich Santa Cruz als Ausgangspunkt von anderen Städten in den Staaten?
Slammy: Als wir angefangen haben, ging tatsächlich nicht so viel in Kalifornien. Wir haben damals in verschiedenen Konstellationen gespielt, aus denen inzwischen Bands wie DRAIN, SCOWL oder SUNAMI entstanden sind. Viele Leute denken bei Hardcore aus Kalifornien ans Los Angeles, aber es gibt auch eine spannende Szene in der Bay Area oder in Santa Cruz. Es freut mich, dass diese Bands jetzt den Sound Kaliforniens mit repräsentieren.
Tim: Neben der Tatsache, dass wir uns durch unsere Musik ausdrücken, spielt auch die Ästhetik eine große Rolle. Wir kommen aus einer Kleinstadt mit vielen Sonnentagen, lieben es zu Surfen und all das spiegelt sich auch in Merch, Videos und Auftreten wider.

„Living Proof” entstand in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Taylor Young sowie Toningenieur John Markson. Taylor ist für seine Arbeit mit Szenegrößen wie GOD’S HATE und SUICIDE SILENCE bekannt. John bedient eher die neue Emo-Schiene um DRUG CHURCH oder KOYO. Wie war es, mit so unterschiedlichen Ausrichtungen einen stimmigen Sound zu schaffen?
Tim: Wenn du wie wir aus dem Hardcore-Punk der Westküste kommst, dann ist Taylor eine wirklich gute Wahl, wenn du dir mal anschaust, mit wem er so gearbeitet hat und wessen Sound er geformt hat.
Slammy: Bands müssen nicht in Schubladen gesteckt werden, also sollte es auch nicht mit Produzierenden passieren. Auch sie müssen Musik im Allgemeinen verstehen und wie man einen guten Sound umsetzt. Wir sind keine reine Hardcore-Band sondern lassen viel Inspirationen bei uns einfließen. Das Wichtigste ist, dass man mit Menschen arbeitet, bei denen man sich wohl fühlt. Dies nimmt viel Stress aus dem Prozess der Albumaufnahme.

Wie, glaubt ihr, hat sich der Sound von DRAIN über die letzten Jahre entwickelt? Jetzt, da es eine solide Fanbase gibt und diese auch Erwartungen haben, geht ihr dadurch voreingenommener in Studio?
Slammy: Vor allem schreiben wir Musik, die wir selbst mögen. So kommt das beste Ergebnis dabei raus. Innerhalb der Band haben wir ja auch alle anderen Einflüsse. Jeder von uns bringt etwas mit und daraus entsteht der DRAIN-Sound.

Ihr spielt auf der Rebellion Tour mit MADBALL, H2O, HAZEN STREET und anderen mehr. Wie ist es, als recht junge Band mit diesen Ikonen unterwegs zu sein, und könnt ihr etwas lernen?
Slammy: Genau diese Bands haben wir ja gehört, als wir aufgewachsen sind, und dass sie uns nun so viele Respekt und Liebe entgegenbringen, ist extrem motivierend. Sie sind alle so offen für Neues. Wir lernen dadurch, mit derselben Offenheit an Dinge heranzugehen. Viele ihrer Tipps sind super hilfreich. Musikalisch wie menschlich.
Tim: Es sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass auch die Fans uns mit offenen Armen empfangen, uns feiern und weiterempfehlen.

Wir fühlt ihr euch allgemein, wenn ihr euch die Hardcore-Szene aktuell anschaut? Die New York Times widmet Hardcore einen eigenen Podcast, in dem auch ihr erwähnt werdet, TURNSTILE wurden für drei Grammys nominiert. Rap-Musiker greifen Hardcore-Elemente auf. Wird Hardcore langsam Mainstream?
Tim: Ich habe dazu eigentlich gar keine Meinung. Subkulturen haben immer davon gelebt, dass sie Elemente aus anderen Subkulturen übernommen haben. Ob man da von Mainstream sprechen kann, will ich gar nicht beurteilen. Subkulturelle Ideen sind mittlerweile wohl etwas mehr in die Mitte der Gesellschaft gerückt, was für mich cool ist, da es ja oft eher positive Aspekte sind.
Slammy: Wirklich cool ist, dass Menschen immer noch nach positiven Wegen suchen, um mit ihre Aggressionen umzugehen. Gerade nach den letzten Jahren. Das funktioniert immer noch extrem gut innerhalb der Hardcore-Szene. Schau dir die ganzen Bands an, die dort ihre Anfänge haben. Es sind die unterschiedlichsten Menschen, die dort zusammenfinden, aber sie geben dir trotzdem das Gefühl, willkommen und Teil einer sicheren Community zu sein. Möglicherweise rückt dieses Mindset jetzt mehr in den Mainstream. Das finde ich aber gut, es braucht immer neue Menschen, die dazukommen und Sachen lebendig halten. So auch der Hardcore, ob jetzt Subkultur oder Mainstream.