DISABILITY

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Ode an Katzen und Menschen

Keine Band begleitet mich so lange wie die ursprünglich aus Altötting stammenden DISABILITY, die Punk, Hardcore und 2Tone so einzigartig miteinander kombiniert, mit schnellem Offbeat, Orgel, Trompete, knackig-kurzen Hardcore-Nummern mit Keyboardteppich und Spielraum für exzellent rockige Gitarrensoli. Nach 25 Jahren erscheint nun „Donde Está Mi Amor?“, ihre sechste EP mit vier neuen Songs. Da ich mit Sänger Hias sporadisch immer in Kontakt geblieben bin, stand er mir Rede und Antwort über die derzeitigen Aktivitäten des Quintetts mit Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft.

Was habt ihr die letzten Jahre so getrieben und wie ist das für euch, nach so langer Zeit immer noch gemeinsam Musik zu machen?

Wir haben zwischen 2004 und 2006 ein paar Konzerte gespielt. Danach haben wir uns für zwölf Jahre ins Privatleben zurückgezogen, um uns voneinander zu erholen und unseren Familien mehr Zeit zu widmen. 2018 trafen wir uns erstmals wieder im Proberaum. Toni und Doc waren und sind in diversen Projekten von Klezmer über Surfpunk, Showmucke bis hin zu Jazz engagiert. Der Rest war musikalisch faul und hing meist ohne Pancho auf der Rancho ab. Der kreative In- und Output, die Ideen und auch die persönlichen Zu- und Abneigungen haben sich im Gegensatz zur räumlichen Distanz über die Jahre nicht groß geändert. Wir machen das seit 1991 und jeder von uns weiß, auf was er sich da einlässt.

Mir schien, du musstest zu dieser EP überredet werden.
Für die EP musste mich niemand überreden. Ich mag Studioarbeit. Mir war von Anfang an klar, dass die neuen Songs Potenzial haben. Allerdings haben wir nicht mehr 1998. Damals hat sich bei mir alles um die Band, das Label und Konzerte gedreht. Das ist abgeschlossen und interessiert mich nicht groß. Und dann stellt man sich die Frage: Brauch ich das alles noch mal? Zumal ich nach einem Gehörsturz im Jahr 2004 auf laute Musik nicht mehr scharf bin. Meine Präferenzen liegen heute woanders. Du findest mich eher im Wald, auf dem Berg oder in einer Eishalle als auf einem Konzert, geschweige denn auf einer Bühne. Zeitlich sind wir mit allen möglichen Dingen ausgefüllt. Wenn einer nicht mehr mag oder kann, machen wir eben wieder Pause.

Wie verlief der Weg zu einer EP mit neuen Songs, von den Aufnahmen bis hin zur Veröffentlichung?
Die ersten Ideen schickten Jadde und Toni bereits 2018 rum. Sie waren schon immer für das Songwriting verantwortlich. Seitdem wurde daran im Proberaum, zu Hause und in Tonis Dachkammer-Studio gearbeitet. Es ging viel über WhatsApp hin und her. Es gab zwei längere und ein paar Solo-Studiotermine bei unserem Mixer Frans Stummer, der uns seit Jahren kennt und uns zu nehmen weiß. Zwischendurch spielte der Doktor Orgel und Trompete in Tonis Wohnmobil ein. Wir waren schon immer Hippies, wenn es um alternative Aufnahmeformen ging. „Kommst du bidde“ wurde bereits 2004 geschrieben. Die anderen drei Songs sind brandneu und wurden erst im Studio fertig. Die Texte kommen zum Schluss. Ich brauche den komplett fertig arrangierten Song, sonst kann ich keine Geschichte schreiben. Toni hat während der Aufnahmen immer wieder zwischengemixt und die Songs digital verfeinert. Er kümmerte sich diesmal auch um die Veröffentlichung, digital und auf Vinyl. Die EP erscheint wie immer auf dem bandeigenen Label Uter Records.

Wie ist das jetzt mit der Liebe? Auf was ist der Titel bezogen und worum geht es in den vier neuen Stücken?
„Donde Está Mi Amor?“ thematisiert die Illusion einer friedlichen Koexistenz zwischen meinen beiden Burma-Katern und meiner Wenigkeit. Zugleich zeichnet es ein Zukunftsszenario, in dem ich fein raus bin und ausgesorgt habe. Die Frage, ob mich die beiden Herren lieben oder jemals geliebt haben, bleibt dabei ungeklärt. Auch „Lauf“ habe ich einem der Viecher gewidmet – Willi war tagelang auf Jagd und abgängig, kam dann mit einer Hüftluxation nach Hause und war nach schweren Operationen wochenlang auf drei Pfoten unterwegs. Ich musste ihm ein Zeichen der Liebe senden und habe ihm ein Lied zur Genesung gewidmet. „Gibt’s doch gar nicht“ und „Kommst du bidde“ sind letztendlich Spielereien mit Wörtern, kurz und einfach aus dem Bandleben gegriffen: Jeder hat schon mal vergeblich auf etwas oder jemanden gewartet oder sich über die eine oder andere Eigenart anderer Menschen gewundert.

Eure alten Aufnahmen klangen viel rauher und dreckiger. Wie kam es, dass die neue EP eine so saubere Produktion geworden ist?
Toni und Frans Stummer hatten bei dieser Platte viel mehr technische Möglichkeiten und Know-how, als dies noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Wir standen früher bei Aufnahmen oft unter Zeitdruck. Mehr als zwei Tage Studioarbeit gab das Budget nicht her. Wir wollten immer einen druckvollen Sound. Das ist uns diesmal definitiv gelungen.

„Donde Está Mi Amor?“ und „Schwamm drüber!“ sind jetzt digital auf Online-Plattformen zu bekommen. Wie wichtig sind soziale Netzwerke?
Aus pragmatischen Gründen nutzen wir eine Facebook-Seite für Ankündigungen, Ehrungen und dergleichen. Unsere Kundschaft ist damit aufgewachsen. Da erreichen wir ein paar Leute. Es gibt eine bandinterne WhatsApp-Gruppe, da möchtest du nicht dabei sei. Ansonsten ist jeder von uns froh, wenn er mit dem Zeug nicht allzu viel zu tun hat.

Inwiefern haben die Ereignisse der letzten Jahre die musikalische Infrastruktur in eurer Gegend beeinflusst?
Ich habe den Eindruck, dass momentan im südostbayerischen Raum, trotz zurückliegender Pandemie, ziemlich viel los ist, im Sinne von jetzt erst recht. Das Silo1 in Töging hat sich überregional als Top-Location etabliert. Da ist eigentlich jede Woche irgendein kleinerer oder größerer Act, und im legendären FZH in Burghausen finden auch wieder regelmäßig Punk- und Hardcore-Shows statt. Beides Läden, in denen der Käptn und ich vor vielen Jahren Konzerte organisiert und als DJs aufgelegt haben oder vor und/oder hinter der Bar standen. Wir sind zwar schon lange raus, mich freut’s aber, dass da was geht. Das sind alles Idealisten, die die Kulturlandschaft vor Ort bunt halten. Es haben sich auch keine Bands aufgelöst. Im Gegenteil, wir sind das beste Beispiel dafür, dass man solche Zeiten auch positiv und kreativ nutzen kann.

Ich nehme meine Kinder mittlerweile auf Konzerte mit. Wie reagieren eure Kids auf eure Musik?
Die Altersspanne unserer Kinder reicht von U10 bis Ü20. Dementsprechend variabel sind die Vorlieben und Geschmäcker. Ich denke, die Kinder finden es cool, dass ihre Väter in einer Band spielen und besondere Musik machen. Vom Outfit her habe ich aber den Eindruck, dass wir bei unseren Töchtern momentan eher unten durch sind.

Jetzt sind wir die Generation, die gefühlt das Ruder in der Hand hält, aber die Probleme werden nicht weniger. Wie seht ihr die aktuellen Debatten, wenn ihr an eure eigenen Kids denkt?
Wir kommen bandintern gar nicht dazu, diese Themen groß zu diskutieren. Wenn wir uns mal sehen und hören, dann arbeiten wir an den Songs. Ich bin mir allerdings sehr sicher, dass bei allen von uns zu Hause diese Debatten offen geführt werden und Werte wie Toleranz, Fairness, soziale Empathie und Antirassismus auf der Erziehungs-To-Do-Liste ganz oben stehen.

Was bedeutete für euch Punk damals im Vergleich zu heute?
In einer erzkonservativen Stadt wie Altötting war Punk für uns so etwas wie der Schlüssel zur Freiheit. Wir waren Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger Teenager. Wir haben uns die Haare gefärbt, Doc Martens getragen, die Jeans in Domestos getränkt und wilde Musik gehört. An einem Tag warst du Psychobilly, am nächsten Tag Punk und die Woche darauf bist du mit der Vespa als Mod durch die Gegend gefahren. Dann kam der Gedanke, wenn wir selbst wilde Musik machen, wird uns das Feiern bezahlt und wir sehen ein bisschen was von der Welt. Die Betonung liegt auf selbst machen. Der DIY-Gedanke wird bei uns seit jeher ganz hoch gehalten. Je älter wir wurden und je mehr wir erlebt haben, desto unwichtiger wurden für uns Schubladen, Labels, Subkulturelles. Ich weiß nicht, was man heutzutage unter Punk versteht, letztendlich ist uns das auch scheißegal!

Was gedenkt ihr in den kommenden 25 Jahren zu tun, bis wir uns über die Zusammenfassung eures Lebenswerkes freuen dürfen?
Von den 25 Jahren werden wir zwei mal zwölf Jahre Pause machen, eine Single veröffentlichen, drei Konzerte spielen und ein finales Ox-Interview geben. Wenn wir bis dahin die noch offenen Fragen zur ausbleibenden Liebe geklärt haben, so ist unser Lebenswerk vollendet. Reicht doch, oder?!