Anfang Oktober beginnt die Neuauflage der „Festival der Volxmusik“-Tour. Da sich nur die älteren der Ox-Leser daran erinnern werden: Das Original lief 1990, SCHLIESSMUSKEL, ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN und DIE MIMMI’S tourten gemeinsam durchs Land – und leider kapierte nur ein Teil der Leute das ironische Augenzwinkern.
Fabsi, wie war das damals, woran erinnerst du dich noch?
Es war eine sehr aufregende Zeit. Ich hatte ja bereits unter dem Tourneemotto „We are the champions“ in den Jahren 1985, 1986 und 1988 mit Bands wie DIE GOLDENEN ZITRONEN, Rocko Schamoni, STUNDE X und, nicht zu vergessen, der großartigen Band DIE SUURBIERS Festival-Tourneen durchgeführt. Am Anfang stand der Punk, Rockabilly und der Spaß, miteinander loszuziehen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich in unserem Land immer mehr der braune Sumpf und es mischten sich kritische Töne mit heiteren Texten auf den Platten. Manch einer konnte diesen Mix nicht verstehen, erst recht nicht, als wir die Single „Gebt den Faschisten keine neue Chance“ mit Aufnäher herausbrachten. Es war die Zeit von Konzertangriffen der Rechten, wir sagten uns aber auch: „Hey wir lassen uns unseren Humor und Spaß durch diese Ärsche nicht verbieten, schreien aber unsere Meinung lauthals raus.“ In vielen Briefen, die wir und die Tauben bekamen, konnte man erkennen, dass viele in ihrem Umfeld und besonders in den Schulen wieder Mut fassten. 1988 war dann plötzlich die „Faschisten keine Chance“-Single in der DDR bei Radio DT64 auf Platz eins. Wir bekamen Unmengen von Post und tauschten fleißig MusiCassetten. Ich hatte an die tausend „Familienangehörige“, denn unter dem Namen Weser Label als Absender wurde alles einkassiert von den Behörden, also schickte ich „private“ Briefe. Als die Mauer dann fiel und ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN den ersten deutschen „Rock’n’Roll Swindle“-Vertrag bei der EMI unterschrieben, stand sofort fest: Wir gehen zusammen auf Tour und die „Volxmusiktournee“ war geboren. Wir luden noch die Band SCHLIESSMUSKEL mit ihren herrlich ironischen Texten ein. Es war die Zeit, die uns das ganze Leben verfolgen wird, denn die Konzerte in der DDR waren mit Freude und Tränen verbunden, weil wir dort das erste Mal unsere angeblich tausend Familienangehörigen trafen und das war sehr bewegend.
Alle drei Bands verband, dass sie unter „Fun-Punk“ geführt wurden. Wie seid ihr damals mit dem Begriff umgegangen, wofür sollte der stehen und wofür nicht?
Fun-Punk ist einfach: Ich mache das, was ich will, schere mich einen Dreck darum, ob irgendwas in oder out ist. Ich bin zusammen mit Campino, Andi, Kuddel und Isi von 1979 bis 1981 mit ZK durch die Lande gezogen. Wir haben Scheiße gebaut ohne Ende, wir haben Grenzen überschritten, aber es auch wieder glatt gebügelt. Fun-Punk sollte für nichts stehen als sich selber.
Anfang der Neunziger war Fun-Punk wieder vorbei, irgendwie wollte keiner mehr was damit zu tun haben. Was war schiefgelaufen?
Leider hat die Presse sich auf das Neue ganz schnell eingeschossen und eine Menge Spackenbands dachten: „Hui, wenn ich ein Hawaiihemd und Bermudashorts anziehe, dann bin ich Fun-Punk.“ Nur weil sie sahen, dass die Tauben mit dem Kram Erfolg hatten. Leider vergaßen sie, dass ein Lebensgefühl dazugehört. Hinzu kam, dass die Punk-Szene in Deutschland in viele Richtungen auseinanderfiel und jede Gruppierung ihr eigenes Süppchen am Kochen hatte. Zur Ratinger Hof-Zeit, Anfang der Achtziger, haben sich Künstler, Rockabillys, Mods, Redskins und Punks ausgetauscht und akzeptiert. Das verschwand immer mehr.
Die GOLDENEN ZITRONEN gibt es immer noch, aber die machen längst Kunst. SCHLIESSMUSKEL hingegen spielen gelegentlich wieder, und Konrad ist zwar tot, die Brieftauben aber leben noch/wieder, und die MIMMI’S sowieso. Soll die „Festival der Volxmusik“-Tour ein nostalgisches Revival einläuten ...?
Nein, das soll kein Revival werden. Wir haben einfach Lust, mit den jahrelangen Wegbegleitern und den Punk-Kids einen guten Abend zu verbringen, auf die Art und Weise, wie wir es schon immer gemacht haben. In letzter Zeit sind wieder einige Freunde von uns gegangen und darunter auch welche, die eigentlich noch eine Menge vorhatten. Wir sollten also jeden Moment und jede Sekunde genießen. Wo du die GOLDENEN ZITRONEN aber erwähnst: So ist jede ihrer Shows immer noch spannend, obwohl sie einen anderen musikalischen Weg eingeschlagen haben. Ihrer Linie sind sie aber immer treugeblieben und haben sich von keinem was reinreden lassen. Ich würde es Fun-Punk in Kunstform nennen, aber dafür werden sie mich wieder freundlich federn und teeren. Vielleicht kannst du aber die MIMMI’S auch als STATUS QUO des Fun-Punk einordnen.
„All cooks are bastards“ heißt ein Song des neuen Albums – eine ACAB-Variante, die von den beiden Köchen der „Rote Gourmet Fraktion“ erfunden wurde. Was will uns der Titel sagen – und welche Verbindung habt ihr zu den RGF-Jungs?
Ole Plogstedt von RGF ist schon seit seiner Jugend MIMMI’S-Fan. Als er die Rote Gourmet Fraktion gründete und bei DIE TOTEN HOSEN und DIE ÄRZTE das Tourneecatering machte, lernten wir uns das erste Mal richtig kennen und seitdem schwirrte in unseren Köpfen herum, das wir unbedingt was zusammen machen müssen. So war es auch bei Elf, der Ole auf diese Weise kennen lernte und vor circa zwölf Jahren den SLIME-Song „A.C.A.B“ umschrieb für die RGF und zu Hause aufnahm. Zu diesem Zeitpunkt waren SLIME aufgelöst und Elf stieg bei den MIMMI’S ein. Vor bestimmt sechs bis sieben Jahren entstand auf einer Party die Idee, dass wir den Song zusammen mit Ole aufnehmen. Und was soll der Song nun aussagen? Natürlich, dass alle Köche Bastarde sind!
Mit „Ich mach jetzt Punk“ covert ihr Mike Krüger. Warum Mike, und was hatte der mit Punk zu tun?
Mike Krüger ist Fun-Punk pur! Hey, den musst du einmal live gesehen haben. Der Text sagt aber doch alles aus: Du kannst machen, was du willst, sogar auf einer Bank arbeiten, und nach der Maloche schmeißt du deine Sachen in die Ecke und bist wieder Punk. Hauptsache, das Herz schlägt am richtigen Fleck! Ich nenne solche genialen Typen immer RAMONES-Punks. Manuel Andrack, der aus der Schmidt-Show, kam damit mal raus, nachdem er sich als MIMMI’S-Fan geoutet hat und mir erzählte, dass er unsere Live-Single in Köln versaut hatte, weil er der Typ war, der promillemäßig schwer bedient immer in das Raummikro geschrien hat. Ich habe mir die Single geschnappt und er war es wirklich. Eigentlich müsste ich das Mike Krüger-Stück unserem Rock’n’Roll-Butterfahrt-Controller Finn widmen, der ist genauso ein genialer Typ, wie ihn das Stück beschreibt, und malocht auf einer Bank, aber ist einer der besten und aufrichtigsten Punkrock-Typen, die ich kenne.
„I walked with a zombie“ von Roky Erickson in Form von „Ich ging mit’m Zombie“ hätte ich nicht auf dem Album vermutet. Wie kam es dazu?
Elf entdeckte den Song schon vor dreißig Jahren und verfolgte den Weg von Roky Erickson. Als er ihn mir vorspielte, im Original und mit den ganzen Coverversionen auf YouTube, war ich hin und weg und tagelang hatte ich das Teil im Ohr. Die Idee, dass Nici den Song singt und wir Männer im Chor trällern, fand ich dann noch besser, als ich die Aufnahme hörte. Wir wollen jetzt ein Video drehen mit einem Bremer Zombieclub und ich freue mich jetzt schon drauf.
2007 fragten wir dich: „Du hast in dreißig Jahren Punkrock unheimlich viel erlebt. Da ist die Frage nach einem Buch nahe liegend.“ Und du hast geantwortet: „Ja, im nächsten Jahr geht es los.“ Was kam dazwischen?
Wie meine geliebte Fortuna 95 aus Düsseldorf entwickelte sich mein Privatleben wie eine Achterbahn, denn MIMMI’S-Gitarren-Urgestein Elli T.Sex und ich trennten uns nach dreißig Jahren. Die Musik verbindet uns aber noch sehr und es freut mich, dass Elli mit ihrer neuen Band DIE ELLYS in Bremen und Berlin bei der Volkxmusiktournee dabei ist.
Wieso heißt das Weser Label eigentlich noch so? Hundert Meter von deinem neuen Firmensitz in Langgöns-Espa bei Gießen fließt der Kleebach ... Also kommt bald die Umbenennung in „Kleebach Label“? Was hat dich von Bremen in die hessische Provinz getrieben?
Die Liebe hat mich in die Urwälder des Taunus getrieben. Aber mit dem Kleebach bringst du mich auf eine geniale Idee ... Mal schauen, ob das noch klappt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #60 Juni/Juli 2005 und Achim Lüken
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #116 Oktober/November 2014 und Joachim Hiller