Als Funpunk noch gar nicht erfunden war, da machten die DICKIES schon Funpunk - und tun das heute noch, während jene schlimme Phase deutscher Punkrockgeschichte schon seit mindestens zehn Jahren wieder vergessen ist. Wenn also jemand plündernd und brandschatzend respektive covernd durch die Musikgeschichte ziehen darf, dann die Kalifornier, die mittlerweile seit 25 Jahren auf der Bühne stehen und kürzlich auf Fat Wreck ihr neues Album veröffentlicht haben. Das Ox sprach mit Gitarrist Stan Lee vor dem Konzert im Oberhausener „Altenberg“.
Und, wie isses so mal wieder in Europa zu sein?
Feels like Europe. Das Geld sieht komisch aus, irgendwie sieht alles anders aus und die holländischen Mädels sehen ziemlich gut aus. Du läufst durch die Strassen einer beliebigen Stadt und wow, überall diese Beauties. Was geht ab? Ich dachte immer, Kalifornien wäre in dieser Hinsicht führend. Oder diese Frau im Fat Wreck-Büro in Berlin, von der ich ein paar CDs geschnorrt habe - phew!
Punkrock feiert dieses Jahr sein 25jähriges Jubiläum - dein Kommentar?
Äh, echt, 25 Jahre? Da habe ich gar nicht drauf geachtet.
Hättest du denn damals gedacht, du würdest ein Vierteljahrhundert später immer noch in dieser Band spielen?
Haha, nee. Das war auf sechs Monate angelegt. Eine Single machen, ´nen Artikel im Slash-Magazin bekommen, mit den WEIRDOS spielen - und drei Monate später ging dann der Wirbel um die SEX PISTOLS los. A&M schmissen die SEX PISTOLS raus und nahmen stattdessen uns unter Vertrag. Wir waren 20, hatten keinen blassen Schimmer von irgendwas, und so ging das alles los. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, ich hätte mir niemals vorgestellt, dass das alles mal so kommt. Hast du eigentlich schon die neue Platte gehört?
Klar.
Und, gefällt sie dir?
Natürlich!
Harhar, als ob du den Mut gehabt hättest was anderes zu sagen... Was habt ihr denn hier im Heft geschrieben? Los, übersetzen! (Es folgt eine Übersetzung der Rezension im letzten Heft, die Stan nach jedem Satz kommentiert) Die Platte ist noch so neu, dass ich bislang keine Besprechungen mitbekommen habe. Ich bin also echt gespannt. Wir haben die Hoffnung, dass wir mit dieser Platte und den beiden Rereleases auf Captain Oi! nochmal ein paar Leute auf den Geschmack bringen können.
Was habt ihr denn bei euren Shows für Publikum? Nur alte Säcke?
Nein, da sind Kids, die die Texte der neuen Songs kennen, da sind ein paar alte Crusties, ´n paar Mittelalte - die ganze Bandbreite eigentlich. Und da gibt´s eigentlich auch keinen Unterschied zwischen Europa und den USA. Aber mich interessiert das auch gar nicht, ehrlich gesagt. Aber weisst du, was ich bei uns vermisse? Die schreienden Mädels! Ich hätte wohl doch bei einer Kapelle wie N´SYNC anheuern sollen - oder WEEZER! Ich habe die neulich live gesehen, und die Mädels gingen ab wie bei den BEATLES - was soll der Scheiss!?! Das war echt verrückt. Dann habe ich mir mal deren neue Platte angehört und das klingt sogar wie die BEATLES. Ich frage mich, ob´s daran liegt.
Habt ihr denn heutzutage noch irgendwelche Erwartungen? Ich meine, Bands wie BLINK 182 beweisen, dass man mit sowas wie Punkrock noch ein paar Platten verkaufen kann.
Ach, das interessiert mich alles nicht. Wenn wir eine Million Platten verkaufen - gut! Wenn wir keine Million verkaufen - auch gut. Besser wir verkaufen ´ne Million, aber ich bin in jedem Fall okay. Ich bin darüber längst hinweg und zerbreche mir nicht mehr den Kopf darüber, warum die Rock´n´Roll-Götter beschließen „GREEN DAY, OFFSPRING, BLINK 182 - ihr werdet jetzt reich!“. Keine Ahnung, und mir ist auch egal, was diese Bands zu sagen haben, was sie für Texte haben. Im Falle von OFFSPRING muss ich sagen, dass „Smash“ ein gutes Album war und dass OFFSPRING nette Leute sind. Die haben uns letztes Jahr mit auf Tour genommen und helfen uns immer wieder mal, und Noodles ist ein großer DICKIES-Fan. Der hat auf dieser Tour jeden Abend zwei Songs mit uns gespielt. Vor der ersten Show kam der völlig aufgeregt an und fragte mich, ob er das Intro zu GIGANTOR wohl richtig spiele. Und später am Abend stand er dann vor seinem Einsatz zitternd am Bühnenrand - zitternd vor Aufregung, weil er so nervös war vor seinem DICKIES-Gastauftritt. Ich meinte zu ihm, er solle sich beruhigen, das sei schließlich ihr Publikum, worauf er meinte, er hätte einfach Schiss, nicht alles richtig zu machen. Naja, es hat alles geklappt und er war glücklich.
Wie seid ihr eigentlich bei Fat Wreck gelandet?
Mike ist, wie er mir sagte, ein alter Fan der Band, und 1995 rief er mich dann mal an und meinte, er würde uns gerne signen. Damals hatte ich keine Ahnung, wer oder was Fat Wreck Chords überhaupt ist, und nach ein paar Telefonanrufen wusste ich dann, dass ich dem Kerl wohl trauen kann. Er fragte, ob wir ein Album hätten, ich sagte ja - wohl wissend, dass wir gerade mal drei Songs hatten... Also kam erstmal die „My pop the cop“-Single, wir beendeten den TripleX-Deal mit einer letzten Platte, und so dauerte alles noch eine Weile, bis wir schließlich dieses neue Album fertig hatten. Nach der DICKIES-Zeitrechnung lief das aber alles sehr glatt und schnell - fünf Jahre sind doch okay, oder?
Öh, jaaaaa... Was ist es eigentlich, dass euch heute noch weitermachen lässt?
Weisst du, solange noch irgendwer bereit ist, für ein Konzert mit uns zu zahlen oder uns ins Studio zu schicken, solange sind wir dabei. Und es ist ja wohl besser eine Gitarre einzustöpseln als in einem Fast Food-Restaurant Hamburger zu wenden oder Taxi zu fahren, oder? So einfach ist das. Ausserdem macht das hier immer noch viel Spaß.
Und was macht der Punkrock-Star, wenn er nicht mit den DICKIES beschäftigt ist?
Er streichelt seine Katzen und verdient seinen Lebensunterhalt damit, für Videoproduktionen die Masterbänder in der Gegend herumzufahren: Snoop Doggy-Dog, OFFSPRING, Britney Spears, Pepsi, Coca-Cola - die zahlen super gut dafür, dass ich den Scheiss von Burbank nach Santa Monica fahre oder so. Scheiss drauf, dass ich meist morgens um vier los muss - meistens liege ich um sechs schon wieder im Bett und kraule meine Katzen. Ansonsten wette ich noch sehr gerne - Sportwetten sind mein kleines Laster, und meistens gewinne ich so viel wie ich verliere.
Womit der offizielle Teil unseres Gesprächs dann auch beendet war. Was folgte war ein Fachgespräch über Katzen, wobei Mr. Lee erstaunliche Geschichten von seinen teuren kalifornischen Siam-Luchskatzen zu erzählen
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