DICK MILLER

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The Seen-But-Not-Noticed Actor

Auch wenn einem der Name Dick Miller im ersten Moment nichts sagt, dieses zerknitterte Gesicht kennt man, sei es als Murray Futterman in Joe Dantes beiden „Gremlins“-Filmen, Uncle Willy in „Demon Knight“, als Blumen essender Burson Fouch in Roger Cormans „The Little Shop of Horrors“ oder als der Typ, der Arnie in James Camerons „Terminator“ beim Waffenverkauf berät. In Millers Filmografie finden sich 120 Einträge plus diverse Fernsehauftritte, und obwohl er in seiner Karriere, die Mitte der 50er mit den Filmen Roger Cormans begann, nur wenige echte Hauptrollen hatte – sieht man mal von seiner Paraderolle als Walter Paisley in Cormans köstlicher Beat Generation-Satire „A Bucket Of Blood“ aus dem Jahr 1959 ab –, gehört er zu den bekanntesten Gesichtern der amerikanischen Filmindustrie, der selbst in seinen kürzesten Auftritten mehr Charisma versprüht als so mancher sogenannter Filmstar des momentanen Hollywood-Betriebs. Nach seiner Zeit bei Corman, die fast 20 Jahre umspannte, waren es dann die Filme Joe Dantes, die ihn in den 80ern und 90ern über Wasser hielten. Inzwischen wird es immer ruhiger um diese Ikone des B-Films, was natürlich auch damit zusammenhängt, dass Miller im Dezember 75 wird. Ein fast schon erschreckend bescheidener Mensch – ursprünglich stammt er aus New York City und siedelte erst in den 50ern nach LA um –, der seine Karriere eher mal etwas herunterspielt und sich offensichtlich wunderte, dass noch jemand an einem Interview mit ihm interessiert war.


Dick, würdest du mir glauben, wenn ich behaupten würde, ich hätte all deine Filme gesehen?

Ich wette, du hast noch nicht einmal die Hälfte aller meiner Filme gesehen, haha. Aber ich treffe tatsächlich häufiger Leute, die das behaupten und dann 35 Filme aufzählen – und das ist höchstens ein Viertel davon. Wobei viele Filme auch kaum noch zu kriegen sind, weil sich niemand mehr wirklich dafür interessiert.

Hast du denn wirklich alle Filme komplett gesehen, in denen du mitgespielt hast?

Ich sehe eigentlich alle Filme meist einmal, wenn sie fertig sind. Und bei den meisten erinnere ich mich sogar noch recht gut an die Story, aber mehr als einmal habe ich keinen gesehen. Es gibt vielleicht ein oder zwei, die ich nie gesehen habe, zum Beispiel ein Film mit deutscher Beteiligung namens ‚Ein fast perfektes Verhältnis‘, der mir damals viel Spaß gemacht hat.

Für einige Leute bist du eine richtige Kultfigur, deren Autogramme heiß begehrt sind.

Das ist komischerweise immer noch so, das ist eine Konstante in meiner Karriere geblieben. Vielleicht bin ich sogar wirklich eine Kultfigur. Der Gedanke gefällt mir jedenfalls, haha.

Dann wirst du sicher auch noch zu irgendwelchen Fan-Conventions eingeladen, oder?

Ja, permanent, vor allem von Fangoria und anderen Magazinen, das macht eigentlich auch Spaß. Aber ich war auch mal bei einer reinen Autogramm-Convention, und das gefiel mir überhaupt nicht. Das ist wie auf einem Friedhof. Es gibt da viele Leute, die schon längst in Rente sein sollten, haha. Aber scheinbar besteht da ein Bedürfnis, von ihnen ein Autogramm zu bekommen, und deshalb sind sie noch da. Das ist aber nichts für mich.

Ich muss da spontan an Donald Pleasence denken, der zum Schluss scheinbar nur noch auf das nächste schlechte „Halloween“-Sequel gewartet hat, um noch mal Dr. Loomis spielen zu können ...

Donald Pleasence hatte so eine tolle Karriere, aber als er älter wurde, nahm er wirklich alles an, was ihm angeboten wurde. Das habe ich versucht zu vermeiden, schließlich habe ich einen Ruf zu verlieren. Es ist wirklich schade, dass solche Leute das tun, denn es kann nicht nur um Geld gehen, soviel werfen Filme dieser Art nicht ab.

Nach welchen Kriterien hast du deine Rollen ausgewählt?

Ganz offen gesagt: Ein Schauspieler hat oft nicht viele Möglichkeiten seine Rollen auszuwählen, vor allem in meinem Alter. Die Rolle kommt, und man nimmt sie. Es gibt nur wenige Rollen, die ich wirklich abgelehnt habe – die gibt es natürlich auch. Aber ich hatte meistens das Gefühl, in guten Filmen mitzuspielen. Ich glaube auch nicht, dass meine Filme einen besonderen Stellenwert besitzen, aber ich bereue eigentlich nicht, dass ich einen bestimmten Film gemacht habe.

Und wie sieht es mit „Route 666“ aus, einer der letzten Filme, in denen du zu sehen bist, neben Joe Dantes „Looney Tunes“, der gerade fertig geworden ist?

Ich bin sehr überrascht, dass du ‚Route 666‘ gesehen hast. Eigentlich gab es darin gar keine richtige Rolle für mich, ich hatte nur am Set jemanden besucht, letztendlich war es mehr ein Witz. Ich habe es einfach gemacht, aber ich habe nicht erwartet, dass es jemand wirklich sehen würde, haha. Und wie fiel dein Urteil aus?

Lassen wir das lieber ... Siehst du dich eigentlich als Schauspieler, der einem bestimmtem Genre – ich denke da an „Horror“ – verbunden ist?

Nein, nicht wirklich. Es war meist das, was zu einer bestimmten Zeit angesagt war, wie eben in den 50ern und 60ern Horror- oder Rock‘n‘roll-Filme. Für Fangoria war ich eine Zeit wirklich ihr persönlicher Liebling, sie haben mich als Horror-Star gesehen. Aber so sehe ich mich selbst nicht, und ich glaube auch nicht, dass ich das war. Falls ich überhaupt jemals etwas bestimmtes verkörpert habe, haha.

Wie sieht denn dein momentaner Status als Schauspieler aus?

Im Moment würde ich mal ‚auf dem absteigenden Ast‘ sagen, haha. Alleine schon wegen meines Alters, denn es gibt einfach keine guten Rollen mehr für jemand in meinem Alter. Und wenn man dann Sachen wie ‚Route 666‘ macht und es sogar irgendwie bereut, macht es wirklich keinen Spaß mehr. Wenn allerdings eine Rolle kommt, die mir gefällt, würde ich sie jederzeit annehmen.

Bevor du in LA Schauspieler wurdest, hast du in New York alle möglichen Sachen gemacht. Du hast Psychologie studiert, warst Mittelgewichtsboxer, DJ und TV-Moderator. Wie kam es dann, dass du New York verlassen hast?


Es war nur Fliegengewicht, im Mittelgewicht hätten sie mich umgebracht, haha. Ich habe tatsächlich Psychologie studiert und habe auch in dieser Richtung gearbeitet, in einem Krankenhaus. Ich war einige Jahre lang auch als Berufsmusiker unterwegs und habe in einigen Bands als Schlagzeuger gespielt, zusammen mit Dizzy Gillespie und Bobby Sherwood. Aber das war, bevor ich Schauspieler wurde. Es lief zu dieser Zeit einfach nicht so gut in New York, also packte ich meine Sachen, ging an die Westküste und schaute was passierte. Ich wollte eigentlich Drehbuchautor werden, und das mit der Schauspielerei ergab sich ganz zufällig, weil ich ansonsten keine anderen Möglichkeiten hatte.

Durch Roger Corman, den du durch einen Freund kennen gelernt hast, den Schauspieler Jonathan Haze, veränderte sich dann alles für dich, oder?

Ja, das stimmt, alles ging los in Roger Cormans Büro Mitte der 50er. Jonathan arbeitete gerade an einem Film und hatte in Rogers Büro zu tun, und ich ging hin, um ihn zu besuchen. In unserem Gespräch ging es dann auch darum, was ich eigentlich machen würde. Ich sagte, dass ich Autor sei, worauf Roger meinte: Wir brauchen keine Autoren, sondern Schauspieler. Was hältst du davon, in meinem nächsten Film ‚Apache Woman‘ einen Indianer zu spielen? Das klang gut, also sagte ich zu.

War dir der Name Roger Corman zu dieser Zeit schon ein Begriff, und was für ein Typ war er?


Nein, er war ein völlig Fremder für mich, ich hatte von ihm noch nie etwas gehört. Ich glaube, ‚Apache Woman‘ war sein zweiter oder dritter Film, und keiner von denen hatte besondere Aufmerksamkeit erregt. Er war ein ganz normaler Typ, etwas älter als ich, der auch versuchte, etwas aufzubauen, und das fand ich interessant. Er war zuerst Regisseur und Produzent, machte zu dieser Zeit viele billige Filme – in den meisten habe ich mitgespielt –, aber dann ging alles ziemlich schnell für ihn. Er ist ein wirklich erstaunlicher Mensch. Er macht wirklich alles, er hat eine TV-Show, die er moderiert, und er produziert immer noch Filme. Er wird wohl so weitermachen, bis er stirbt.

Wie billig waren die Filme Cormans denn tatsächlich, die er ja vor allem für AIP machte?

Im Vergleich mit anderen Filmen waren Rogers Filme ziemlich billig. Normalerweise kostete ein billiger Film zu dieser Zeit 100.000 Dollar, und er hat das noch unterboten. Sein erster Film wurde für 17.000 oder 18.000 Dollar gedreht, und ‚Apache Woman‘ wurde für 30.000 Dollar gemacht. AIP waren zu dieser Zeit auch nur eine kleine Independent-Firma, die immer kurz vorm Verhungern war. Sie liehen sich Geld und machten Filme, die eigentlich alle so billig wie die von Roger waren.

Wie erfolgreich waren diese Filme? Gab es überhaupt ein richtiges Publikum dafür?

Es waren Independent-Filme, und es gab noch keinen richtigen Markt dafür. Produzenten wie James H. Nicholson oder Samuel Z. Arkoff erschufen mit diesen Double Features – die Filme waren ja kaum länger als 60 Minuten – ihren eigenen Markt. Ihre Idee war es, zwei solcher Filme mit ähnlichem Thema zusammen zu packen und zu sehen, was passiert. Und es schien durchaus erfolgreich zu sein. Zumindest in der Hinsicht, dass man damit Gewinn machte. Ich weiß nicht wie viel, da ich für einen bestimmten Preis gearbeitet habe, mehr nicht. Aber ich habe mitbekommen, dass alle Filme Geld einspielten. Und angesichts des Budgets, für das sie gemacht wurden, war der Gewinn wohl nicht schlecht.

Und wie viel fiel dabei für die Schauspieler ab?

Ziemlich wenig, ungefähr 300 oder 350 Dollar die Woche, und wir drehten die Filme in sechs oder sieben Tagen. Daran sieht man schon, dass man damit nicht viel Geld machen konnte. Wir haben deshalb fünf oder sechs Filme im Jahr machen müssen. Es waren magere Zeiten, haha. Man kam im ganzen Jahr vielleicht auf 1.600 Dollar. Die heutigen Gagen sind fast schon peinlich, wenn ein Darsteller 20 Millionen Dollar für eine Rolle bekommt – das ist lächerlich. Auf der anderen Seite wird soviel Geld mit den Filmen gemacht, da kann man sich das leisten.

Du hast in deiner Karriere kaum Hauptrollen gespielt, wie kam das?

Irgendwann wollte ich auch für andere Studios arbeiten, nicht nur für Roger, und musste wieder von ganz unten anfangen. Es war sowieso offensichtlich, dass ich nicht zum Hauptdarsteller geboren bin, und so bemühte ich mich um gute, kleine Charakterrollen wie in den Filmen von Joe Dante. Das waren wichtige Rollen für mich. Das waren sicherlich meine größten und besten Filme, und die, die am besten für mein Bankkonto waren, haha. Joe hat mich angeheuert, weil ihm meine Arbeit gefiel. Er wollte mich einfach auf der Leinwand sehen, das hat er immer gesagt.

Jemand hat mal über dich geschrieben: „Miller is an actor who has the gift to bring to any character he plays, no matter how shoddily conceived by the director and screenwriter, a sense of a life“.

Das klingt nett. Aber das ist nie bewusst geschehen, ich habe einfach versucht, mein Bestes zu geben. Ich glaube nicht an bestimmte Methoden oder all diese Schauspieler-Tricks. Man könnte das von mir aus eine natürliche Begabung nennen.

Abschließend noch die Frage, wieso ausgerechnet dein Part in „Pulp Fiction“ herausgeschnitten wurde?

Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Ich traf Quentin Tarantino damals bei der Vorführung, und er meinte: ‚Ach übrigens, du bist nicht im Film.‘ Ich dachte erst, er würde einen Witz machen. Aber er meinte: ‚Nein, du bist nicht im Film, es passte nicht mehr rein.‘ Es ist mir immer noch ein Rätsel, warum das passiert ist, denn der Film war eh schon so lang, dass drei Minuten mehr oder weniger auch nichts mehr daran geändert hätten. Aber auf der DVD kann man die Szene wohl sehen, auch wenn sie nicht wieder in den Film eingefügt wurde.