DEUTSCHE TRINKERJUGEND

Foto© by Archiv Hannes Schmidt

Fun-Punk-Pioniere

In der Berliner Punk- und Hausbesetzer-Szene gründeten sich 1982 einige Bands, die auf der Suche nach etwas Neuem einen eigenen Stil kreierten, der später als Fun-Punk bezeichnet werden sollte. Dazu gehörten DIE ÄRZTE, FRAU SUURBIER, PANZERKNACKER AG und auch die DEUTSCHE TRINKERJUGEND. Jens Peter „Jenne“ Terlemann (voc), Bertel Bölk (bs), „Inzucht“ alias Max Manfred Köhler (gt) und Uwe Salomon (dr) spielten Highspeed-Pogo-Punk mit Sauftexten und verpunkten daneben auch sogenanntes deutsches Liedgut. So erhielt auch „Kebabträume“ von DAF (beziehungsweise „Militürk“ von MITTAGSPAUSE) unter dem Titel „Kindl-Träume“ einen DTJ-Anstrich. Wir sprachen mit Bertel über seine Anfänge bei VD, seine Zeit bei DTJ und was danach kam.

Wie hat es damals mit Punk bei dir angefangen?

Das war 1978. Ich ging damals in Düsseldorf in den Ratinger Hof, da wurde unter anderem auch Punk gespielt und das gefiel mir. Dort lernte ich die ersten Punks kennen, bald darauf fing ich auch an, Musik zu machen bei VD. Mit VD kamen wir auch auf den „Schallmauer Sampler“. Mein erstes Konzert hatte ich mit VD in Berlin in der alten TU Mensa beim Antifaschistischen Festival, das muss so 1979 oder 1980 gewesen sein. Ein paar Monate später bin ich dann nach Berlin gezogen.

Was bedeutete Punk damals für dich – und wie ist das heute?
Punk bedeutete für mich Ausbruch aus den Normen, die Freiheit, das zu tun, was man möchte, ohne Rücksicht darauf, was die anderen über einen denken, und in einer Gemeinschaft zu sein, die das akzeptiert. Heute frage ich mich allerdings manchmal, ob die Punk-Szene nicht neue Normen aufgestellt hat.

Wann und warum habt ihr die Band gegründet?
Na ja, Inzucht und ich waren damals immer im Stonz, einer Hausbesetzerkneipe am Winterfeldtplatz. Dort kamen wir auf die Idee, eine Band zu gründen. Schnell sind dann auch Jenne und Wolf, unser erster Drummer, dazugekommen. Inzucht und ich wollten uns eigentlich „Bier jetzt“ nennen, ein beliebter Satz von uns damals. Aber Wolf kam auf den Namen DEUTSCHE TRINKERJUGEND. Und das gefiel uns, so ist der Name entstanden. Ich glaube, das war 1982.

Welche Einflüsse hattet ihr?
Die Frage ist gut ... Wir haben altes deutsches Liedgut verwendet, verpunkt und die Texte zu Trinkertexten gemacht. Wir hatten aber auch viele eigene Ideen.

Wo konntet ihr proben?
Zu Anfang haben wir im Stonz geprobt. Dort hat man uns großzügigerweise Anlage und Instrumente geliehen. Da uns immer die Bassdrum wegrutscht ist, haben wir uns immer zwei Kisten Bier aus dem Lager geholt und haben solange geprobt, bis die Bassdrum wieder gerutscht ist. Später haben wir mal da, mal dort geprobt, wo es gerade ging und wie wir Bock hatten.

Ihr habt konsequent keine Polit-Texte gemacht, sondern vor allem über das Saufen geschrieben. Was war der Grund?
Wir waren damals nicht so politisch, obwohl wir auch in der Hausbesetzerszene unterwegs und auf vielen Demos waren. Es ging uns bei der Musik um den Spaß an der Sache.

Ihr wart auch auf dem Sampler „Ein Vollrausch in Stereo: 20 schäumende Stimmungshits“ – gab es da eine Grundstimmung bei den Bands oder in der Berliner Szene?
Das war die Idee von Vielklang Records, dem Label, wo auch DIE ÄRZTE damals waren. Die waren der Meinung, dass es eine gute Idee sei, einen Sampler rauszubringen mit Trinkerliedern der Fun-Punk-Szene. Da durften wir natürlich nicht fehlen.

Wie sah die Punk-Szene in Berlin damals aus? Welche Treffpunkte gab es, welche Möglichkeiten gab es, Gigs zu spielen?
Es gab zum Beispiel das Stonz am Winterfeldtplatz. Es gab das SO36. Daneben gab es aber auch noch mehr Kneipen in der Besetzerszene, wo man spielen konnte. In Berlin war es so, dass es mehrere Punk-Szenen gab, wo sich die Leute in ihren Bezirken getroffen haben. Man hat sich dann natürlich auch bei Konzerten getroffen. Man kannte zwar nicht alle Punks, aber man hatte Kontakte untereinander. Da gab es eigentlich viele Möglichkeiten, um sich zu treffen.

DIE ÄRZTE sind schnell durchgestartet, später auch DIE TOTEN HOSEN. Habt ihr noch Kontakt?
Nein, ich habe da keinen Kontakt mehr.

Welche Aktionen, Peinlichkeiten, Konzerte sind dir in besonderer Erinnerung geblieben?
Bei unserem ersten Konzert ist unser erster Drummer ausgestiegen. Wir waren im Crash in der Dankelmannstraße und wollten uns ein Konzert anschauen, da kamen wir auf die Idee, dort auch zu spielen, und bekamen eine Zusage. Aber wir hatten ja keinen Drummer, doch Uwe war auch da, also haben wir ihn gefragt, ob er nicht bei uns spielen will, und er hat zugesagt. Dann sind wir dort in den Ü-Raum gegangen und haben Uwe schnell unsere Stücke beigebracht. Das Konzert war echt gut und erfolgreich. Richtig geil war auch unser Konzert in Genf, wo wir von der Stadt Genf angefragt worden sind, so richtig mit Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. Das war auch nötig, da wir an der Grenze total hacke waren und die uns eigentlich nicht reinlassen wollten. Zum Glück hatten wir Ralf dabei, der sich um alles gekümmert hat und nüchtern war. Als wir dann mit dem Zug gegen Mitternacht in Genf ankamen, haben uns circa fünfzig Fans, die laut unsere Lieder gesungen haben, abgeholt. Das Konzert am nächsten Tag war eins unser besten. Auch die Record-Release-Party vom „Vollrausch“-Sampler war richtig gut. Die war auf einem Schiff. Da sind die Leute sogar von einer Brücke auf das Schiff gesprungen, um dabei zu sein.

1984 brachte Love & Pils Records mit „Scheißegal“ eure erste und einzige EP raus. Wie hast du das in Erinnerung?
Es war natürlich toll, eine EP rauszubringen und im Studio aufzunehmen, und ein bisschen Stolz war auch dabei. Aber ansonsten sind meine Erinnerungen daran ein bisschen verschwommen.

War exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum bei dem Bandnamen eigentlich vorprogrammiert?
Ja! Und das war einer der Hauptgründe für die Auflösung. Wir hatten einige Konzerte, wo wir doch einfach zu besoffen waren und Jenne da keinen Bock mehr drauf hatte. Wir haben dann mit Noppe weitergemacht, aber eigentlich nur, wenn wir gefragt worden sind. Dann haben wir zwei bis drei Mal geprobt. Ansonsten haben wir auch alle in anderen Bands gespielt wie Uwe und ich bei GALLOPING ELEPHANTS und Inzucht bei ABRATZK.

Du hast dann das Plattenlabel Bölk Records gegründet. Wie bist du auf die Idee gekommen, wie lief die Arbeit und was hast du veröffentlicht?
Na ja, veröffentlicht haben wir eigentlich nur die ABRATZK-7“ und die 7“ und die LP von GALLOPING ELEPHANTS. Die Idee war, unsere Bands selber zu produzieren, was allerdings ziemlich in die Hose ging, da wir nicht das nötige Wissen hatten und uns auch nicht helfen lassen wollten. Das war wohl ziemlich dumm. Das ist jedenfalls meine Meinung.

Mal was anderes. Habt ihr Berlin eigentlich viel von den Chaostagen in Hannover mitbekommen?
So genau erinnere ich mich nicht mehr. Ich weiß noch, dass ich verhaftet worden bin und unter Bewachung ein paar Stunden in einer Turnhalle verbracht habe. Ich hatte aber auch meinen Spaß dort.

Es gab eine kurze Reunion kurz nach der deutschen Wiedervereinigung. Was waren die Gründe, warum habt ihr euch dann wieder aufgelöst?
Wie ich schon gesagt habe, haben wir nur noch auf Anfrage gespielt. Der Grund für die endgültige Auflösung war dann, dass Uwe 1996 gestorben ist. Wir hatten dann allerdings noch 2005 und 2007 Konzerte mit Sylvia an den Drums, die sonst bei CROSSHILL REBELS singt.

Du spielst ja mittlerweile ebenfalls bei CROSSHILL REBELS und ihr covert mit „Rosie“ einen Song von DEUTSCHE TRINKERJUGEND. Wie kam das?
Noppe, der auch zu den Gründungsmitgliedern der CROSSHILL REBELS zählte, war ja nach Jenne der zweite Sänger von DTJ. Noppe wünschte sich „Rosie“ im Programm. Als ich dann am Bass dazukam, war es naheliegend, „Rosie“ im Programm zu behalten. Es ist ja auch ein schöner Song.

Im Rückblick, wie war es für dich, in den 1980er Jahren in einer Punkband gespielt zu haben, und wie ist das heute?
Es war toll, Musik zu machen, auf der Bühne zu stehen und auch noch Erfolg zu haben. Heute ist Musik machen immer noch wichtig für mich, ich brauche das einfach.

Heute wird der Status von Musikerinnen stark diskutiert. Wie männlich/machistisch oder emanzipatorisch hast du die damalige Szene wahrgenommen?
Es gab damals auch schon starke Frauen in der Musikszene, die auch richtig gut waren und auch immer noch sind. Es waren nur leider nicht so viele, was sich doch etwas geändert hat. Ich weiß auch nicht, was es da zu diskutieren gibt. Es ist doch egal, was für ein Geschlecht man hat – Hauptsache ist, dass man Spaß an der Sache hat und dass Frauen auch sehr gute Musikerinnen sind.

2014 erschien die Compilation „Alle meine Freunde“ auf Hörsturz/Rotten Totten. Wie ist es dazu gekommen, wart ihr überrascht, dass das Interesse immer noch vorhanden ist?
Ich bin gefragt worden, ob es okay ist, noch mal was von DTJ auszubringen Ich hielt das für eine gute Sache und habe mein Okay gegeben. Ich finde es natürlich toll, wenn Leute die DEUTSCHE TRINKERJUGEND noch kennen. Aber so viele kenne ich jetzt auch nicht, die sich noch erinnern. Leider war ich bei Erscheinen der LP der einzige Überlebende der DTJ. Uwe ist ja schon Ende der 1990er Jahren gestorben. Jenne, Inzucht und auch Noppe in den 2000er Jahren, was ich immer noch sehr bedauere.

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Diskografie
„Live im Flöz“ (MC, Split w/ FRAU SUURBIER, 007 Tapes, 1982) • „Scheissegal“ (7“, Love & Pils, 1984) • „Alle meine Freunde“ (LP, Compilation, Hörsturz/Rotten Totten, 2014)