DETONATORS

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Punkrock als Lebensretter

Auch wenn ein Großteil der heutigen Musikwelt von schnelllebigen Trends, Pseudo-Underdogs und hochstaplerischen Marketingkunstgriffen dominiert wird und viel zu viel Gutes in den Untiefen dieses Haifischbeckens verschwindet, gibt es doch immer wieder Lichtblicke und Menschen, die durch den Glauben an ihr Tun und gelebte Authentizität überzeugen. THE DETONATORS aus dem serbischen Novi Sad sind so eine Band, die, auch wenn sie noch auf der untersten Stufe der Erfolgsleiter steht, an sich und ihre Musik glaubt und einfach versucht, ihr eigenes Ding durchzuziehen. Und es sollte schon mit dem Teufel zugehen, wenn das mit dem neuen und zweiten Album „My World“ mit dem Berliner Label Destiny Records im Rücken nicht gelingen sollte. Denn auch wenn dieses ein Best-Of an Bekanntem und Bewährtem ist, ist es schlicht das Punkrock-Konsensalbum der Saison. Punkt! Ihre ganz eigene Mixtur aus RANCID-, SOCIAL DISTORTION- und POGUES-Einflüssen ist cool, unterhaltsam und beileibe nicht belanglos. Eine Band, die es verdient gehört zu werden und ihr Mehr an Motivation und Elan aus den erschwerten Rahmenbedingungen ihrer Heimat schöpft. Mit Bandleader, Gitarrist und Sänger Alex fand sich der richtige Gesprächspartner, um darüber und über „My World“ zu sprechen.

Kaltstart! Was, was nicht und wie ist „My World“ für dich beziehungsweise euch als Band und wie viel davon beinhaltet das neue Album?

Musik ist mein Leben und seit 15 Jahren bin ich nur als Musiker unterwegs. Einen regulären Job habe ich nicht mehr, um mich ganz auf die Musik zu konzentrieren, und jetzt hoffe ich, dass sie mich rettet, denn nur vom Mitleid meiner Freundin lässt sich nicht leben, haha. Im neuen Album steckt viel Hoffnung, es bedeutet mir unendlich viel! Es entstand in zwei Jahren harter Arbeit und beschreibt, wie Punkrock unser Leben gerettet hat. Für uns Kids war Punk früher die einzige Möglichkeit, sich ein eigenes Bild von unserem Land und der Welt drumherum zu machen. Wir wollten mit den falschen Werten und der Propaganda unserer Regierung, die uns von der Welt abkoppeln wollte, nichts zu tun haben, und Punk war für uns der einzige Weg, einen klaren Kopf zu behalten. Der Ausstieg aus der miesen Realität sozusagen. Es waren aber auch Jahre des Kampfes, verbunden mit vielen Abstrichen. Aber heute sind wir allesamt am Leben, haben uns unser Lachen und unsere Individualität bewahrt. „My World“ fast alles zusammen: für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen, mit dem eigenen Kopf denken, eigene Entscheidungen treffen, die Herrschenden zu kritisieren, aber auch Spaß haben, Musik hören und das Leben zu genießen.

Der Titel eurer letzten EP, „R’n’R Keeps Me Alive“, gilt also immer noch?

Natürlich! Es ist für mich so, als würde ich dir vom Essen, Schlafen, Laufen und so weiter erzählen. Musik ist immer in meinem Kopf, ganz egal, was ich tue, ich bekomme sie nicht heraus. Ich höre verrückte Dinge, haha. Bei den anderen ist das genauso. Selbst wenn wir räumlich getrennt sind, sind wir ständig in Kontakt und tauschen Ideen für Songs aus. Mein Telefon klingelt andauernd und einer der Jungs ruft begeistert: „Ich habe einen neuen Text“ ... „Ich habe einen neuen Song“ ... „Mir ist was Beschissenes passiert, ich schreibe ein Stück darüber.“ Wir treffen uns gern zum BBQ und trinken literweise „Peters Wein“ – unser Akkordeonspieler hat einen eigenen Weinkeller, yeah! – und nebenbei machen wir neue Stücke, non-stop quasi. „R’n’R Keeps Me Alive“ ist aus „Things that keep me alive“ und entstand in Schwäbisch Gmünd zusammen mit der Esperanza-Crew. Eigentlich sollte unsere erste EP „Punkrock Saved My Life“ heißen, aber wir haben „Punkrock“ durch „R’n’R“ ersetzt, um alle Musikstile mit einzubeziehen. Als Kids haben wir immer vor den Grammophonen unserer Väter gehangen und R’n’R-Musik gehört. So konnten wir dem unsäglichen, hier so beliebten Turbofolk der Neunziger entkommen. Unsere Wurzel ist der frühe Rock and Roll. Alle Gedanken und Ideen, die damals nicht mehr auf die EP gepasst haben, stecken jetzt in „My World“. Wir können jetzt auch bessere Songs schreiben, haha.

Wie kommt man in eurer Heimat zum Punkrock, so einfach war es doch zumindest in der nahen Vergangenheit nicht, oder?

Nun, ich hatte es leicht, da mein älterer Bruder eine Punkband namens GOODBYE BRUCE LEE hatte und er mich mit Kassetten von CLASH, RAMONES, MISFITS, DEAD KENNEDYS oder DICKIES versorgte, das war super! Natürlich war ich bei fast jedem Konzert seiner Band dabei und ließ mich von der Energie auf der Bühne in den Bann ziehen. Anfangs war ich sogar noch mit meinem Vater auf den Konzerten, denn ich war noch zu jung, haha. Irgendwann war ich aber alleine unterwegs und traf recht schnell Leute, die wie ich dachten, und schon hatte ich meine erste Band, ohne überhaupt ein eigenes Instrument zu besitzen oder gar spielen zu können. Ich versah also die Akustikgitarre meines Vaters mit einem Mikro, steckte es in den Kassettenrekorder, drehte bis zum Anschlag auf und schon hatte ich Distortion, yeah! Um an Auftritte zu kommen, sind wir immer ganz zeitig zu Konzerten anderer Bands gegangen und haben gefragt, ob wir noch davor spielen können. Instrumente mussten wir uns übrigens immer ausborgen. Toll, oder? Reisen konnten wir mangels Visa sowieso nicht. Heute läuft das etwas besser, auch Instrumente sind erschwinglicher. Alle aus der Band haben ähnliche Geschichten zu erzählen. Unser Bassist Bojan etwa kam schon als Zwölfjähriger über ein Mixtape eines älteren Freundes zum Punkrock und spielte in vielen lokalen Bands, kam dann zu uns und ist jetzt einer meiner besten Freunde. Während der Neunziger gab es in Novi Sad eine gute Musikszene und fast alle Bands waren von der Kritik am Regime Milošević geprägt, das einen großen Anteil am Balkankrieg hatte. Nach dem Ende dieser traurigen Ära verwandelten sich aber die meisten Clubs und Konzertorte in teure Diskotheken oder schmierige Stripbars – und das zu einem Zeitpunkt, als wir endlich auftreten wollten. Wir hatten nur leider keine Gelegenheit. Das ist heutzutage auch nicht wirklich besser. Es gibt überall Business-Bars oder Kneipen, die an Live-Musik kein Interesse haben, geschweige denn den Musikern etwas zahlen. Du kannst von Glück reden, wenn du zwei Bier bekommst! Die Mehrzahl der Leute hier hat absolut kein Interesse an Bands wie uns. Hauptsache, die können ihre Cocktails schlürfen.

Bei Serbien denkt man schnell auch an Bosnien/Herzegowina, den Kosovo, an eine politisch höchst sensible Region. Wie ist die Innensicht, was würde der EU-Beitritt Serbiens für den gesamten Balkan bedeuten?

Die politische Situation hier ist echt ekelhaft! Die neue Regierung, die letztes Jahr gewählt wurde, besteht aus den gleichen beschissenen Typen, die auch schon während der Neunziger Jahre aktiv waren, als Jugoslawien zerbrach. Es sind diese rechtsgerichteten Idioten, die einst für ein „Großserbien“ waren und jetzt plötzlich in die EU wollen. Aber das ist nur heiße Luft, um Wählerstimmen zu bekommen. Die Arbeitslosenquote liegt hier bei 30% und steigt täglich, den Menschen hier geht’s immer schlechter. Der Durchschnittslohn liegt bei etwa 300 Euro. Wenn du Mitglied in der richtigen Partei bist, kannst du aber leicht einen Job bekommen, haha. Serbien wird es vielleicht nie in die EU schaffen, denn hier wimmelt es vor Korruption, Mafia etc. und es passt diesen Typen natürlich nicht, wenn da jemand genauer hinschaut. Die EU ist absolut nichts für arme Länder mit einer Menge ungelöster Probleme und ich bin mir nicht sicher, ob ein EU-Beitritt wirklich mit einem wirtschaftlichem Aufschwung einhergeht, aber man weiß ja nie. Ich hoffe einfach, dass meine Kinder eines Tages mehr Freiheiten haben und ohne Visa und Einschränkungen quer durch Europa reisen können. Für uns hoffe ich, dass endlich dieses Carnet A.T.A., ein dämliches Zolldokument für Instrumente, überflüssig wird.

Der Sprung nach Westeuropa, und damit zu deutlich mehr Aufmerksamkeit, sollte euch mit „My World“ gelingen. Welche Anstrengungen waren dafür nötig und wie kamen Destiny Records ins Spiel?

Am Anfang standen wir förmlich alleine da. Wir kontaktierten alle Leute, die irgendwie in der Szene aktiv waren, um an Auftritte zu kommen. Dabei hatten wir überraschend viel Zuspruch aus Deutschland und wir spielten dann auch recht schnell vor großem Publikum, aber auch vor fünf zahlenden Gästen. Wie viele Leute da waren, interessierte uns aber nie, wir spielten immer so, als würden wir auf einer riesigen Festivalbühne stehen. Das Feedback war immer positiv, daher haben wir einfach weitergemacht. Eine Band am Leben zu halten und auf Tour zu gehen, verlangt von jedem absolute Hingabe. An ein „normales“ Leben ist für eine tourende Band nicht zu denken. Job? Vergiss es! Zu Destiny Records kamen wir auch über unsere vielen deutschen Freunde. Die nervten die immer: „Also wir kennen da eine coole Band aus Serbien, die müsst ihr unbedingt kennen lernen!“ Bis es letztlich soweit war, verging einige Zeit. Irgendwann spielten wir in Berlin, riefen bei Destiny an, ob jemand vorbeikommen will, und der Rest ist Geschichte. Und jetzt haben wir ein neues Zuhause weit weg von unserer Heimat, yeah!

Zurück zu leichteren Themen. Machen wir uns nichts vor, halbgare Folk-Punk-Bands gibt es en masse, warum sind gerade die DETONATORS hörens- und sehenswert?

Also, ich könnte dir jetzt erzählen, dass wir die Coolsten und Besten sind, aber, wer will das schon wissen? Es bedeutet mir viel mehr, dass Leute zu unseren Gigs kommen, ihren Spaß haben, unsere Energie spüren, unsere Geschichten über gute und schlechte Zeiten hören wollen und einfach – wie wir – Fans von Live-Musik sind. Ich denke, wir machen etwas Gutes und die Leute mögen es. Das ist genial. Wir alle haben verschiedene musikalische Einflüsse und mixen daraus unseren einzigartigen Cocktail, der dich definitiv nicht unberührt lässt!

Okay, damit sollte fürs Erste alles gesagt sein, oder?

Wir sind heiß, es ist demnächst einiges von uns zu erwarten und wir sind viel unterwegs. In Griechenland, Mazedonien, Ungarn, Russland ... und auch in Deutschland. Ich bin schon gespannt auf die vielen neuen Biersorten bei euch. Vielen Dank für das Interesse an uns. Cheers!