Seit langem mal wieder gibt es auf dem aktuellen Cover des Ox kein Bandfoto, sondern eine Zeichnung. Derek Hess ist der Künstler, der exklusiv für das Ox ein Bild geschaffen hat, mit dem er das Titelthema ROCKET FROM THE CRYPT aufgreift. Kaum jemandem, der sich über die Musik hinausgehend für Popkultur interessiert, dürfte der Name Hess heute unbekannt sein, schliesslich hat der 36-jährige Künstler aus Cleveland, Ohio schon für eine erstaunliche Reihe von Bands Plattencover und Konzertposter entworfen, etwa für JESUS LIZARD, SNAPCASE, Iggy Pop, UNSANE, JON SPENCER BLUES EXPLOSION, SEBADOH oder PEARL JAM. Um so mehr hat es mich deshalb gefreut, ihn mit Hilfe seines deutschen Statthalters Ralf "Schacke" Krüger von "Feinkunst Krüger", der auch via "Smart Mailorder" Hess´ Werke in Deutschland vertreibt, für das Ox gewinnen zu können - und es war Ehrensache, den Meister zu diesem Anlass auch zu interviewen.
Derek, wie würdest du dich in aller Kürze charakterisieren?
Oh-oh... Also gut: energisch, konzentriert... Und jetzt wird´s schon schwer, goddamn. Und dann sollte da noch irgendwas dabei sein von wegen dass ich ein Fuck-Up bin.
Grafischer Künstler - bist du mit dieser Bezeichnung einverstanden?
Man kann man mich schon als "graphic artist" bezeichnen, aber das trifft´s nur zum Teil. Meine Arbeiten sind nämlich sicher auch dem Bereich der Illustration und der Schönen Künste, der "Fine Art" zuzurechnen. Derzeit mache ich zwar auch noch viel im Bereich der graphischen Poster, aber ich konzentriere mich doch mehr auf Fine Art-Drucke - das ist eben die Richtung, in die ich mich verstärkt bewegen will.
Deine Karriere hat mit Konzertflyern angefangen.
Ja, ich habe 1989 damit begonnen, und seit 1993 bis heute mache ich Konzertplakate. Ich habe anfangs nur minimalste graphische Kenntnisse gehabt, die kaum darüber hinausgingen, dass ich in der Lage war ein Wort vernünftig zu tippen. Mein Interesse und meine Leidenschaft galt schon von Anfang an dem Zeichnen des menschlichen Körpers, insbesondere ihn in ganz untraditioneller Weise zu zeichnen, eben nicht illustrativ, sondern so, wie´s mir eben gerade aus den Fingern fliesst. Mein Hintergrund ist also vom Zeichnerischen eher traditionell.
Dein persönlicher Background liegt in der Undergound-Musikszene und damit einem Bereich, in dem man mit dem Begriff "Künstler" eher vorsichtig umgeht.
Ach, nein, ich habe kein Problem damit als Künstler bezeichnet zu werden, ich meine, ich bin ja einer, haha. Wenn ich freilich mit jemandem in einer Kneipe stehe und jemandem vorgestellt werde, ist es schon ein komisches Gefühl, wenn ein Freund sagt "Das ist Derek, er ist Künstler". Da schrecke ich etwas zurück, aber wenn die Person, der ich vorgestellt werde, eine gutaussehene Frau ist, erkläre ich dann natürlich gerne, was ich mache. Künstler? Ja, doch, ich komme mit dem Begriff klar. Ich denke, dass ich durch meine Herkunft aus der Musikszene auch genug Credibility habe, mehr jedenfalls als jemand, der sich Künstler nennt und die klassische Oberschicht-Kunstausbildung mit Kunstakademie und so weiter durchlaufen hat.
Wie und wann hast du für dich entdeckt, dass Zeichnen und Malen deine Leidenschaft sind und du auch an deinen Fähigkeiten arbeiten willst?
Ich war mir schon recht früh in meinem Leben klar darüber, dass ich ein gewisses Talent in diesem Bereich habe, aber ich habe das als was ganz Normales angesehen. Ich hatte dann aber ein paar üble Jahre mit viel Drogen und Alkohol, ich will da nichts beschönigen, aber diese Zeit hat auch dazu beigetragen, mich zu dem zu machen, der ich heute bin. Denn als ich wieder nüchtern war - und ich bin jetzt schon seit ein paar Jahren "sauber" - begann ich mir meiner Verantwortung gegenüber meinem Talent klarzuwerden. Ich machte mir klar, dass es einfach falsch wäre, nicht an diesem Talent zu arbeiten. Ich stürzte mich also ins Zeichnen und arbeitete als Booker im Musikclub "Euclid Tavern" in Cleveland. Ausserdem habe ich studiert, nämlich Kunstdruck, "Fine Art Printmaking". Die Kunst des Kunstdrucks hat mich von Anfang an fasziniert: der Künstler malt oder zeichnet zwar nur ein Bild, es lässt sich aber in sehr guter Qualität vervielfältigen und er kann schliesslich die limitierte Druckauflage numerieren und signieren. So kannst du, ohne ihr die Exklusivität zu nehmen, deine Kunst nicht nur in Einzelstücken verkaufen.
Unter wirtschaftlichen Aspekten ist das natürlich auch keine schlechte Entscheidung, denn auch ein Künstler muss sehen, wie er die Miete bezahlt.
Klar, das hilft auch unter dem Aspekt, dass immer was zu essen auf dem Tisch steht. Bei mir dauerte es natürlich auch eine Weile, bis ich von meiner Kunst leben konnte, aber im Vergleich zu anderen ging´s recht schnell. Zu der Zeit, als ich als Booker arbeitete, studierte ich ja noch Printmaking, und dann ging das alles Hand in Hand: als Booker hatte ich mit Musik zu tun, musste ich Konzertplakate machen, konnte damit als Zeichner künstlerisch tätig werden und zudem das umsetzen, was ich beim Studium lernte, nämlich das Herstellen hochwertiger Drucke. Es war einfach die perfekte Kombination.
Was ist denn dein künstlerisches Selbstverständnis?
Ich sehe mich als Künstler innerhalb der Gesellschaft als nicht der Norm entsprechend. Ich meine, es gab Leute wie Andy Warhol, die total in ihrer Undergroundszene aus Musik und Drogen aufgingen, diese völlig extravaganten Künstler. Das ist aber nicht mein Ding, ich kümmere mich nur um mich selbst und versuche mein Bestes zu geben.
Wie wichtig war und ist Musik für dich? Du hast ja für eine erstaunliche Reihe von Bands, die fast alle Rang und Namen haben, Poster gezeichnet.
Grundsätzlich ist es so, dass ich nur für Bands arbeite, die ich mag. Heute kann ich mir die Bands aussuchen, während es zu Anfang eben die Bands waren, die ich gebucht habe - und logischerweise habe ich nur Bands gebucht, die ich mochte. Als ich dann den Booker-Job hingeschmissen hatte, riefen mich andere Konzertveranstalter an und wollten, dass ich für sie Poster zeichne. Die zeigten mir ihre Liste von anstehenden Konzerten und ich suchte mir die aus, auf die ich Lust hatte. Auf jeden Fall war und ist es so, dass meine Zeichnungen vom Motiv her immer in einem Bezug stehen zur jeweiligen Band und ihrer Musik. Die Bands und ich entstammen ja mehr oder weniger der gleichen Generation, man hat die gleichen Erfahrungen gemacht, man hat also so eine gewisse Geistesverwandschaft - und ich denke, das merkt und sieht man und es trägt sicher seinen Teil zum Erfolg meiner Poster bei. Was nun die Fine Arts-Sachen von mir anbelangt - die sind übrigens auf meiner Website zu sehen - , so gehe ich da natürlich viel freier an die Umsetzung meiner Ideen heran.
Durch deine Bilder zieht sich wie eine rote Linie die Beschäftigung mit dem menschlichen Körper, wobei dessen Darstellung sehr anatomisch ist.
Ja, genau, anatomisch ist das richtige Wort, und ich spreche immer davon, dass meine Darstellungen des menschlichen Körpers "anatomisch überzeugend" sein sollen. Wenn ich mir meine frühen Poster anschaue, bin ich mir dessen freilich nicht mehr sicher, da schaudert es mich bei manchen, aber man ist eben sich selbst gegenüber immer der schärfste Kritiker. Und wahrscheinlich bin ich in fünf Jahren mit dem, was ich heute mache, auch überhaupt nicht mehr zufrieden, haha. Mein Ansatz ist also, die Zeichnungen anatomisch überzeugend auszuführen, und dazu kommt, dass ich versuche, stark mit der Perspektive, dem Blickwinkel zu spielen, ohne dabei die Proportionen zu verzerren. Das meine ich mit "anatomisch überzeugend.
Deine Bilder sind alle typisch Derek Hess, will heissen, man erkennt deine Sachen eigentlich auf den ersten Blick.
Ja, und das ist genau das, was ein Künstler erreichen will: seinen eigenen, wiedererkennbaren Stil schaffen, so dass man seine Bilder nicht erst an der Unterschrift erkennt. Ich probiere zwar gern neue Sachen aus, aber eigentlich will ich nichts machen, was sich drastisch von dem unterscheidet, was ich bislang gemacht habe. Ich fühle mich damit sehr wohl.
Könntest du dir aber vorstellen, an einen Punkt zu gelangen, wo du etwas ganz neues ausprobierst?
Ja, und die vier ganz neuen Fine Arts-Bilder, die gerade gedruckt werden, sind auch definitiv ein Novum für mich. Ich bin mit den Konzertpostern und ihrem Stil sehr zufrieden, ich mag sie und werde sie auch weiterhin machen, aber ich muss auch mal was Neues ausprobieren können, um künstlerisch weiterzukommen.
Mit Bands ist es ja oft so, dass die einen auf ewig mit kleinen Variationen ihren ureigenen Stil spielen und damit zufrieden sind, während andere sich mit jeder Platte neu erfinden.
Ja, das ist ein guter Vergleich. Nimm etwa die von mir geschätzte Band CAVE-IN: die waren früher eine unglaublich harte Heavy Metal-Band - doch jetzt klingen die beinahe wie RADIOHEAD. Die waren in der Lage, diesen Bruch zu bringen und sind damit auch erfolgreich. Ich respektiere das wirklich, denn viele Bands schaffen es nicht, von ihrem eingefahrenen Sound wegzukommen, sie brennen aus und lösen sich schliesslich auf. Bei Künstlern ist das ganz ähnlich.
Wie gehst du mit den Erwartungen der Leute um? Wenn jemand Derek Hess für ein Poster haben will, dann hat der doch schon im Kopf, wie das ungefähr aussehen soll.
Wer mit mir arbeitet, weiss eigentlich, worauf er sich einlässt. Da bin ich von vornherein ganz offen: Ich akzeptiere zwar grundsätzliche Anregungen, aber alles weitere ist mein Ding und ich akzeptiere keine Einmischung. Wenn du nicht damit klar kommst, dass du höchstens 10 bis 20% Einfluss hast, dann such dir jemand anderen. Ich brauche diese Freiheit einfach zum Arbeiten. Ausserdem weiss jeder, der mich für sich arbeiten lässt, ja auch anhand meiner früheren Arbeiten, was auf ihn zukommt. Wenn du einen Illustrator brauchst, der exakt das umsetzt, was du dir vorstellst, dann such dir einen - ich bin Künstler. Die einzige Ausnahme sind Plattencover: da arbeite ich schon recht eng mit der Band zusammen, damit die ihren Input und ihre Vision umgesetzt bekommt. So ein Cover ist eben persönlicher als ein Konzertposter. Derzeit arbeite ich übrigens mit CONVERGE an deren neuem Albumcover - und das letzte Cover habe ich auch schon gemacht, wobei die Platte noch gar nicht raus ist. Jake von CONVERGE versteht sehr gut, wie ich arbeite, von daher können wir eng zusammenarbeiten.
Was läuft in deinem Kopf ab, wenn du an einem Poster arbeitest? Du hast den Namen der Band, kennst ihre Musik - und dann?
Eine schwere Frage. Das ist von Fall zu Fall verschieden, und manchmal ist es auch kein Vorteil, mit einer Band sehr vertraut zu sein und mit der Art, wie sie sich präsentiert. Es kann aber auch sehr gut sein. Andernfalls ist man auch mal zu sehr in der Sache drin, so dass man sich selbst blockiert und Angst hat, etwas zu machen, was die Band nicht repräsentiert. Oder genau das hilft, das zentrale Element einer Band auszumachen und es graphisch exakt auf den Punkt zu bringen. Manchmal arbeite ich auch mit dem Namen einer Band und lasse mich davon inspirieren.
Als Beispiel kann man da JESUS LIZARD nehmen, wo du eine grosse Echse gemalt hast, oder GUIDED BY VOICES, wo ein Teufelchen jemandem Sachen ins Ohr flüstert - da ist die Verbindung zwischen Name und Motiv sehr deutlich.
Ja, zum Beispiel. Mit ROCKET FROM THE CRYPT, für die ich das Ox-Cover mache, bieten sich vom Namen her sehr viele Sachen an, aber auch die Band selbst und was ich über sie weiss bringt mich auf die verschiedensten Ideen.
Die USA haben wie kein anderes Land eine großartige Tradition von Konzertposterkunst. Wie ordnest du dich da ein?
Die Geschichte der Konzertposterkunst begann hierzulande in den Sechzigern, und San Francisco spielte da eine wichtige Rolle, aber auch eine Stadt nicht weit von hier: Detroit. Aber ich muss gleich sagen, dass mich weder die eine noch die andere Tradition beeinflusst hat. Als ich Anfing Poster zu machen war ich mir dieser Tradition nicht bewusst, sie hat mich nicht beeinflusst, und ausserdem wurde ich ja erst 1964 geboren, war also in den Jahren ´68 bis ´74 mehr mit der Grundschule beschäftigt, mit Comics und damit, mit meiner G.I. Joe-Actionpuppe zu spielen. Und wo ich in die heutige Zeichnerszene hineinpasse weiss ich auch nicht so recht - es hat Jahre gedauert, bis ich Kozik und Coop überhaupt wahrgenommen habe. Ich habe in Cleveland Shows gebucht und musste zusehen, dass ich an der Tür des Clubs die Garantiegagen wieder hineinbekommen habe - und dazu habe ich mein Bestes gegeben, die Konzerte gut anzukündigen. Als ich Leute wie Kozik und Coop dann wahrgenommen habe, hatte ich schon längst mein eigenes Ding am Laufen. Was meinen Stil und meine Farbgebung anbelangt, so lassen die sich nicht in die Eastcoast- oder Westcoast-Tradition einordnen. Ich denke eher, dass sie von dieser Gegend hier beeinflusst wurden, vom Mittleren Westen und seinen verfallenen Fabriken und großen Industrieansiedlungen. Das hier ist eben nicht Texas oder Kalifornien. Und die Kunst an der Westküste wird nunmal ganz stark von Trends beeinflusst. Hier dagegen ist alles etwas "stabiler", nicht dieses ständige Kommen und Gehen - und diese Beständigkeit zieht sich auch durch meine Bilder. Ich finde das aber gut, wenngleich es mich auch etwas isoliert hat vom Rest, von diesen, haha, Explosionen in Tageslicht-Leuchtfarben, dieser "Day-Glo Explosion".
Gibt es denn Zeichner oder Maler, die dich ganz konkret beeinflusst haben?
Sicher, gerade der deutsche Künstler Heinrich Kley, der zur Jahrhundertwende lebte, hat mich sehr beeinflusst. Ebenso der Comiczeichner Gil Kane, der unlängst erst gestorben ist.
Apropos deutscher Einfluss: dein Nachname klingt nicht sehr anglo-amerikanisch.
Nein, ich habe schweizerdeutsche Vorfahren - mein Grossvater wanderte seinerzeit in die USA aus.
Kommen wir nochmal auf die grosse US-Tradition von Zeichnern zu sprechen, die sich im Umfeld der Alternativ-Musikkultur angesiedelt haben, auf Leute wie Kozik, Coop, Peter Bagge, Merinuk, taz und so weiter. Die machen wie du Poster, zeichnen Plattencover und teils auch Comics. Kennt man sich untereinander, schätzt man sich, tauscht man sich aus?
Ich weiss nicht... Ja, ich habe die schon getroffen, aber ich kenne sie nicht wirklich. Wir hatten hier in Cleveland 1995 eine Konzertposterausstellung anlässlich der Eröffnung der "Rock´n´Roll Hall Of Fame", und da kamen die eben genannten Posterkünstler natürlich, sowie auch manche von den Leuten, die in den Sechzigern damit angefangen haben. Marty, mein Manager, hatte diese Ausstellung zusammengestellt, und ich traf da diverse Kollegen. Man beäugte sich anfangs etwas misstrauisch und ich hatte nicht so recht Lust, mich auf solche Spielchen einzulassen, aber es war okay. Die haben eigentlich untereinander viel mehr Gemeinsamkeiten als ich mit ihnen, denn sie kommen ja alle von der Westküste.
Sowas wie eine "Szene" gibt´s also auf eurem Level nicht.
Nein, und ich will jetzt keine Namen nennen, aber mich stört, dass das, was die manchmal als Poster für eine Band machen, mit der Band überhaupt nichts zu tun hat. Die geben sich nicht mal Mühe, da eine Verbindung herzustellen, sondern die fahren ihren Trip, wie eben die meisten Künstler, ziehen ihr Ding durch und kümmern sich nicht weiter. Klar, in gewisser Weise ist das bei mir auch so, aber ich bemühe mich schon, dass das Bild in irgend einer Weise die Band reflektiert - aber auch mich. Bei manchen Kollegen dagegen habe ich das Gefühl, die sehen nur sich selbst, ziehen strikt ihre Linie durch und kümmern sich überhaupt nicht um die Musik. Ich denke, das ist falsch.
Wie "rar" muss man sich denn machen? Jemand wie Kozik war ja eine Weile lang allgegenwärtig und ich denke mal, wenn man den Leuten zu viel von einer guten Sache gibt, haben sie auch davon mal die Nase voll.
Nun, das ist ein schwieriges Spiel. Einerseits will man ja gut auf dem Markt vertreten sein und die Nachfrage, die besteht, auch befriedigen. Andererseits bewegt man sich dabei auf einem schmalen Grat und droht abzukippen in jenen Bereich, wo man allgegenwärtig ist und die Leute übersättigt. Ich stand vor einer Weile auf diesem Grat und wackelte, schaffte es aber mich wieder zurückzuziehen - und während andere Posterkünstler mehr und mehr gemacht haben, machte ich mich bewusst rar. Ich hatte mich zu diesem Zeitpunkt schon in die Wahrnehmung der Leute eingeprägt, und indem ich mich zurückzog, machte ich die relativ gesehen wenigen Bilder von mir umso attraktiver. Klar, dahinter steckt eine Strategie, man muss sich solche Mechanismen einfach bewusst machen und langfristig denken.
Lebst du denn allein vom Postermachen?
Ja, meine Kunst ist mein Beruf. Ich mache die Poster, ich mache die Fine Art-Prints, ich gehe mit meinen Bildern auf Tour und mache Ausstellungen, ich mache CD-Cover - und ich mache Zeitschriftencover. Und wenn ich ein Angebot bekomme, einen Werbejob zu machen, dann mache ich das auch, sofern ich mit dem beworbenen Produkt einverstanden bin. Wobei da schon wieder das Problem besteht, dass mich Leute ausserhalb der Musikszene eigentlich gar nicht dafür in Betracht ziehen, für sie zu arbeiten. Für die bin ich ein "Rock Artist", aber das ist okay.
Wie arbeitest du denn? Am Computer, oder ist bei dir noch alles Handarbeit?
Haha, bei mir ist noch alles old school. Nur die Buchstaben mache ich am Computer, drucke sie aus, schneide sie aus und klebe sie auf. Sowas lernt man heute an der Kunsthochschule gar nicht mehr, glaube ich.
Du bist also kein Teil der Macintosh-Generation.
Nun, ich habe zuhause schon einen Mac-Rechner, aber mehr als meine eMails mache ich damit nicht. Aber ich denke schon auch, dass ich in Zukunft vermehrt mit Programmen wie Photoshop und Illustrator arbeiten werde, einfach um mit Farben zu experimentieren, aber ich werde sicher nicht meine Bilder einscannen, um sie dann am Computer zu bearbeiten. Die einzige Ausnahme sind CD-Cover, da muss man manchmal die Farben exakt einstellen.
Ich habe gelesen, dass du vor einer Weile Post vom Louvre in Paris bekommen hast, in denen darum gebeten wurde, ihnen deine Drucke zur Verfügung zu stellen. Das muss sehr schmeichelhaft gewesen sein.
Oh ja! Das kam völlig überraschend, ich hatte keine Ahnung, dass die mich wahrgenommen hatten. Dann kam dieser Brief, auf Französisch, was keiner von uns versteht, wie auch, wir sind schliesslich Amerikaner und haben Dank unseres Schulsystems sogar Probleme mit dem Englischen. Also mussten wir erst jemand finden, der uns den Brief übersetzt, und ich war dann schon sehr beeindruckt, dass der Louvre meine Bilder will - und natürlich haben wir ihnen sofort ein Paket geschickt. So weit ich weiss stellen sie die Poster zwar nicht aus, aber sie haben sie im Archiv, und wer weiss, eines Tages...
Ein Brief, den man seinen Eltern zeigen kann.
Nicht nur denen, sondern gerade der alteingesessenen Kunstszene, die Leute wie mich misstrauisch beäugt - und der man mit so einem Brief beweisen kann, dass das, was ich mache, sehr wohl eine anerkannte neue Kunstform ist. So müssen sie dich beachten, müssen sie erkennen, dass das, was sie als "richtige" Kunst betrachten, in ein paar Jahren keinen mehr interessiert und sie die wichtigen Trends, eine neue Generation von Künstlern verpassen. Der Brief hilft also mir und der ganzen Kunstform der Poster Art im Kampf gegen das Establishment.
Derek, ich danke dir für das Interview.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #42 März/April/Mai 2001 und Joachim Hiller