DER FLUCH ist zurück! Wer hätte damit gerechnet, dass die absolute Kultband unter den deutschen Goth-Punkrockern noch mal einmal ein Lebenszeichen von sich gibt, und dazu sogar das erste Mal seit 26 Jahren auf den morschen Brettern der Welt live zu sehen ist? Doch das Unfassbare ist geschehen: Mit "Geschichten aus der Gruft" steht ein neues-altes Album im Laden und folglich war es nötig, dass wir uns schnell ein paar Statements vom sichtlich lebendigen Band-Diktator Deutscher W. bei einem Gespräch in Köln abholten. Meine Damen und Herren: DER FLUCH!
Warum ist jetzt die Zeit reif für eine Rückkehr von DER FLUCH?
Die Zeit ist reif, weil wir es so möchten. Weiterhin wollte ich schon immer mal auf dem Wave-Gotik-Treffen spielen, was natürlich mit unserer Hauptband OHL nicht möglich ist. Über all die Jahre habe ich immer gespürt, dass DER FLUCH noch einmal ausgegraben werden müsste, aber der letztendliche Impuls kam erst durch die Anfrage der WGT-Veranstalter. So haben wir die Band reaktiviert und in Leipzig einen phänomenalen Gig gespielt, der für viel Aufsehen gesorgt hat. Kurze Zeit später kam die Anfrage von Fiendforce Records, ob man nicht zusammenarbeiten wollte. Und der Rest wird bald Geschichte sein. Es macht einfach einen Riesenspaß derzeit. Vielleicht ist wirklich jetzt die Zeit reif, denn es fügt sich plötzlich alles zusammen.
Es ist ja nicht so, als sei DER FLUCH Fluch in den letzten 26 Jahren komplett weg gewesen. Ihr habt ja zwischenzeitlich noch ein paar Alben veröffentlicht.
Richtig. "Für Immer", "Feuer der Liebe" und "Sünde" zum Beispiel. Diese Scheiben haben sich jedoch - das muss man im Nachhinein sagen - zu sehr von dem entfernt, was DER FLUCH eigentlich ausmacht. Und live haben wir ja seit 1981 nicht mehr gespielt, auch weil es live gar nicht möglich gewesen ist, die Songs dieser Alben umzusetzen. Die Alben gefallen mir noch immer, aber jetzt wollen wir wieder den rohen, dreckigen Sound der Anfangstage zelebrieren, den man auch mit viel Blut und Schweiß auf die Bühne bringen kann. Es gibt keine gedoppelten Gitarren und Synthies mehr.
Erzähl mal ein bisschen über die Anfänge von DER FLUCH, speziell das erste Konzert ...
Ich war damals 15 oder 16 Jahre alt und riesiger THE CRAMPS-Fan. Das war einfach Dreck und auf drei Akkorde reduziert. Mehr Punk als Punk selbst. Auch METEORS, MISFITS und so weiter fand ich geil. Ich habe neben Punk schon immer viel Psychobilly und Rock'n'Roll gehört. Das ist mein zweites musikalisches Ich. Aus dem Grund habe ich mit meinem damaligen OHL-Bassisten DER FLUCH gegründet, zusammen mit einem Gitarristen, der mittlerweile verschollen ist. Unser Sound war super-billig, aber wir standen drauf. Das erste und bis zum WGT 07 einzige Konzert haben wir in einer Schule in unserer Heimat Leverkusen um Mitternacht gespielt. Damals gab es in Leverkusen keine Punk-Szene, geschweige denn Gothic oder Horrorpunk, aber ich meine mich daran zu erinnern, dass der Gig ganz gut gelaufen ist. Später war DER FLUCH dann immer mein OHL-Nebenprojekt und hatte keine Priorität, aber es war immer eine gute Gelegenheit, meiner dunklen Seite Ausdruck zu geben.
Ihr habt ausschließlich Songs der ersten Veröffentlichungen gewählt, um sie neu einzuspielen. Warum muss man solche Kultsongs neu einspielen?
Ich persönlich mag den alten Sound nicht mehr. Außerdem war es eine Idee von Fiendforce, ein Album aufzunehmen, was wieder in Richtung der 80er geht. Und daraus entstand dann der Gedanke, die alten Klassiker mit neuem Sound einzuspielen. Sogar mit OHL haben wir ja immer "Werwolf" gespielt, nur auf Platte konnte ich mir den Song nicht mehr anhören. Jetzt dagegen haben wir eine Version aufgenommen, dich echt gelungen ist. Dreckig und ohne Schnickschnack, aber trotzdem mit professionellem Sound. Verändert haben wir an den alten Hits kaum etwas. Mal haben wir am Text gefeilt, mal einen zusätzlichen Part eingebaut, aber das war es auch schon. Und natürlich haben wir drei komplett neue Tracks geschrieben, die sich ebenfalls auf "Geschichten aus der Gruft" wieder finden. Außerdem ist dieses Album nur eine Bestandsaufnahme von DER FLUCH 2007, bis an Halloween 2008 das komplett neue Werk, "Im Dorf der Verdammten", erscheint.
Das aktuelle Werk versammelt also jene Songs, die die Jahre überdauert haben?
Das müssen andere beurteilen. Aber Fakt ist, dass alle immer wieder "Werwolf", "Halb Mensch, halb Tier", "Hexen leben länger" oder "Rattengift" hören wollen. Und es ist schön zu wissen und eine große Ehre, dass Menschen diese Stücke toll finden und sie auch heute noch ihr Publikum haben. Aber eigentlich haben wir die Tracks neu aufgenommen, auf die wir stehen und die wir live spielen wollen.
Ihr nennt euren Sound "B-Movie-Musik". Wenn man an die Einfachheit der Musik und Texte denkt, passt der Begriff wie die Faust aufs Auge. Ist dieser Ansatz so gewollt?
Das ist wirklich so gewollt. Ich bin wirklich B-Movie-Fan. "Das Dorf der Verdammten" ist mein Lieblingsstreifen. Der ganze alte Schwarzweißkram, wo man quasi noch die Fäden der Fledermäuse sieht, die durch das Bild fliegen ... Auch die späteren Hammer-Verfilmungen sind großartig. Weiterhin stehe ich total auf die alten "Gespenster-Geschichten"-Comics. Was diese Filme und Comics visuell machen, setzen wir musikalisch um.
Erzähl mal ein bisschen über das neue Line-up. Wer ist dabei? Wie stehen die zum Sound von DER FLUCH? Was ist mit den Jungs von früher?
Das neue Line-up ist dieselbe Besetzung wie OHL und mit den Jungs mache ich seit 15 Jahren Musik. Mein Drummer Kalaschnikow hat auch schon auf den letzten DER FLUCH-Alben getrommelt. Trotzdem waren sie anfangs etwas skeptisch, als es darum ging, die Songs, die sie nicht mitgeschrieben haben, zu spielen. Aber jetzt sind auch sie begeistert. Oder sie trauen sich nicht, mir etwas anderes zu sagen, haha. Die Jungs von früher sind aus der Szene verschwunden. Der OHL-Drummer und gleichzeitig DER FLUCH-Bassist arbeitet ganz klassisch bei Bayer. Der Gitarrist war eh eine Eintagsfliege.
Trotz eurer reinen Gruseltexte kann man in Stücke wie "Kalter Wind aus Osten" auch mehr hineininterpretieren, das klingt nach einem Anti-Nazi-Song, quasi ein "Brauner Wind aus Osten" ...
Nein, wirklich nicht. Wenn irgendetwas unpolitisch ist, dann DER FLUCH. OHL ist unsere politische Band. Vom ersten bis zum letzten Ton. "Kalter Wind aus Osten" war einfach bildlich; eine Beschreibung eines Windes, der sich wie ein Leichentuch über einen legt. Ich hätte auch schreiben können "ein kalter Wind aus winterlichen Wäldern" ...
Du scheinst sehr fixiert auf Hexen zu sein, wenn man deine Texte liest. Was fasziniert dich an ihnen? Heute möchte man meinen, dass du statt über Hexen eigentlich über kleine Gothic-Girls singst…
Absolut richtig, das hat nichts mit den Kinderbuchhexen mit langen Nasen und Warzen zu tun. Für mich sind Hexen die wunderschönen Frauen, die vor der Bühne stehen. Das ist eigentlich der wahre Grund, warum es DER FLUCH wieder gibt, haha. An alle kleinen süßen Hexen: Ihr seid bei DER FLUCH herzlich willkommen.
Obwohl ihr ja aus der Punk-Ecke kommt, ist es die Gothic-Szene, die euch direkt ins Herz geschlossen hat. So geht es vielen der angesagten Horror-Bands. Woran liegt das, denkst du?
Gute Frage. Wir haben uns jedenfalls nie Gedanken darum gemacht, in welche Szene wir vielleicht gehören. Vielleicht treffen wir einfach den Nerv eben dieser Kids. Die Atmosphäre unserer Songs und Texte spielt dabei sicher eine Rolle. Allerdings sind wir keine Gothic-Band im üblichen Sinne. Wo andere drei Stunden vor dem Spiegel stehen, um ihr Outfit zu perfektionieren, besauf ich mich lieber in den drei Stunden. Wir sind sicherlich keine Depri-Band, die weint und jammert, wir sind einfach nur böse!
Mit welcher Band würdet ihr trotzdem gerne mal touren, selbst wenn DER FLUCH eigentlich zu keiner anderen Band richtig passen würde?
Sehr gerne mal mit THE OTHER. Bei den Jungs singe ich immer deren Song "Lover's lane" live mit, wenn es sich gerade anbietet, und deren Sänger wird wohl demnächst "Fürsten der Nacht" live mit mir singen. Früher war mein Traum, mit den MISFITS zu spielen, heute habe ich allerdings meine MISFITS-Scheiben verkauft. Jedes Wort über diese Truppe derzeit wäre ein Wort zu viel. THE DAMNED wäre ebenfalls eine Band, mit der ich gerne mal auf Tour ginge. Richtig passen würde es aber wohl höchstens mit meiner großen Liebe: THE CRAMPS. Das wäre ein Traum. Aber egal, mit wem wir spielen, ob auf Punk- oder Goth-Veranstaltungen, wir machen unser Ding und lehren die Kinder der Nacht das Gruseln.
Auf dem WGT habt ihr den OHL-Klassiker "Warschauer Pakt" zum Besten gegeben. Jetzt plant ihr Songs der OHL-Scheibe "Jenseits von Gut und Böse" ins DER FLUCH-Set zu nehmen. Sind beide Bands doch schwerer zu trennen, als gedacht?
"Jenseits von Gut und Böse" ist ein Album, was komplett OHL-untypisch ist. Damals stand ich sehr auf 80er Wave, wie die LORDS OF THE NEW CHURCH. Daher bot es sich an, Songs von dieser Platte bei einem DER FLUCH-Gig zu spielen. Auch einen weiteren OHL-Song namens "Die Macht des Feuers" hatten wir ins Set genommen. Damit ist aber jetzt Schluss. Wir trennen ab jetzt wieder strikt. Beim WGT haben wir "Warschauer Pakt" nur gespielt, um klarzustellen, dass wir eben nicht die angepasste Gothic-Band von Nebenan sind.
Wie reagiert euer OHL Publikum auf DER FLUCH, wie DER FLUCH-Anhänger auf OHL? Ich weiß, dass es Leute gibt, die DER FLUCH nicht hören, weil Deutscher W. dabei ist, beziehungsweise Magazine, die OHL boykottieren und das vielleicht auch mit DER FLUCH tun werden ...
Ich hoffe, das wird so sein. Besonders meine Lieblinge vom "Plastic Brain" (das Plastic Bomb-Fanzine - Anm.d.Verf.), die BILD-Zeitung der Punk-Szene. Die boykottieren zwar OHL, aber dann kommt halt doch mal eine Plattenkritik, die natürlich sofort total negativ ausfällt. Egal, viel Feind, viel Ehr. Es soll ja Leute geben, die meine direkte Art mögen, ansonsten sage ich "drauf geschissen". Ich mach das alles für mich selber. Ich scheiß auf Kohle, ich will mich nicht verbiegen lassen und ich will nicht irgendwelchen Konventionen entsprechen.
Joachim Brysch
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