Die britische Punkband DEMOB hat 2022 mit ihrem Album „Still No Room“ eindrücklich bewiesen, dass sie es immer noch draufhaben. Das ist kein Alt-Herren-Rock, der krampfhaft an den Erfolgen der Vergangenheit festhält. Stattdessen gibt es einen ganzen Schwung kleiner Hits der Band, die sich schon 1978 in Gloucester gegründet hatte, und die machen das neue Album zu einer runden Sache. Wir sprachen mit Terry Elcock, Gitarrist und Gründungsmitglied, über das aktuelle Album und vergassen auch nicht, einen Blick zurück zu werfen. DEMOB sind außerdem Sänger Andy Kanonik, der ebenfalls zur Originalbesetzung gehört, Drummer Ellmer Thudd und Steve Zuki am Bass.
Euer Album trägt den Titel „Still No Room“ und verweist damit auf euren Klassiker „No room for you“ von 1981, in dem ihr die Schließung von Musikclubs angeprangert habt. Haben sich die Bedingungen in den letzten Jahren weiter verschlechtert? Oder was steckt dahinter?
Es ist ein Album, dessen Entstehung viel Zeit in Anspruch genommen hat und das wir für das Beste halten, was wir mit DEMOB seit langem produziert haben. Der Titel „Still No Room“ bezieht sich auf die Schwierigkeiten, mit denen DIY-Bands wie wir konfrontiert sind, wenn sie versuchen, ein Publikum zu erreichen, das es genießt, die Musik der Straße zu hören, die von einer Gruppe von Freunden gemacht wird, die sich gegen Etablissements und Organisationen wehren, die hauptsächlich dazu da sind, aus Kunst oder wie auch immer man das nennen will, Kapital zu schlagen. Die Dinge haben sich nicht groß geändert. Die letzten kleineren Venues müssen schließen und größere Veranstaltungsorte verlangen lächerlich hohe Eintrittspreise. Bei einigen gibt es die Vertragsbedingung, dass Bands, die dort spielen, ihr Merchandise zu unverschämten Preisen über die Veranstalter verkaufen müssen. Also dachten wir, wir nennen unser neues Album „Still No Room“, und der Titel ist zu Recht eine Erinnerung an den Song, der DEMOB weltweit bekannt gemacht hat und die Band über vierzig Jahre lang aktiv hielt.
Einer eurer Songs heißt „Love your country (Hate your government)“. Worum geht es konkret? Wie siehst du die Regierung und auch den Brexit? In Deutschland würden Punks, wie auch ich, eher nicht sagen, dass sie ihr Land lieben ...
Der Song beschreibt, was wir im aktuellen Klima fühlen. Ganz gleich, wo du lebst, du kannst dein Land lieben, aber die Ärsche hassen, die es regieren. Die meisten von uns lieben das Land, in dem wir geboren wurden, aber zum Beispiel unser Sänger ist vor kurzem nach Kalifornien gezogen, um dort mit seiner Frau zu leben – und wegen des wärmeren Klimas dort. Es scheint so ziemlich überall auf der Welt dasselbe zu sein, es gibt immer irgendeinen Wichser, der versucht, einen zu bescheißen, und die meisten Regierungen tun das mit ihren Bürgern. In der Politik tummeln sich die Reichen, und die arbeitende Menschen sind in der Regel Habenichtse, die einen beschissenen Job haben. Die britische Regierung hat in letzter Zeit ihr wahres Gesicht gezeigt und den Menschen im Vereinigten Königreich offenbart, was für korrupte und egoistische Bastarde sie sind. Was den Brexit angeht, so ist es, wie es ist. Das Vereinigte Königreich muss sich mit dem abfinden, was passiert ist. Denn es gibt wichtigere Dinge, die heute angegangen werden müssen, wie die Zerstörung unseres Planeten.
Mit „Charlie Harper“ habt ihr eine Hymne auf den Sänger der UK SUBS geschrieben. Was ist so faszinierend an Charlie? Wann habt ihr ihn zum ersten Mal getroffen?
Charlie Harper war schon immer ein Freund von DIY-Bands wie DEMOB. Das erste Mal trafen wir ihn, als wir mit unseren Gitarren in einem Lokal in Gloucester namens Whitcome Lodge auftauchten. Die UK SUBS traten an diesem Abend auf und die Veranstalter ließen uns auf die Bühne, um ein paar Songs zu spielen. Wir hatten in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern Probleme, Auftritte zu bekommen, weil wir eine durchgedrehte Anhängerschaft hatten, die sich „Demob Riot Squad“ nannte. Aber Charlie Harper hatte immer einen Support-Slot für DEMOB. Er sagte einmal zu mir, dass er sich wünschte, er hätte „No room for you“ geschrieben, was sehr berührend war, da es von Charlie kam, also dachten wir, wir schreiben einen Song als Anerkennung für ihn. Charlie hat seit den Anfängen des Punk ununterbrochen Gigs vor Punk-Publikum auf der ganzen Welt gehabt und die UK SUBS spielen auch heute noch „Born a rocker, die a rocker“, nie wurde ein wahreres Wort gesprochen.
Nachdem wir jetzt schon mehrfach von „No room for you“, eurem vielleicht bekanntesten Stück, gesprochen haben – was war der Anlass, diesen Song zu schreiben?
Die Whitcome Lodge als Veranstaltungsort hat uns inspiriert und so haben wir den Song „No room for you“ darüber geschrieben. Fast alle aufstrebenden Punkbands spielten damals in der Whitcome Lodge, bis die Behörden unerwartet den Laden schlossen und das Gebäude an Spekulanten verkauften, die es abrissen und ein Hotel an seiner Stelle bauten. „Well we don’t go there anymore, it’s boarded-up, the doors are closed, do you remember those weekend nights? When everything was alright ...“
Mit „Anti-police (2020)“ habt ihr eine neue Version eures Klassikers „Anti-police“ von 1981 aufgenommen. Was war der Grund?
„Anti-police“ war der erste Song der Band auf Single, allerdings wurde von John Peel auf BBC Radio 1 nur die B-Seite gespielt. Er sagte es so an: „Ich würde gerne die A-Seite spielen, aber wegen der ernsten Untertöne des Songs kann ich das nicht, also hier ist ‚Teenage adolescence‘.“ Dass er unsere erste Single spielte, half DEMOB dabei, Gigs in ganz Großbritannien zu bekommen. Es gab verschiedene Gründe, den Titel neu aufzunehmen, einmal die schlechte Produktion durch die Techniker im Tudor Studio, dann kam noch unsere eigene Unerfahrenheit dazu. Außerdem kam unser Sänger Andy, der den Song mitgeschrieben hatte, kurz bevor wir die Single aufnehmen sollten, ins Jugendgefängnis. Daraufhin wechselte Mark Miff Smith von der Gitarre bei den ersten Single-Veröffentlichungen ans Mikro. Also wollten wir unbedingt mal eine bessere Version von „Anti-police“ herausbringen. Ich hoffe, das ist uns gelungen.
Ein anderer Song heißt „Once punk always punk“. Was hat euch zum Punkrock gebracht – und wie ist es für euch heute?
Beim Punkrock ging es für uns nie um die Art, wie man sich kleidet, sondern immer um die Haltung, darum, gegen Unterdrückung und etablierte Systeme anzukämpfen. Ich denke, das zeigen wir auch auf unserem letzten Album. Wir wurden damals auf die SEX PISTOLS aufmerksam, nachdem wir viele Jahre lang den Glamrock von David Bowie, ROXY MUSIC und T. REX erlebt hatten. Wir waren bereit, etwas zu verändern und es selbst im Musikbusiness zu versuchen, auch wenn wir nicht wirklich gut spielen konnten.
Im Booklet eures aktuellen Albums beschreibt ihr die Vorfälle während des Karnevals 1979 in eurer Heimatstadt. Was ist damals passiert?
Wir hatten den örtlichen Veranstalter überredet, uns unter dem Banner unseres Jugendclubs auftreten zu lassen. Wir mieteten einen Sattelschlepper und ein Stromaggregat, stellten unsere Bandausrüstung zusammen und nahmen dann mit viel Enthusiasmus und Frechheit am Karnevalsumzug teil. Auf halber Strecke begannen ein paar Biker, die auf einer Brücke standen, unseren Wagen von oben mit Flaschen und Dosen zu bewerfen. Später führte der Umzug an einer Biker-Kneipe vorbei und wir sahen ein paar Typen, die wir für die Täter hielten. Also sprang die Band samt ihren Anhängern vom Lastwagen und eine Massenschlägerei begann, es war fast wie in einem Film! Ich schwang meine Gitarre wie ein irrer Axtmörder, die Polizei wurde eingeschaltet und dann ging der Krawall erst richtig los.
Du hast eben schon von der „Demob Riot Squad“ gesprochen und ihr habt ihnen auch einen Song gewidmet. Was haben sie gemacht und hast du noch Kontakt zu ihnen?
Das war ein Haufen treuer Unterstützer und Freunde; sie haben uns geholfen, unser Equipment zu transportieren, uns Gigs zu besorgen und, was noch wichtiger ist, sie haben uns geholfen, wenn es mit unliebsamen Leuten schwierig wurde.
Ihr beschreibt auch Probleme mit Nazi-Skinheads in den frühen Achtziger Jahren. Was war passiert?
DEMOB sind eine diverse Band, und es gab ein paar Leute, die nicht zuhören wollten, was die Band sagte oder sang, sie sahen nur zwei Leute mit nicht-weißer Hautfarbe in der Band, also nahmen sie uns als Zielscheibe für ihre Frustrationen. Im Nachhinein betrachtet waren es weniger als vierzig Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, also gab es vielleicht immer noch ein paar unzufriedene Leute da draußen.
Wie waren die Konzerte damals und was ist der Unterschied zu heute?
In den Siebziger und frühen Achtziger Jahren waren die meisten Gigs von Suff und Gewalt geprägt, heute geht es viel zivilisierter zu. Wir wurden in den frühen Punk-Tagen nicht für die Gigs bezahlt, also öffneten wir alle möglichen Türen und Fenster, um unsere Riot Squad hereinzulassen, damit sie uns kostenlos sehen konnten. Die Veranstalter hassten uns, haha. Kein Wunder, dass wir damals keine Auftritte mehr bekommen haben.
Gibt es Lieder, die ihr heute nicht mehr so schreiben würdet oder die ihr nicht mehr spielt?
Wir würden uns nie von einem Song distanzieren, den wir geschrieben haben. Sie sind unsere Interpretation dessen, was wir sehen oder was wir in unserem Leben zu dieser Zeit erlebt haben. Dass wir live vielleicht nicht alle Songwünsche erfüllen, liegt daran, dass wir normalerweise nicht genug Zeit haben, um alle unsere Stücke zu spielen, ich glaube, wir haben etwa fünf Alben mit zwei- bis dreiminütigen Songs gemacht. Das wären verdammt viele Titel, die man sich merken und bei einem Gig durchgehen müsste, haha.
Inzwischen ist Punk für manche Leute eine überalterte Jugendbewegung und das Rebellion Festival wird als Rentnertreffen bezeichnet. Wie erlebt ihr das? Ist Punk noch was für Kids?
Bei Punk geht es um die Haltung, nicht um die Kleidung. Als DEMOB anfingen, haben wir unsere Klamotten selbst genäht oder in Secondhand-Läden gekauft. Klamotten zu kaufen, um Punk zu sein, fällt nicht in meinen Aufgabenbereich, aber wenn die Leute sich gerne verkleiden, um sich auszudrücken, dann ist das allein ihre Entscheidung. Dass das Rebellion Festival ein Rentnertreffen ist, höre ich jetzt zum ersten Mal, haha. Als wir letztes Jahr auf dem Rebellion Festival spielten, habe ich einem zehnjährigen Jungen ein DEMOB-T-Shirt geschenkt, er frühstückte mit seinen Eltern in dem Hotel, in dem ich wohnte. Er kam zu mir, nachdem DEMOB gespielt hatten, mit unserem neuesten Album in der Hand, das er mir zum Unterschreiben gab. Ja, wir werden älter und hoffentlich auch der kleine Junge, der unser Album gekauft hat.
Ihr habt mit Mad Butcher ein deutsches Label gefunden. Wie kam der Kontakt zustande?
Mad Butcher hat einige andere Punkbands veröffentlicht, die wir kannten, und auch bereits unsere ersten 7“s neu aufgelegt, also schien es nur folgerichtig, unser letztes Album mit ihnen zu machen. So erhalten Leute auf der ganzen Welt nun die Chance, ein Exemplar von „Still No Room“ zu bekommen und müssen nicht darauf warten, dass wir auf Tour gehen, um die Platte auf unseren Konzerten zu kaufen.
Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Wir haben seit der Veröffentlichung unseres letzten Albums nur einen Gig auf dem Rebellion Festival gespielt, da unser Sänger in Kalifornien lebt. Ich denke, in Zukunft werden wir wohl nur noch auf Festivals spielen. Wir werden sehen. Ich habe jetzt noch eine andere Band am Start, sie heißt SPECTRUM 4. Es ist kein Hardcore-Punk, aber die Songs haben trotzdem eine wichtige Botschaft. Auch unser Bassist und unser Schlagzeuger spielen noch in anderen Bands. Wer weiß, was die Zukunft bringt.
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