DEINE ELTERN

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Derridas Differenzschrift und KiK-Klamotten

Namen sind Schall und Rauch und bei Bands sorgen sie nicht selten für eine völlig falsche Erwartungshaltung. DEINE ELTERN aus Köln, zu deren 15-jährigem Bandjubiläum jüngst die Werkschau „The Nippes Years“ erschien, sind so ein Beispiel. Wer hier eine kalauernde Spaßkapelle vermutet, hat sich gewaltig geschnitten. Humor haben Jörg (Gitarre, Gesang), Hendrik (Bass) und Niklas (Schlagzeug) zwar zweifelsohne, aber eben einen sehr speziellen, der mal mehr, mal weniger zum Tragen kommt, wenn die drei ihren eigensinnigen Blick auf die Welt besingen.

15 Jahre seit ihr jetzt schon ausschließlich und konsequent im D.I.Y.-Bereich aktiv. Hättet ihr es damals für möglich gehalten, dass ihr mit Mitte dreißig immer noch dabei seid?


Niklas: Viele verlässt mit höherem Alter durch zunehmende Einbindung in Berufliches das Interesse an Musik im Allgemeinen und selbst Musik machen im Speziellen. Bei uns ist es geblieben!

Jörg: Bislang hat sich einfach noch kein guter Grund zum Aufhören ergeben, deshalb sind wir noch dran.

Mit eurer deutschsprachigen Indie-Mucke macht ihr seit jeher einen großen Bogen um jegliche Trends und Szene-Hypes. Was sind eure wichtigsten Einflüsse und inwiefern hat sich eure Musik in den letzten eineinhalb Jahrzehnten verändert oder weiterentwickelt?

Hendrik: Wir wollten immer offen für unterschiedliche Einflüsse bleiben und trotzdem einen eigenen Stil kultivieren. Wir haben dabei Trends und Hypes nicht bewusst vermieden, ich hatte zum Beispiel nie ein Problem damit, wie groß Indiepop eine Zeit lang war. Ich bin darauf gern feiern gegangen, bevor die DJs auf diesen Partys nur noch die KILLERS und nichts mehr von TOCOTRONIC gespielt haben und ich dann anfing, mich mehr für elektronische Musik zu interessieren. Aber wir klingen auch mehr nach PAVEMENT als nach FRANZ FERDINAND. Irgendwann hat man ja als Band seinen Sound und der ist bei uns eben klassischer Indie mit Punk-Schlagseite und hier und da mal was komplett anderem. Wir hatten ja früher oft Ska- und Rocksteady-beeinflusste Songs, auch mal Jazziges oder Bossa Nova. Wir wollten uns nie in ein stilistisches Korsett zwängen.

Wie kam es zu eurem Bandnamen? Ist es eine gezielte Spielerei mit Erwartungshaltungen oder einfach nur eine im Suff entstandene Quatschidee?

Hendrik: Ob wir da besoffen waren, weiß ich gar nicht mehr, aber er ist spontan und ohne bewusstes Konzept dahinter entstanden.

Jörg: Natürlich war der Name eine Schnapsidee. Wir sind aber trotzdem dabei geblieben. Denn zu jener Zeit hatten die Bands in unserem Umfeld häufig klischeehafte Namen und wollten sich damit nicht selten den Anschein von massivem Tiefsinn geben. Da gefiel es uns einfach, so einen totalen Anti-Namen zu führen, für den man dann auch mal schief angesehen wird.

Ihr veröffentlicht ziemlich regelmäßig neue Alben. Wo nehmt ihr ständig diese ganzen Einfälle her?

Niklas: Die meisten Ideen kommen von Jörg. Er hat einen enormen Output und kommt zu jeder Probe mit mindestens einer neuen Songidee, die wir dann während des Spielens verfeinern. Variante zwei ist, dass ein anderes Bandmitglied eine Idee hat, die dann in der Jörg’schen Textschmiede in Form gegossen wird.

Jörg: Der Schriftsteller Arno Schmidt hat mal eine sehr ähnliche Frage beantwortet mit dem Satz: „Nichts ist mir zu klein.“ Wir teilen dieses Credo. Denn als Einflüsse für unsere Lieder kommen Derridas Differenzschrift genauso infrage wie die Erfahrungen in einem miesen Job, den man mal machen musste, oder ein Gespräch über KiK- und H&M-Klamotten, das ich mal in der Bahn belauschen durfte. Wir nehmen jede Idee auf, solange sie interessant ist.

Eure aktuelle Werkschau gibt es nicht nur als CD, sondern auch als kostenlosen Download. Zudem habt ihr nun alle bisher veröffentlichten CDs ebenfalls für umsonst ins Netz gestellt. Lohnt es sich für unbekanntere Bands immer weniger, physische Tonträger herzustellen?

Jörg: Es ist, glaube ich, kein Geheimnis, dass ein Großteil der Menschen Musik über das Internet kennen lernt und auch konsumiert. Wir haben uns darauf eingestellt und machen deswegen weniger physische Tonträger als noch vor zehn Jahren. Tragischer ist das natürlich für die D.I.Y.-Labels, die mit viel Herzblut Bands veröffentlichen und dann auf wirklich tollen Sachen sitzenbleiben. Ich muss da gleich an Chrissi von Subwix denken, der über Jahre ein gutes Label geführt hat und jetzt doch alles an den Nagel hängt.

Wie wichtig ist euch der D.I.Y.-Gedanke? Wären auch professionellere Gefilde denkbar, sofern sich euch die Möglichkeit in Form eines passenden Labels bieten würde?

Niklas: Das Schöne an D.I.Y. ist die künstlerische Freiheit, die man hat. Man hat im Falle einer Labelzugehörigkeit vielleicht sogar schon beim Songwriting den Hintergedanken, ob das denn nun auch jemand hören möchte, man ist ja nicht mehr ausschließlich sich selbst gegenüber verantwortlich. Unsere „Sandinista!“ wäre im Falle eines Scheiterns also nicht nur unser Problem. Andererseits ist ein Label im Rücken auch ein Türöffner, man denke da nur an Konzertbooking, Interviewanfragen ...

Jörg: Ehrlich gesagt, würde mir schlecht bei dem Gedanken werden, dass der Job von jemandem daran hängen könnte, dass wir etwas Verkaufbares abliefern. Auch möchte ich in Frage stellen, ob es uns heute überhaupt noch gäbe, wenn wir vor zehn Jahren bei entsprechenden Labels veröffentlicht hätten. In meinen Augen macht dieser ganze Den-Durchbruch-schaffen-Rockstar-Gedanke die eigentliche Sache kaputt.